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15 März

01.3.15  


Eine Stunde nach diesem schönen Morgenrot hat es angefangen zu regnen. Erst gegen 13 Uhr hat es aufgehört, und ich konnte wieder Fahrrad fahren.

02.3.15   Beim Aufwachen hat's schon geregnet. Um 8 Uhr schien dann die Sonne und überall wurde der Himmel blau. Aber das Radfahren dann war heute wie Krieg. Der stärkste Wind, den ich bis jetzt auf dem Fahrrad erlebt habe. Böen mit 53km/h.
Warum um alles in der Welt mache ich das? Ich denke, es ist gut für meine Gesundheit und für ein langes Leben. Trotz Rauchen und trotz Weintrinken.



Die Wäsche hängt jetzt an einem neuen Wäscheseil, damit die Sonne rankommt.
03.3.15   Ein eiskalter Wind weht heute. Ich beiße mich trotzdem durch. Zum ersten Mal höre ich den Gesang von Vögeln auf dem Feld neben dem Radweg. Nach einem Telefonat mit meinem Bruder, der ein Vogelkenner ist, erfahre ich, dass es Grünfinken sind.

Birke am Radweg im Wind.

Mein spartanisches Mittagessen: Spaghetti mit Butter und Käse.

Im Garten blühen jetzt auch die gelben Krokusse.
Am Nachmittag lese ich in Norbert Grobs Fritz Lang-Buch und danach mache ich endlich wieder weiter mit meinen Autobiographie-Notizen, denn ich schlafe schlecht, wenn ich das mehrere Tage hintereinander versäume.
Das Jahr 1970 ist bei mir ziemlich dramatisch, denn ich lerne eine Blondine kennen. Sie heißt Karin Ehret-Brandner. Sie holt mich raus aus der bunten "ROTE SONNE"-Wohnung (deren Farben ich vor ein paar Jahren auf meinem Bauernhof wiederholt habe! - was mir erst jetzt klar wird), und ich ziehe in ihre Wohnung. Mein schönes Kommune-Leben mit Marquard Bohm und seinen vielen Freundinnen ist vorbei. Günter Rohrbach vom WDR will mit mir unbedingt nach einem Drehbuch von Max Zihlmann einen Film machen. Da Max etwas länger braucht, um ein neues Drehbuch zu schreiben, schlage ich ihm "SUPERGIRL" vor. Das sei von Max Zihlmann und es sei schon fertig. Rohrbach hat ja gesagt, und ich hab's gedreht. Da ich inzwischen in der Wohnung von Karin Ehret-Brandner wohnte und sie auch schon schwanger war, wollte sie unbedingt mich noch vor Drehbeginn heiraten. Das habe ich, ein bisschen gegen meinen Willen, auch getan. Danach war sie endlich den Doppelnamen los und hieß Karin Thome. Auch heute noch.
Um 17 Uhr die Rede von Netanyahu vor dem amerikanischen Kongress online 50 Minuten lang gehört…

…und ab und zu die kommentierenden Tweets der Journalisten in Kairo dazu angeschaut. Sie zählen die Standing Ovations, die er während seiner Rede bekommt. Manches habe ich auf meinem Twitter-Account (LINK) retweetet, weil das schneller geht.
Aber ein letztes setze ich jetzt als Bildschirmfoto in mein Blog. Ich liebe die Ägypter.

04.3.15   Ich reibe mir die Augen und kann nicht glauben, was ich sehe, als es draußen langsam hell wird.



Ich zwinge mich, positiv zu denken. Immerhin ist morgen Vollmond.
Tapfer wie ein Soldat beginne ich mit meinen Notizen für das Jahr 1971, merke aber, dass ich viele Erinnerungen mit dem Jahr 1972 durcheinanderbringe. Meine Filme laufen überall in Deutschland, und ich mache ja auch den Verleih, muss also 35mm-Kopien verschicken, Reklamematerial und später auch Rechnungen. Wie ich das hingekriegt habe, ist mir heute ein Rätsel. Es gibt eine Retrospektive in Kiel, eine in Dortmund und dann eine in München im Cinemonde und noch etwas später eine in Edinburgh. Jede Menge Reisen: nach Cannes, nach Locarno, ins Berner Oberland. Dort kaufen Karin und ich zwei süße Berner Sennenhund-Babies. Sie heißen Amor und Amanda. Immerhin habe ich präzise Erinnerungen in welchen Wohnungen und den beiden Bauernhöfen die beiden Hunde dabei waren. An die kann ich mich werkwürdigerweise besser erinnern als an meinen Sohn Max, der nach seiner Geburt am 2. April 1971 auch immer dabei war. Karin, meine Ehefrau in dieser Zeit, war meistens unterwegs. Wahrscheinlich war er von Geburt an ein einfach zu handhabendes Kind und mit mir, ohne seine Mutter, total zufrieden. Amor und Amanda haben ihn schließlich auch geliebt. Sie waren vermutlich für ihn große, lebendige Teddybären.
05.3.15  




