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10 April

01.04.10  
Bei 29 Grad im Schatten genieße ich heute die ägyptische Sonne.




02.04.10  








In diesen Straßen im Zentrum findet auch nachts das Leben draußen statt. Da werden beim Licht greller Lampen Autos repariert und am Ende liegt dann ein ganzer Berg Müll auf der Straße. Das erste Foto habe ich von der Terrasse einer Wohnung im neunten Stock gemacht.
03.04.10   Gestern hier 34 Grad Celsius. Darauf haben meine Freundin und ich uns entschieden, ins Ägyptische Museum zu gehen, da es da vermutlich kälter ist als draußen.

Der Eingang. Drei Security-Checks und viele, viele Touristen. Fotografieren verboten. Der Eintritt für Ausländer kostet 60 Pfund, für Ägypter 4 Pfund. Und wer die königlichen Mumien sehen will, muss nochmal 100 Pfund bezahlen.

Meine Freundin sagt mir, dass die Frau an der Seite von Ramses die Hand in seinem Popo hat. Daraufhin riskiere ich dieses Foto. Und auch noch das nächste dieses Paares von oben.

Wir haben es zweieinhalb Stunden ausgehalten. Es gibt unendlich viel zu sehen. Ich hätte da gerne auch Hanns Zischler dabei gehabt, der sich mit solchen kulturhistischen Dingen vermutlich auskennt wie ein professioneller Ägyptologe. Angesichts der Menge an Ausstellungstücken sagte ich zu meiner ägyptischen Freundin: Die Nofretete ist in Berlin besser aufgehoben als hier, denn da hat sie ganz allein für sich einen Saal. Sie wirft mir eine kolonialistische Denkweise vor.

Ein libanesiches Restaurant mit Klimaanlage. Am Rande der beiden festungsmäßig ausgebauten Botschaften von England und den USA.
Im Internet finde ich eine amerikanische Seite mit einer Liste der der "Top 100 Directors": da stehe ich mit "FRAU FÄHRT, MANN SCHLÄFT" und "ROTE SONNE" auf Platz 34 (LINK).
04.04.10   Kühlschrank kaputt (der Thermostat funktioniert nicht mehr), Frau kaputt (sie hat sich ganz schlimm erkältet und liegt im Bett). Also keine neuen Abenteuer aus Kairo. Ich lese im letzten "Spiegel" einen Artikel von Lars-Olav Beier mit dem Titel "Filme versenken". Selbst Hollywoodfilme mit Hollywood-Stars wie Harrison Ford oder Nicole Kidman müssen mit teilweise 5 Zuschauern pro Vorstellung vorlieb nehmen. " Die Dominanz des Blockbusterkinos und die Krise des Starsystems sind deutliche Anzeichen eines Strukurwandels im Filmgeschäft."
In einem vor einigen Tagen erschienen Interwiew mit Werner Grassmann (LINK), dem Begründer des Hamburger Abaton-Kinos in der TAZ fragt der Interviewer: "Warum schießen nicht überall neue Kinos aus dem Boden, Guerilla- und Piraten-Kinos in Garagen und Kellern, die mit DVD-Player und Beamer zeigen, worauf sie Lust haben?" Grassmann kann die Frage nicht beantworten, verweist stattdessen darauf, dass sein Kino 20 Angestellte hat, die am Ende jedes Monats ihr Geld sehen wollen. Meine Filme hat er nie in seinem Kino, nicht einen einzigen in 40 Jahren, gespielt. Nach meinen Kinoerfahrungen mit Filmen mit Hannelore Elsner und im letzten Jahr mit "PINK" muss ich wohl in Zukunft auf diese noch nicht existierenden Guerilla- und Piraten-Kinos setzen. 1974 mit "MADE IN GERMANY UND USA" habe ich etwas Vergleichbares gemacht. Dieser Film war von mir explizit für die damals neu entandene Szene von Kommunalen Kinos und Programmkinos gedreht worden. Ich spiele ernsthaft mit dem Gedanken, "DAS ROTE ZIMMER" nicht mehr als Filmkopie ins Kino zu bringen. Denn bei "PINK" hatte ich 17 Kopien und jede Kopie hat 1.000 Euro gekostet. Ich hätte genauso gut mit einhundertsiebzig 100-Euro-Scheinen ein wunderbares Feuer auf meinem Bauernhof machen können. Solche Ideen kriegt man in der tropischen Hitze von Kairo, die mir heute extrem zu schaffen macht.

Ich wünsche allen Moana-Tagebuchlesern Frohe Ostern!
05.04.10   Gestern ist meine Freundin wieder lebendig geworden. Es ist sehr viel kühler jetzt (27 Grad). Wir schauen uns drei Moscheen an.