Mein Rasentraktor wird abgeholt zur Frühjahrsinspektion. Die enthält Ölwechsel, Zündkerzenwechsel und schärfen der Messer zu einem Sonderpreis, der nur bis zum 7. März gilt. Ich hoffe, es wird ein schöner Sommer. Ohne einen Kälteeinbruch Anfang Mai wie im letzten Jahr.
Beim Radfahren heute Morgen versuche ich mein Gedächtnis konsequent auf das Jahr 1971 zu fokussieren, aber bei dem noch immer eisigen Gegenwind irren meine Gedanken ständig ab.
Die Blondine aus 1970, die inzwischen meine Frau war, aber auch Hauptdarstellerin und "Herstellungsleiterin" von "SUPERGIRL" hebt, kaum ist das WDR-Geld da, ihre dafür veranschlagten Gagen vom Produktionskonto ab. Ohne mich zu informieren. Da sie eine Kontovollmacht bei der Bank hatte, konnte sie das machen. Als ich das durch die Kontoauszüge gemerkt habe, hatten wir unseren ersten totalen Streit, der sich in Gelddingen noch drei weitere Jahre fortgesetzt hat. Das Fazit aus dieser Ehe mit Karin war: als wir heirateten hatte ich keine Schulden, drei Jahre später, 1974, um die 200.000 Mark plus Zinsen. Ich war finanziell ein toter Mann. Das hatte mir der Chef der Bayrischen Hypotheken und Wechselbank, der dieses Minus erst ermöglicht hat, vorausgesagt, falls ich die Schulden nicht bezahle.
Ich habe in dem Jahr Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um aus dieser Schuldenspirale rauszukommen. Nach der Geburt meines zweiten Sohns Maximilian hatten wir in unserer Wohnung drei Frauen: Kindermädchen, Putzfrau und eine Köchin, die alle monatlich bezahlt werden mussten. Und ich hatte noch immer diesen schwarzen Cadillac aus "SUPERGIRL", der um die 30 Liter Benzin pro Kilometer verbraucht hat. Damit sind wir dann auch mit Kind und Kindermädchen im Mai 1971 zum Cannes-Filmfestival gefahren. Karin hatte in der Nähe von Cannes ein Haus gemietet und von da aus sind wir dann zum Festival gefahren. Das Kindermädchen hat sich um um unser Kind, das da kaum 3 Monate alt war, gekümmert.
Irgendwann damals waren wir auch in Saint-Marie-de la Mer und da lief mir auf der Straße Uschi Obermaier entgegen. Ich habe sie danach nie wiedergesehen. Irgendwo, irgendwann landeten wir auch in einem südfranzösischen Bauernhnof, der in eine Disco umgebaut worden war. Karin tanzte mit einem Französischlehrer aus Paris und ich habe mich auf ein Mädchen, das mir gefiel eingelassen. Dann kam "Brown Sugar" von den Rolling Stones und ich bin mit meiner Partnerin dabei total ausgeflippt. Es war eine meiner schönsten Tanzerfahrungen.

06.3.15  


Ich muss allerlei Vorbereitungen für den Besuch von Serpil Turhan treffen und bin dadurch, wie sie in Berlin, hier auf dem Bauernhof etwas nervös. Diese beiden Filme gibt es nirgendwo zu kaufen oder zum Runterladen. Deshalb will Serpil die haben. Während ich Rad fahre, brennt mein Computer eine der beiden DVD's.