Zuerst die Moschee ar-Rifai. Die ist relativ neu. Da ist König Faruk begraben und auch der Schah von Persien.

Fast das ganze Licht hier kommt aus Energiesparlampen.

Das Grab des Schahs von Persien.

Der Eingang zur Sultan Hassan Moschee. Die ist über 600 Jahre alt, und die hat auch Barack Obama besucht.


Beim Mittagsgebet.



Am Ende dieser winzigen Straße steht ein prächtiges Haus…

…das zwar halb vefallen, aber noch immer bewohnt ist.



Die al Maridani-Moschee. Kein Tourist verirrt sich hierhin.

Der Innenhof dieser untouristischen Moschee.

Ein paar Meter weiter. In diesem Teil der Kairoer Altstadt glüht das Leben. Da möchte ich am liebsten tagelang rumlaufen und noch lieber Filme drehen.

Mit einer kleinen Videokamera und einer Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm müsste das möglich sein.

Heute ist in Kairo ein richtiger Feiertag, Sham el-Kessim, der Beginn des Frühlings. Fast alle Geschäfte sind geschlossen, das arme Kairo zieht, festlich gekleidet mit all ihren Kindern, in Parks. Die Reichen sind am Meer oder in der Oase Fayoum. Ich habe über 100 Fotos gemacht und bin zu erschöpft, um heute noch eine kleine Auswahl zu treffen. Morgen früh mehr aus Kairo.
06.04.10  
Am Morgen: das Nilufer.

Ein Fernsehteam, das eine Show aufzeichnet.

Das Sounddepartment.

Der Star.

Dieses liebevoll ausgestattete Taxi hat eine LKW-Hupe eingebaut, von der der Fahrer reichlich Gebrauch macht.

Der Eingang zum Al-Azhar Park.






Frangipaniblüten. Mich erinnern die immer an Ureparapara. Dieser Erinnerung zuliebe heißt Laura Tonke in "JUST MARRIED" Frangipani.


Eine Agavenblüte. Wenn eine Agave geblüht hat, stirbt sie.

Am Nachmittag: ein Restaurant am Nil.





Am Abend: Ein marrokanischer Film "Islam ya Salam" von Saad Chraibi im Kinosaal der Kairoer Oper. Das Kino ist eiskalt. Der auf 35mm gedrehte Film wird von einer DVD in einem halbhellen Saal auf die Leinwand projeziert. Bei den Nachtszenen (und es gibt viele) kann man die Personen kaum erkennen. Es ist in gutgemeinter Themenfilm über die fortschreitende Islamisierung in der arabischen Welt. Eine islamischer Mann kehrt mit seiner amerikanischen Frau und seinen Kindern nach dem 11. September zurück in seine Heimat Marokko. Es gibt jede Menge Eheprobleme, Probleme mit den Kindern, Erbschaftsprobleme, ein Kind mit der früheren Geliebten des Mannes. Ein schlecht gespieltes, schlecht fotografiertes, schlecht geschnittenes buntes Durcheinander.
Aber das Operngebäude, ein Geschenk Japans an Ägypten, ist schön. Ganz besonders bei Nacht.


07.04.10  

Zwei Wandbilder in einer Schule.


Eine endlose Reihe von Mannschaftswagen der Kairoer Polizei. Die Demonstration, auf die sie warten, bestand nur aus 10 Teilnehmern. Alle wurden verhaftet. Das erzählt uns später ein Taxifahrer.
Gegen Mittag erfahren wir aus einer oppositionellen Zeitung, dass es 70 Demonstranten waren, und online hat die Zeitung auch ein Video vom Polizeieinsatz veröffentlicht.

Eine Markthalle. Da gibt es Obst und Gemüse, Fleisch, Fisch und Haushaltswaren. Es riecht nicht so toll da drin.

Der Eingang zur American University in Cairo (AUC). Vor 150 Jahren war es eine Fabrik für Zigaretten.

Der Eingang von innen.

Ein Vortragssaal in der Universität.

Selbst die kleinsten Hörsäle sind noch prächtig.


Im Staub von Kairo sind nur die jungen Blätter noch schön.





Ein junges Paar beim Studieren der Speisekarte. Zum Essen wird der Teil der Burka, der das Gesicht verdeckt, runtergeklappt.

An der Südspitze der Nilinsel Gezira liegt das Sofitel-Hotel mit vier oder fünf Restaurants direkt am Wasser.
08.04.10  
Während ich mit meiner Regieassistentin Serpil Turhan in Berlin zum ersten Mal skype, bringen vier Männer den funkelnagelneuen Kühlschrank. Die 5 kühlschranklosen Tage waren doch recht beschwerlich. Jeden Morgen geschmolzene Butter auf dem Brot. Keine frische Milch. Ich hätte nie gedacht, dass das so wichtig ist im Alltagsleben.
09.04.10   Gestern waren meine Freundin und ich in "City Stars", der größten Shopping Mall von Ägypten.

Einer der Eingänge zu diesem modernen Heiligtum.

Immer wieder kommen Aufpasser auf uns zu und sagen, dass das Fotografieren verboten ist. Warum bleibt ein Rätsel.

Atrium der Mall. Auch hier stehen, wie in Berlin, Plastik-Palmen.





Ein Bazaar im dritten oder vierten Stock. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen und kaufe einen Teppich für mein Badezimmer in der Fidicinstraße.






Das letzte und vorletze Stockwerk der Mall ist noch nicht fertig. Dafür gibt es diese Wandgemälde.

Auch zwei Multiplex-Kinos: Stars Cinema und Golden Stars Cinema. Das letztere gehört der Tochter von Jussuf Chahine.


Durch das Malldach schimmert die Pyramide des Intercontinental-Hotels.

Gleich neben der Mall eine neugebaute Moschee.

Auf dem Rückweg in die Stadt das Grabmal von Anwar as Sadat (aus dem Taxi fotografiert).
10.04.10   In der Straße der Zeltmacher. In den manchmal winzigen Straßen drumherum fahren Autos, gibt es Pferde- und Eselfuhrwerke, aber vor allem Motorräder und Motorroller. Und an fast jeder Ecke eine größere oder kleinere Moschee. Am Freitag um 12 Uhr sind die überall durch Lautsprecher verstärkten Predigten unerträglich laut. Durch das offene Fenster einer Moschee sah ich einen Jungen, der sich die Ohren zuhielt. Eine Disco ist nichts dagegen.



Ganz im Hintergrund eine Gruppe von Männern, die - mit einer auf diesem Bild unsichtbaren - Videokamera filmen.

Obwohl das fünfstöckige Haus im Hintergrund extrem baufällig aussieht, ist es bewohnt, denn im dritten Stock ist Wäsche zum Trocknen aufgehängt.

Das war oder ist ein Body-Building-Institut…

…wie ein Blick durch das Gitter verrät. Ich vemute, dass in diesem Viertel von Kairo der Bedarf dafür nicht allzu groß war.

Hinter einer riesigen Eisentür ist gleich um die Ecke ein neu erbautes koptisches - also christliches - Kloster.




Ein modernes koptisches Heiligenbild.

Ein gerade getauftes Kind.





Wieder "zuhause" in Zamalek wird ein lebendiges Schaf in ein kleines Metzgergeschäft gedrängt. Sein Fell ist rot markiert. Also wird es dort gleich geschlachtet werden. Ich laufe sofort weiter, denn schon beim Gedanken daran, wird mir übel. Meine Freundin fragt den Besitzer, warum er das macht. Der sagt, dass es dafür aufgewachsen ist.
11.04.10  
Gestern ein Symposion im Vortragssaal der American University of Cairo. Es geht um Ethnographie durch Bilder (als Foto und Film) in der arabischen Welt.

Die Burka gibt es nicht nur bei Frauen.



Heiny Srour (auf dem Foto links unten), eine libanesische Filmmacherin, die in Paris lebt, zeigt ihren 1974 entstandenen Film "The Hour of Liberation Has Sounded" ("Sa'at al-tahrir"). Ein extrem naiver Propagandafilm, in dem es um die Befreiung der Golfstaaten, vor allem im Oman, von der englischen und amerikanischen Herrschaft und um die Befreiung der Frau geht. Die "Arbeiter und Bauern" sind stärker als die technologisch überlegenen kapitalistischen Feinde. Aus reiner Neugier habe ich ihn fast bis zum Ende angeschaut. Dass das projiezierte Bild auf der Leinwand trapezförmig ist, scheint ihr egal zu sein. Den Zuschauern und im Saal anwesenden Technikern anscheinend auch. Es ist mir absolut rätselhaft, warum dieser Film in einer Veranstaltung über Ethnographie hier gezeigt wird. Denn Propaganda ist das absolute Gegenteil von Ethnographie. Ich hätte hier gern meinen "ethnographischen Spielfilm aus der Südsee BESCHREIBUNG EINER INSEL" gezeigt.
12.04.10   Hier weht ein heißer Wind aus der Wüste. Die Hochhäuser sind wie in Nebel gehüllt. Meine Freundin sagt, dass das Sand ist. Ich würde eher sagen Staub. Auf jeden Fall verursacht er Kopfschmerzen. Wir gehen in den Komplex der Museen für Landwirtschaft.