Noch mehr Frühling im Innenhof. Mit Veilchen und Primeln.
Mit den Autobiographie-Notizen komme ich sehr langsam weiter, denn in 1971 ist so viel passiert, dass ein normaler Mensch, dafür mindestens drei Jahre bräuchte. Das Minus auf meinem Bankkonto wuchs von Woche zu Woche immer mehr an. Ich verstehe nicht, warum der Bankdirektor das zugelassen hat. Ich weiß, dass er Karin verehrt und vielleicht sogar geliebt hat. Vielleicht hat sie sogar durch irgendeine körperliche Zuwendung ihn zur Duldung des Kontowachstums gebracht. Ich jedenfalls bin nur noch selten zur Bank gegangen, denn damals gab es ja Barschecks, mit denen ich überall bezahlen konnte. Ich habe meinen geringen Anteil am explodierenden Schuldenwachstum dazu beigetragen, indem ich immer mehr Aquarien und Fische gekauft habe. Gegen Ende waren es wohl 6 oder 7 Aquarien. Sogar ein Meerwasseraquarium war dabei, und in einem anderen waren Piranhas. Ich hatte ein ganzes Zimmer in der Wohnung. Nur für die Aquarien. Im Januar 1972 habe ich "FREMDE STADT" gedreht. Ohne Geld. Im Film kann man die Aquarien noch heute sehen.

Roger Fritz, ein Bankräuber, und Christian Friedel, der Untermieter in Karins Wohnung.
Damit der Bankraub auch realistisch wird, musste man das geraubte Geld selbstverständlich sehen. Mein/Unser Bankdirektor hat uns hunderttausend Mark in echten Geldscheinen zwei Tage lang für die Dreharbeiten ausgeliehen. Wie er das innerhalb seiner Bank dargestellt hat, ist mir im Rückblick ein Rätsel.

Was da auf dem Bett liegt sind tatsächlich echte Geldscheine.

07.3.15  
Hoch "Karin" bringt den Frühling (LINK), schreibt die FAZ.
Beim Fahrradfahren (heute 17 km) stechen mir diese Blümchen ins Auge. Davor ist mir ein dunkelbraunes Reh über den Weg gelaufen.



Ich koche Auflauf für Serpil und Tobias. Sie hat sich das gewünscht.

Serpil mit Tochter im roten Zimmer.

Serpil zeigt ihrer Tochter die Schneeglöckchen, die sie vor einem Jahr mit mir eingepflanzt hat.
Mein Auflauf ist zu Dreivierteln aufgegessen. Es hat ihr und Tobias also geschmeckt. Darüber bin ich froh.

08.3.15  

Mein Arbeitsplatz am Computer ist auch eine Wetterstation. Ich hatte für heute blauen Himmel erwartet und keinen Wind. An den Wellen des Dorfteichs sehe ich, dass noch immer ein starker Wind weht.

Ich fahre nach dem Frühstück Rad (in diesem Monat 101 Kilometer). Gerade als ich zurückkome, kommen meine neuen Gäste im Auto angefahren.







Alle fotografieren und filmen den Sonnenuntergang. Ein Foto von Joyas iPhone.


09.3.15   Serpil Turhan macht ihr letztes Interview für ihren Film mit mir. Für sie und für mich schließt sich damit ein Kreis.







Serpil beim Sonnenuntergangfilmen.
10.3.15  
Das Wetter ist heute noch schöner als am Sonntag. Deshalb fahre ich zum Körbaer See und sehe, dass das Häuschen, an dem meine ägyptische Freundin und ich immer Picknick mit Kaffee und Keksen gemacht haben, abgerissen worden ist.

Alle Krokusse, die ich um die Sternmagnolie gepflanzt habe, blühen jetzt.

Einer der Krokusse.



2 Primelsorten.

Serpil und ihre Tochter Evin. Kaum sind sie nach Berlin zurückgefahren, fängt es hier an zu regnen. Evin habe ich richtig lieb gewonnen.
11.3.15  

Bei einem Blitzbesuch in Berlin, um den Briefkasten zu leeren, muss ich leider feststellen, dass meine Wohnung eine Art Sauna geworden ist: 27 Grad hat es da. Offensichtlich ist die zentrale Thermostatsteuerung ausgefallen. Schön für die Nachbarn über mir. Die hatten vermutlich eine Art Fußbodenheizung. Warum gehen immer wieder Dinge kaputt? Ich schalte die Heizung einstweilen ab, bis ein Installateur das Problem gelöst hat.
Zurück auf dem Bauernhof muss ich mit dem Radfahren warten, bis der Regen aufgehört hat.

Schafmeeting. Erst als ich sie fotografiere, schauen sie sich nach mir um. Vorher haben sie miteinander gesprochen.

12.3.15   Der Himmel ist grau, grau, grau. Immerhin weht kein Wind. Das letzte Wochenende mit meinen Gästen, inklusive Cinemascope-Sonnenuntergang (LINK), war ein singuläres Ereignis. Sowas habe ich hier noch nie gesehen.

Die Schafe von gestern machen einen Mittagsschlaf.

Bei mir im Dorf hat der Osterhase schon ein paar Ostereier in die Birke gehängt. Ich liebe mein Dorf.

Nach dem Mittagessen bekomme ich ein schweres, dickes Paket von alleskino.de mit den Materialien von sieben (!) Filmen als DCP, HD-CAM SR, Digi-Beta und ProRes. Jetzt brauche ich Kinos und Fernsehsender, die damit etwas anfangen wollen. Es muss ja nicht unbedingt immer die ARD sein, obwohl ich die am liebsten habe.
Ganz nebenbei: gestern Abend habe ich mir die DVD von Sebastian Schippers "Victoria" angeschaut, weil dem Kritiker auf Spiegel-Online während der Berlinale vor Begeisterung fast die Luft weggeblieben ist. Ein ganzer Film in einer Einstellung. Das ist selbstverständlich eine kühne Idee. Aber durch dieses Verfahren wird es beim Sehen halt immer wieder sehr lang. Ich hätte mir Abkürzungsschnitte gewünscht. Denn die Geschichte, die erzählt wird, ist eigentlich toll. Zwar sehr erfunden und nicht immer glaubwürdig. Ich denke, wenn man sie in einem Remake nochmal erzählen würde, könnte daraus ein Kinokassenhit werden. Danach kam in der ARD "Am Ende des Sommers", der auch nicht ganz schlecht war, der aber die Wirkung von "Victoria" bei mir verstärkt hat. Der erste war "Kino", der zweite war "Fernsehen".
13.3.15  
Mistverteilung auf den Feldern. Bauer zu sein, ist kein leichter Beruf. Ich unternehme heute nichts außer Radfahren, denn es ist schon wieder ein Freitag, der Dreizehnte.

Die Sträucher am Radweg schlagen aus. Gestern habe ich das nicht bemerkt.
Zur Autobiographie: Für Max Zihlmann habe ich eine DVD von "FREMDE STADT" gebrannt. Er hat sich den Film zum ersten Mal seit seiner Premiere wieder angeschaut und schreibt mir: "gestern Abend habe ich mir mit Eva "Fremde Stadt" angeschaut, und wir waren beide angenehm überrascht. So gut und originell hatte ich den Film gar nicht in Erinnerung. Ich musste immer wieder lachen über meine eigenen Dialoge und hatte manchmal Mühe, den Verwirrungen des Drehbuchs zu folgen."
Er fragt mich, ob der Film wenigstens ein bisschen erfolgreich im Kino war. Ich schrieb zurück, dass es nicht so war.
Ich wollte den Film im Mai 1972 im Münchner Peterhof-Kino am Marienplatz zur Uraufführung bringen. Ich hatte mir ausgedacht, dass dort am Zentrum aller U-Bahn-Linien der beste Platz für täglich mindestens 1.000 Zuschauer sei. Meine damalige Frau Karin, die eine leidenschaftliche Astrologin war, hat auf mich eingeredet, dass dieser Termin total ungünstig sei, denn da gäbe es einen "rückläufigen Merkur". Ich solle den Starttermin um eine Woche verschieben. Ich hab's dann schließlich getan. Was ich dem Kinobesitzer gesagt habe, weiß ich nicht mehr. Er hat stattdessen einen alten O.W. Fischer-Film (vielleicht "Es muss nicht immer Kaviar sein") eingesetzt und denn musste er dann wegen des Erfolgs sechs Wochen lang immer wieder prolongieren. Danach war in München Sommer und auch eine wohlwollende Kritik in der "Süddeutschen Zeitung" mit dem Titel "Wie eine Würstchenbude in der Wüste" konnte am Zuschauerergebnis nichts mehr ändern. Ich hatte durch diese Katastrophe auf einen Schlag um die fünfzig, sechzig, siebzigtausend Mark höhere Schulden und habe die erste Gelegenheit benutzt, um aus meiner Ehe zu fliehen. Eine Frau sagte mir bei einer Party: Ich suche einen Mann. Ich sagte, ich brauche einen Platz zum Schlafen. Den Schlafplatz und noch viel mehr bekam ich. Abgewandelt kommt dieser Dialog in meinem Film "DAS GEHEIMNIS" vor.
14.3.15  
Seit einer Woche gehen mir die gelben Blümchen nicht aus dem Kopf. Heute bei Nieselregen habe ich es geschafft, ein paar davon auszugraben und unter meinen Walnussbaum einzupflanzen. Zwei Schneeglöckchenbüschel habe ich auch gleich mitgenommen. Inzwischen weiß ich auch, dass die durch Ameisen verbreitet werden.