Da sind keine Touristen, aber jede Menge Schulklassen. Der Eintritt ist so billig wie sonst nirgendwo. 25 Piaster (ca. 3 Cent). Auch Ausländer wie ich müssen nicht mehr bezahlen.

Das Büro des Museumsdirektors.

Ein Hochzeitszug. Die Braut sitzt in dem vergitterten Holzgehäuse.











Eine Bauchtänzerin.

Im zweiten Stockwerk des Gebäudes sind naturwissenschaftliche Sammlungen.







In einem zweiten in der Nasser-Zeit entstandenen Gebäude sind Gegenstände, die aus Ausgrabungen stammen und mehrere tausend Jahre alt sind, ausgestellt. Das Gebäude selbst ist keine Schönheit. Es sieht aus, als wäre es von der damaligen Sowjetunion gebaut worden. Sehr marxistisch.







Das Baumwoll-Museum.

In der Eingangshalle des Baumwoll-Museums.







13.04.10   Der Wüstenwind hat dafür gesorgt, dass mein Hals kratzt. Deshalb verbringe ich zwei Stunden im Schwimmbad. Einfach so in der Sonne liegen, keine Moscheen oder Museen anschauen tut mir gut. Gibt mir ein Gefühl von Ferien. Vor allem, wenn ich an die Temperaturen in Deutschland denke, mit denen ich in drei Tagen wieder konfrontiert bin.

Die Wege im Schwimmbad werden mit einem Palmwedel gefegt.

Direkt neben dem Schwimmbad eine Kunstausstellung. Ich gehe da nicht rein.

Nochmal - der älteste Baum in Kairo. Staubbedeckt.

Am Abend untersuche ich das heillose Kabel-Chaos, das zum Fernseher meiner Freundin führt, verändere ein paar Verbindungen, setze neue Batterien in die Fernbedienung ein. Die alten sind hoffnungslos korrodiert. Die alten Batterien müssen separat in eine Plastiktüte getan werden, damit sie hinterher bei der Müllsortierung per Hand leichter gefunden werden. (Den Besuch von "Garbadge City" werde ich wohl auf meinen nächsten Kairobesuch verschieben müssen.)
Danach können wir wieder fernsehen. Ich bin erstaunt darüber, dass die Frauen keine Kopftücher tragen. Aber etwas später finde ich doch zwei Frauen mit Kopftuch.


14.04.10   Der vorletzte Tag in Kairo. Nach dem Schwimmbad gönnen meine Freundin und ich uns ein Mittagessen auf dem "Blue Nile", einem Restaurant auf einem Nilschiff. Es gibt dort nicht nur ein Restaurant, sondern drei: italienisch, ägyptisch, libanesisch. Wir entscheiden uns für das libanesische Restaurant auf dem Oberdeck.



Der Treppenaufgang





Vorbeifahrende Boote und ein Transportschiff.



Eine Art Pizza, die unglaublich gut schmeckt. Wenn ich noch lange hier bleibe, werde ich davon träumen, eine Moana-Film-Filiale in Kairo aufzumachen. Ich träume ohnehin schon jede Nacht von meinem Filmteam bei Dreharbeiten.

Die ägyptische Königsfamilie. In der Nasser-Zeit gab es solche Bilder nirgendwo.

König Faruk, als er noch klein war.
15.04.10  
An diesem Taxi faszinieren mich die 4 kleinen Spiegel auf der Windschutzscheibe auf der rechten Seite. Ich habe mich immer gewundert, warum man keine Minute warten muss, um ein freies Taxi in Kairo zu kriegen. Jetzt weiß ich es. Es gibt ca. 80.000 Taxis in Kairo.
Wir fahren heute in die Garbadge City. Da wird der gesamte Müll von Kairo per Hand verlesen. Im letzten Jahr hat allerdings die Regierung die Schweinepest zum Vorwand genommen und sämtliche Schweine, die darauf spezialisiert waren, den fressbaren Teil des Mülls zu fressen, getötet. Für die Kopten, die hier leben, ein nicht wieder gut zu machender finanzieller Verlust.

Eine von vier in den Fels gehauenen koptischen Kirchen.





Eine zweite Felsenkirche.



Der schönste Mann der Menscheit (grob übersetzt).

Diese Bilder kann man in einem Shop hier kaufen.

Ein Blick auf die Gabadge City. Im Hintergrund im Dunst die Pyramiden von Gizeh.

Auch auf den Dächern der Häuser von Garbadge City wird der Müll gelagert, denn hier ist der Müll kostbar.

Die Hauptstraße von Garbadge City.

Manche Wohnungen sind bunt bemalt. Alle haben neue Mauern aus Ziegelsteinen.

Ständig kommen mit Müll beladene LKW's hier an.

Früher wurde der gesamte Mülltransport mit Eselfuhrwerken gemacht.

Die alte Schule von Garbadge City.

Ich verabschiede mich aus Kairo. Morgen abend poste ich in Berlin ein Video von einer Schule, das ich mit meinem Fotoapparat gemacht habe, auf Vimeo. Hier ist meine Internetverbindung dazu viel zu langsam.
16.04.10  


Gestern mittag auf dem Weg zum Abfluggate.

Ein Engel hat meine Economic Classbordkarte gegen Business Class ausgetauscht. Ich genieße den großen Freiraum, den guten Bordeaux und das erheblich bessere Essen. Die Zeit vergeht bei diesem Flug wie im Flug.
Doch nach der Ankunft in München war das Märchen zuende. Security-Kontrolle gleich beim Betreten des Flughafengebäudes. Und zwar eine von der langsamsten und sorgfältigsten Art. Pro Passagier gut 2 oder 3 Minuten. Dann im Anschlussflug nach Berlin. Voll bis auf den letzten Platz. Eng wie in einer Sardinenbüchse. Abflug mit über 20 Minuten Vespätung und dann, nach einer halben Stunde in der Luft, die Stimme des Kapitäns. Eine schlechte Nachricht. Wir müssen umdrehen. Zurück nach München. Alle Berliner Flughäfen sind geschlossen. Ich warte dann an einem Gepäckband, wo schon viele warten, auf meinen Koffer aus Kairo. Eine Frau aus Rio de Janeiro sagt mir, dass sie schon seit 6 Stunden auf ihr Gepäck wartet. Ich bereite mich innerlich auf eine lange katastrophale Nacht am Gepäckband vor. Da entdecke ich meinen roten Koffer.

Viele Schlangen vor den Lufthansaschaltern. Alle sind gestrandet und wollen Bahntickets, Umbuchungen und Hotelzimmer. Ich habe Glück und gerate nach einer halben Stunde Warten an einen extrem freundlichen Lufthansa-Angestellten, der alles für mich erledigt und die weiteren Schlangen umgeht, denn für Bahntickets, Hotelzimmerbuchung und Taxigutscheine gibt es jeweils Schlangen an anderen Orten. Nach einer 35km-Taxifahrt sitze ich in einem Hotelzimmer in der Gegend von Ramersdorf, wo leider das W-Lan heute ausgefallen ist. Ich rufe meine Regieassistin Serpil Turhan in Berlin an und sie sucht mir eine Zugverbindung nach Berlin raus.

Auch das Fernsehen berichtet von dem Vulkanausbruch in Island, der zum Zusammenbruch des halben europäischen Luftverkehrs geführt hat.

Ich schlendere ein bisschen in der Bahnhofsgegend herum. An jeder Straßenecke habe ich Erinnerungen.

In dem Beate Uhse-Laden war früher das Schiller-Kino. Da liefen fast ausschließlich Western. Jean-Marie Straub, der um die Ecke wohnte, meinte damals, dass seine Filme hier laufen müssten.

Der Stachus ist immer noch eine Baustelle. Oder schon wieder. Wie schön war doch die Holzbrücke in "ROTE SONNE", wo Sylvia Kékulé Hark Bohm mit einer in der "Abendzeitung" versteckten Pistole erschießt.

Hier ist Roger Fritz in "FREMDE STADT" mit einem Koffer voller Geld gelaufen.

Jetzt sind sowohl der Bahnhof wie Flughafen in München zu Malls geworden. Das Fliegen und das Zugfahren sind Beiwerk. Zumindest optisch.

Daheim in Berlin. Der Teppich aus der Mall in Kairo schmückt versuchsweise mein Badezimmer. Vielleicht wird er in einem meiner künftigen Filme wieder auftauchen?

Daheim auf dem Bauernhof. Nach einem Jahr Pause blühen endlich wieder meine Forsythien…

…und auch meine Sternmagnolie. Die Tulpen im Garten haben noch auf mich gewartet. Das war eine lange Reise durch Raum und Zeit.

17.04.10   Weil es in den Nachrichten hieß, dass die Vulkanwolke uns Europäern einen besonders schönen Sonnenuntergang bescheren wird, bin ich kurz vor 8 rausgegangen und hab Fotos gemacht.



um 19.48 Uhr

um 19.55 Uhr (offizieller Sonnenuntergang war gestern 20.01 Uhr).
Wer auf diese beiden Sonnenuntergangsbilder klickt, kann sich diese in voller Auflösung herunterladen.
18.04.10  
Mein Teich hat in diesem Jahr zum ersten Mal seit Jahren keine Grünalgen. Im Hintergrund die weiß blühende Sternmagnolie.

ausKairo from Rudolf Thome on Vimeo.