Die gelben Blumen ein paar Stunden später. Die Transplantation ist gelungen. Auf Spiegel-Online habe ich heute morgen gelesen, dass sogar eine Penis-Transplantation gelungen ist. Mit voller Funktionsfähigkeit.

Unendliche Holunderpower. Unwillkürlich muss ich dabei an mich denken. Ob ich auch noch soviel Saft und Kraft habe wie dieser Baum. Heute bin ich 75 Jahre und 4 Monate alt geworden. Ich könnte ab jetzt jeden weiteren Monat feiern.
Zu den Autobiographie-Notizen: So langsam kriege ich auch das Jahr 1972 in den Griff. Ich bin mit der Frau, die mir auf der Party gesagt hat, dass sie einen Mann sucht, etwas später nach Italien gefahren. Aber zuerst nach Rom. Dort hat uns Jean-Marie Straub seinen neuesten Film "Geschichtsunterricht" im Mischstudio gezeigt und bei einem unglaublich guten Essen in einem nur Einheimischen bekannten Lokal von den drei Flüssen, die in Kalabrien ins Mittelmeer fließen, erzählt. Ich wollte daraufhin unbedingt dahin. Meiner neuen Freundin war das zuviel. Sie ist nach München zurückgeflogen, und ich bin alleine dahin gefahren. Ich habe im Auto am Strand geschlafen und habe irgendwann, verborgen im Gebüsch, eine Höhle entdeckt. Dort habe ich dann in der Augusthitze gesessen. Versorgt mit Wein, Weißbrot und Käse, und habe Musils "Mann ohne Eigenschaften" gelesen. Mehr brauchte ich nicht, um glücklich zu sein. In meinem letzten Film "INS BLAUE" erzählt Alice Dwyer diese Geschichte. Ich war bestimmt 14 Tage da am Strand. Einmal ist ein junges Mädchen in eine Glasscherbe getreten, und ich habe sie zum Ufer zu ihren Eltern gebracht. Naja, auch das kommt abgewandelt in "INS BLAUE" vor. Da spielt Vadim Glowna mich.Was er sowieso den ganzen Film über tut. Ich merke, meine Filme sind auch eine Art Autobiographie.
15.3.15   Dicke, graue Wolken über mir und ein eiskalter Ostwind heute. Spaß macht das Radfahren so nicht. Aber ich bin fest entschlossen, in diesem Monat einen Kilometerrekord aufzustellen.