19.04.10  
Der Teppich aus Kairo bleibt auf dem Bauernhof. Vielleicht ist es ja ein Zauberteppich, der, wenn man sich draufstellt, Wünsche erfüllen kann.





Wieder zurück in Berlin. Livia Theuer, die die Drehbücher von "DAS ROTE ZIMMER" und "INS BLAUE" bearbeitet hat, besucht mich und zeigt mir Fotos von Neapel und vom Vesuv, denn sie war über Ostern da. Die sind für das, was ich in Szenen von "INS BLAUE" zeigen könnte, wichtig. Außerdem möchte sie gerne für beide Filme ein "Making of" drehen. Ich habe ihr gesagt, dass ich erst einen Drehplan und eine definitive Kalkulation für "DAS ROTE ZIMMER" brauche und die wird es vor Mitte Mai nicht geben. Wahrscheinlich werde ich mir diesen Luxus nicht leisten können.
Außerdem ist heute der Mietvertrag für das Produktionsbüro im Nachbarhaus der Fidicinstraße angekommen. Auch da läuft alles nach Plan. Der Umzug ist nicht gigantisch. Nur 20 Meter bis dahin. Wir brauchen keine LKW's, aber starke Männer, denn alles muss drei Stockwerke hochgetragen werden, und ich selbst falle als nicht mehr ganz so kräftiger älterer Herr dabei vermutlich aus. Nur die technischen Geräte wie Fax, Fotokopierer, Telefone und Router werde ich da rüberbringen. Mein Gott, früher war ich kräftiger als manche Beleuchter und konnte 10 KW's tragen.
20.04.10  
Am Marheineckeplatz.
Beim Kauf eines T-Mobile-USB-Sticks, sehe ich in den Potsdamer Platz-Arkaden diese Kleider.



Das wird wohl die Berliner Sommermode. Romantische Stoff-Fetzchen. Sehr kurze Röcke.
Ich bin gespannt, was meine Kostümbildnerin mir für "DAS ROTE ZIMMER" vorschlagen wird. Mir gefällt das, denn es erinnert mich an die Zeit von "ROTE SONNE". Vielleicht wird "DAS ROTE ZIMMER" einmal ein Kultfilm wie "ROTE SONNE". Die Farbe Rot kommt zumindest in beiden Filmen vor. Ich gebe die Hoffnung niemals auf!
Der neu gekaufte USB-Stick funktioniert nicht. Auch bei einem zweiten Versuch im T-Com-Laden weiß keiner weiter. Der Stick will einfach nicht mounten. Wieder zuhause teste ich den Stick auf einem anderen Computer. Und dann lese ich beim Installieren, dass die Software aller anderen Sticks zuerst deinstalliert werden muss. Ich mache das und alles funktioniert einwandfrei. Warum wissen die Leute, die die Dinger verkaufen, das nicht?! Der Vodafonestick in Ägypten und der Mobile-Nil-Stick von meiner ersten Ägyptenreise hatten jedenfalls beide nebeneinander funktioniert.
Im "Spiegel" lese ich heute in einer Fernsehkritik: "Mit den Folterinstrumenten modernen Fernsehens (von mir hervorgehoben) - Wackelkamera, Halbdunkel, Schnellschnitte, Verwirrungsmanöver - erzählt der Film des Regisseurs Richard Curson Smith…" Diese Folterinstrumente existieren auch im Kino. Seit einiger Zeit. Ich mach da nicht mit.
21.04.10   Beim ersten Blick aus dem Fenster heute morgen, entdecke ich diese beiden Poster in den mir gegenüberliegenden Kleingärten. Einer davon gehörte 2005 Hannelore Elsner in "DU HAST GESAGT, DASS DU MICH LIEBST": Da hat sie ein Feuer gemacht und Blumen für das Grab ihrer Mutter gepflückt. In einem oder in zwei Jahren werden da vermutlich Häuser stehen, denn gegen Großinvestoren haben Kleingärtner keine Chance.





Am frühen Morgen besucht mich Bernd Euscher, mit dem ich "DAS GEHEIMNIS" und "JUST MARRIED" geschnitten habe.
22.04.10   Zur Vorbereitung auf die Drehzeit von "DAS ROTE ZIMMER" habe ich mir gestern diesen Wetter-Computer gekauft. Der aus Sardinien von "RAUCHZEICHEN" war nicht mehr zeitgemäß. Was ich jetzt schon sehe, bei unserer Motivbesichtigungstour am Sonntag werden wir stahlende Sonne haben.



Mit ägyptischen Augen heute am Bahnhof Zoo entdeckt. Für Frauen ist diese Gleichsetzung nicht ok. Für die meisten Männer sicher auch nicht.

Sowas sieht man in Kairo definitiv nicht. Ich habe schon oft in den saubersten Betten der besten Hotels überall in der Welt geschlafen, aber da noch nie "schmutzige Fantasien" gehabt. Ich glaube, dass ich überhaupt noch nie sowas hatte. Auch nicht in meinen eigenen Betten. Vielleicht bin ich noch immer in dieser Hinsicht ein unschuldiges Kind. Oder etwas zurückgeblieben.
23.04.10  
Der Flieder in meinem Vorgarten fängt bald an zu blühen.

Und auch die Rose, die ich vor meiner Kairoreise radikal beschnitten habe, schlägt überall neu aus. Dann kommt der Schornsteinfeger, um meine Gasheizung zu überprüfen und kriegt gleich zweimal einen kräftigen Händedruck, denn das bringt bekanntlich Glück. Und Glück brauche ich jede Menge für "DAS ROTE ZIMMER".

Schönheiten aus Berlin-Kreuzberg.



Auch ein stinknormaler Supermarkt sieht hier heute anders aus als noch vor ein paar Jahren. Ich freue mich auf die nächsten Filme, in denen ich - als "Chronist des Alltags" - diese Veränderungen zeigen kann.
24.04.10   Diese Ankündigung finde ich heute morgen im Web: http://filmkunst-berlin.blogspot.com/2010/04/rudolf-thome-filmt-in-kairo. Der direkte Link funktioniert nicht mehr. Man muss jetzt scrollen.
Ich habe in Kairo nur meinen kleinen Fotoapparat aus dem Fenster gehalten und auf "Filmaufnahme" gestellt. Mehr nicht. Nichts Professionelles. Wenn ich "DAS ROTE ZIMMER" und danach "INS BLAUE" gedreht habe, denke ich daran, einen Film in Kairo zu drehen, denn diese Stadt begeistert mich total. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.
Für meine Freunde in Kairo will ich eine englisch untertitelte Betamaxkassette von "TAROT" auf DVD überspielen und suche auf dem Flohmarkt einen Betamaxrecorder. Dabei entdecke ich die durch ein virtuelles Baugerüst verdeckte Siegessäule…



…mit gemalten Arbeitern…

…und dann diese Frau.
26.04.10   Unsere zweite große Motivbesichtigungstour gestern in die Nähe der Ostsee und der polnischen Grenze am bisher wärmsten Tag des Jahres war erfolgreich. Es geht um das Haus von Luzie und Sibil, um die Wiesen, Wälder und Seen drumherum. Hier werden wir im Sommer drei Wochen drehen.







Während wir uns das Haus von allen Seiten anschauen und in der Ferne Kraniche schreien, landet dieser Raubvogel am Waldrand.

So sieht der Wald hier aus. Die Natur hier bleibt sich selbst überlassen.

Eine vielstämmige Kastanie gehört zum Grundstück. Hier treibt seit ein paar Jahren die Miniermotte ihr Unwesen. Wenn wir drehen, werden viele Blätter schon braun sein.

Der erste und am nächsten gelegene See.


Der zweite See.

Am Seeufer das einzige Hotel hat leider nur 10 Zimmer, und man sagt uns, dass sie alle ausgebucht seien. Hier könnten unsere Schauspieler wohnen.

Der 3. See. Am Strand picknicken und grillen heute ausschließlich polnische Touristen.

Ein paar Kilometer entfernt die deutsch-polnische Grenze.

Unser Mittagessen in einem Netto-Supermarkt, der hier auch am Sonntag geöffnet hat.

Ein Foto von mir. Am 3. See. Hat mir Reinhild Blaschke gerade gemailt. Ich strahle, denn mit unserer 2. Motivtour bin ich total glücklich.
27.04.10   Die Autos in "DAS ROTE ZIMMER":

Der Wagen von Luzie…

…und der Wagen von Fred. Sie passen ganz wunderbar zum blauen Haus, in dem es für den Film dann ein rotes Zimmer geben wird.