Zu den Autobiographie-Notizen: Ich bin in den Jahren 1972/73 dreimal umgezogen und habe mich immer wieder polizeilich umgemeldet. In Erinnerung an das, was mir ein Offizier bei der Musterung geraten hat, damit ich nicht zum Militärdienst eingezogen werde: immer ganz schnell umziehen. Die Militärbürokratie braucht lange, um Ihre neue Adresse herauszufinden. Ich dachte, das gilt auch für Gerichtsvollzieher. Das hat ganz gut funktioniert.
Irgendwie nach meiner Kalabrienreise hat mich Karin jedenfalls wieder aufgefischt und hat mir einen zweiten Neuanfang unserer Ehe mit einem Bauernhof in der Nähe von Unterammergau vorgeschlagen. Meine Aquarien hatte sie während meiner Abwesenheit alle verkauft. Viel füher hatten wir zusammen bei einem Besuch im Berner Oberland zwei Berner Sennenhund-Babies gekauft: Amor und Amanda. Die wuchsen unglaublich schnell. Für die Hunde war das Landleben schön. Ich war meistens da allein. Es war Winter, und ich habe mir im Garten des Hauses, der steil abfiel, eine Sprungschanze gebaut und bin da 16 Meter weit, so wie in meiner Kindheit in Wallau, gesprungen. Wie ich meinen Sohn Max da ernährt habe, weiß ich nicht mehr. Die Hunde jedenfalls bekamen Kutteln von der Dorfmetzgerei. Wir hatten über Weihnachten Gäste, Freunde von Karin, die zum Skifahren dahin kamen. Ein Gast aus Kiel hat uns vorgeschlagen, mit seinem Filmclub in Kiel eine Thome-Retrospekive zu machen. Das hat Anfang Februar 73 perfekt geklappt. Die haben ein Plakat gedruckt und Flugblätter, und das Kino war voll. Ich bekam allein dadurch etwas über zweitausend Mark.
Im April hatte Karin eine Freundin aus Barcelona bei uns zu Besuch. Für ihre Rückreise mit einem Bus aus München musste ich sie ganz früh dahin fahren. Auf der Autobahn lag noch immer Schnee, aber ich musste schnell fahren, damit sie ihren Bus erreicht. Irgendwann hat sich mein Wagen auf der Autobahn gedreht. Es ist aber gut gegangen, weil um diese Zeit kein Verkehr war. Ich bin danach wieder zurückgefahren. Hatte einen Hauch von Freiheit (Barcelona) gefühlt, habe meine Rasier- und Zahnputzsachen und meine Scheibmaschine eingepackt und bin, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, nochmal nach Berlin gefahren. Siegfried Schober, der Filmredakteur der "Süddeutschen Zeitung" hat mir eine Schlafgelegenheit bei seiner Schwester verschafft, und ich habe ab da wieder Kritiken für die "Süddeutsche Zeitung" geschrieben. Meine erste Kritik war über "The Last Picture Show" von Bogdanovich. Die Überschrift war ein Zitat aus dem Film "Ist verheiratet sein immer so scheußlich?" Ich habe allen Leuten, eingeschärft, Karin nicht zu verraten, wo ich bin. Das hat einen ganzen Monat lang funktioniert.
16.3.15  