Serpil Turhan ruft mich an und sagt, dass auch die Hotelbuchung für das gesamte Filmteam in Pasewalk geklappt hat. Das gesamte Filmteam wohnt im selben Hotel, das nur 20 km vom Hauptdrehort entfernt liegt. Das ist ein absoluter Glücksfall! Die Filmgötter sind uns wohlgesonnen.
Hier auf dem Bauernhof blühen jede Menge Tulpen und die Kirschbäume. Bei meiner 20 Jahre alten Magnolie im Innenhof gibt es leider schon Blütenblätter, die sich braun verfärbt haben. Bei meinem jungen Walnussbaum im Garten sind die ersten Blätter rabenschwarz, also erfroren. Er hat noch keine Erfahrung mit dem Wetter hier, Denn in den letzten 7 Tagen war es nochmal winterlich kalt. Minus 4 Grad.
28.04.10  




Die erfrorenen Blätter meines Walnußbaums.





Es weht ein eiskalter Wind draußen. Ich schaue mir Ozus "The Flavour of Green Tea Over Rice" an. Ich wundere mich über Ozus Erzählstil. Es sind neugierige Blicke auf die Welt und die Menschen. Sie erinnern mich an meine ägyptischen Augen. Jede Einstellung bei Ozu ein neuer Blick. Und aus der Abfolge entwickelt sich eine Geschichte, die mich mehr und mehr in den Bann zieht.
In der Nacht sehe ich auf Arte Dominik Grafs Serie "Im Angesicht des Verbrechens", der völlig anders funktioniert. Er erzählt keine lineare Geschichte mehr, sondern malt ein virtuelles Panoramabild einer so nicht sichtbaren Welt, in der die Menschen, die darin vorkommen, nur Farbkleckse sind. Man wird nicht hineingezogen, sondern kann das Ganze von außen nur bewundern.
29.04.10   Draußen Pflanzen wässern, Wiese mähen, drinnen emails beantworten, Rechnungen schreiben, telefonieren.



Mein Pfirsichbaum blüht endlich wieder. Letztes Jahr gab es keine Blüten und damit auch keine Pfirsiche. Meine Pfirsiche schmecken mindestens dreimal besser als die aus dem Supermarkt.
Seit heute bin ich für "DAS ROTE ZIMMER" ausfallversichert: sollte ich beim Schwimmen im Teich einen Herzschlag kriegen, zahlt die Versicherung alles. Als ich ein Kind war, hat meine Mutter immer gesagt, nicht einfach ins Wasser springen, sondern zuerst den Körper abkühlen. Wenn ich das tue, schreie ich laut, das macht die Kälte im Wasser für mich erträglicher. Ich denke mit Bewunderung an Hannah Herzsprung und Cornelius Schwalm beim Drehen von "PINK". Beide sind, nachdem der Teich frisch mit kaltem Brunnenwasser aufgefüllt war, ins Wasser gesprungen. Allerdings hatten sie noch Kleider an.
30.04.10   Zufällig entdecke ich heute im Archiv der Quinzaine des Réalisateurs meine Antwort auf die Frage, warum ich den Film "TAROT" gemacht habe:
"Je dois avouer que je déteste la question que me pose la Quinzaine, à savoir quelles sont les raisons qui m'ont poussé à faire ce film. Il me semble que ce qui est réussi ne nécessite pas de commentaires de la part de son auteur. Un telle question implique donc que le film à besoin d'une explication, ce qui revient à dire qu'il n'est pas réussi. Malgré tout, je vais m'efforcer d'y répondre de mon mieux. Depuis que je réalise des films, c'est à dire depuis plus de vingt ans, je me suis toujours intéressé aux relations entre les êtres et particulièrement entre les hommes et les femmes. En somme, tous mes films racontent la même chose : une histoire d'amour. Le roman de Goethe, Les Affinités électives, a toujours symbolisé pour moi l'histoire d'amour par excellence. C'est la raison pour laquelle en 1975 j'avais déjà réalisé un film à partir de ce sujet. C'était Tagebuch (Journal intime) tourné en 16mm noir et blanc pour un budget d'environ 20.000 DM et dans lequel je jouais le rôle d'Edouard. Le thème du roman de Goethe me passionne tant que c'est avec enthousiasme que j'ai accepté le projet que me proposait Max Zihlmann (qui a déjà écrit de nombreux scénarios pour moi). Je considéère que les gens accordent trrop d'importance au sujet d'un film, à son histoire ou à son message. En ce qui me concerne, l'attitude que l'on adopte envers les personnages, me paraît primordiale car c'est à travers elle que l'on raconte un film."

Draußen scheint die Sonne, aber es weht ein starker Wind. Mein Teich ist im Nu voller Birkenwürmchen. Ich fische so viele davon raus wie ich kann. Gestern bin darin geschwommen.

Ein einziger warmer Tag wie gestern hat dafür gesorgt, dass auch mein Farn seine Blätter ausrollt.
     
     
     
     
     
     

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