Aus diesem Gebüsch kamen beim Radfahren heute drei Rehe. Es ist zwar warm, aber es weht ein extrem böiger Ostwind.
Zu den Autobiographie-Notizen: Eine alte Freundin aus längst vergangenen Internatszeiten nennt sie "Autobiografie Vorschau" und es zerreisst sie fast vor Spannung auf die richtige Autobiographie. Naja, bis dahin muss sie sich noch ziemlich lange gedulden.
Wie mich Karin wieder zur zweiten Fortsetzung des Ehelebens gebracht hat, will mir einfach nicht mehr einfallen. Auch mein Terminkalender von 1973 hilft nicht weiter. Jedenfalls lief ihr Film "Über Nacht" Ende Juni im Forum der Berlinale und ich war da. Vielleicht hat sie mir den Flug bezahlt? Wir haben uns während des Festivals jedenfalls entschieden, für unsere dritte Ehephase nach Berlin zu zu ziehen und fanden auch ziemlich schnell eine tolle Wohnung in der Uhlandstraße, ganz nah beim Kuhdamm. Zum Besichtigungszeitpunkt waren da ca. 20-30 Mitinteressenten. Als die Maklerin kam und die Wohnungstüre aufschloss, bin ich rein wie alle anderen und ganz schnell durch alle Zimmer gelaufen. Dann habe ich der Maklerin gesagt, dass meine Frau und ich die Wohnung nehmen. Ganz so einfach war das Wohnungkriegen dann allerdings nicht. Freunde von Karin hatten uns vorgewarnt. In Berlin sei es zwar verboten, aber so üblich, dass man dem Wohnungsmakler eine Art Anerkennungsprämie bar und ohne Quittung bezahlen muss, damit es klappt. Das hat dann Karin, die in solchen Sachen sehr geschickt war, gemacht. Es waren so um die tausend Mark, die sie auch organisiert hat. Karin und Geld ist ein Kapitel für sich, dass ich nie verstanden habe.
Danach bin ich innerhalb einer Woche mit meinem geräumigen Ford Granada Kombi sechsmal zwischen dem Haus bei Unterammergau und Berlin hin- und hergefahren. Durch die DDR mit komplizierten Grenzkontrollen und Geschwindigkeisbegrenzung. Ohne richtige Pause. Musste erst alles einladen und dann in Berlin wieder ausladen: Kleider, Küchenkram, Bücher, Filmplakate (von 4 Filmen). Mir fällt ein, Amor & Amanda waren in Berlin nicht mehr dabei. Karin auch nicht. Weder beim Einladen, noch beim Ausladen in Berlin. Da ist eine Stelle in meiner Erinnerung, die irgendwie ausradiert ist. Wie ich die Kraft und Energie dafür aufgebracht habe, ist mir ein Rätsel. Ich war 34 Jahre alt und vermutlich damals ein Powerbündel. Vielleicht habe ich Captagon genommen, denn dieses Aufputschmittel kannte ich seit "DETEKTIVE". Einen Kaffee oder einen Espresso habe ich dabei jedenfalls nicht getrunken. Espresso gab es damals in Deutschland ohnhin nicht. Dazu musste man nach Italien fahren. In Berlin habe ich dann ein paar Monate weiter für die "Süddeutsche Zeitung" "Filmtipps" im Wechsel mit Frieda Grafe und Wolfgang Limmer geschrieben, denn die wurden mit hundert Mark gut bezahlt und etwas später habe ich angefangen, für das Arsenal-Kino zu arbeiten. Fünf Mark pro Stunde plus Kilometergeld für mein Auto. Denn da habe ich meistens Filmkopien transportiert und dabei relativ schnell die Stadt kennengelernt. Als Dankeschön hat das Arsenal dann Ende November eine Rudolf und Karin Thome-Retrospektive gemacht. Zum ersten Mal lief da ein Film von mir im "heiligen" Arsenalkino, das von Anfang an für eine Art Revolutionskino (einschließlich Experimentalfilmen) konzipiert war. Im Kinoraum hingen große Bilder von Eisentein- und Pudowkin-Filmen. Irgendwie hat in dieser Zeit auch Fassbinder von meinem Schicksal erfahren und mich über eine Arsenal-Mitarbeiterin kontaktiert. Er wollte für mich einen neuen Film produzieren. Das führte dann letzten Endes zu "MADE IN GERMANY UND USA". Aber da bin ich schon im Jahr 1974.

17.3.15  


Wäsche waschen und aufhängen.

Radfahren. Ich fahre zum ersten Mal in diesem Jahr ohne Mütze, Handschuhe und lange Unterhose, denn es hat schon 12 Grad. Ich mache einen Abstecher zu Fuß zum Wald.

Vom Waldrand aus geht es gut 10 Meter relativ steil nach unten. Es hätte mich nicht gewundert, wenn unten in der Senke ein kleiner See gewesen wäre.

Immer mehr violette Krokusse tauchen auf.
Zu den Autobiographie-Notizen: Ich mache das heute mal im Schnellgang. Fassbinder getroffen, der sagt ja, will neuen Film finanzieren, eine Woche später nein, aber ich war aufgewacht, habe in der "Morgenpost" Anzeige gefunden, Filmmaterial zu verkaufen, habe 12.000 Meter SW-Umkehrfilm gekauft, mit Michael Ballhaus als Kameramann eine Szene im Theater gedreht und einen Monat später mit Martin Schäfer den ganzen Film, zuerst in Berlin, dann in USA, in New York (ich war da zum ersten Mal) und dann in Florida. Karin hat sich in meinen Hauptdarsteller verliebt und so weiter. Ich habe daraufhin in Florida meinen Ehering ins Meer geschmissen. Aber da war "MADE IN GERMANY UND USA" abgedreht.

Karin und ihr Ehemann im Film Eberhard Klasse.
Karin am Strand von Pensacola Beach in Florida. Da liegt mein Ehering mit ihr. Hannelore Elsner hat das ins Meerwerfen eines Eherings in "FRAU FÄHRT, MANN SCHLÄFT" wiederholt. Eine meiner Lieblingsszenen in diesem Film.

18.3.15  


Das war der Sonnenuntergang gestern Abend. Serpil Turhan hätte sich sehr darüber gefreut.

Eine Decke aus Kamelhaaren aus Ägypten wird heute zum erstenmal seit eineinhalb Jahren gewaschen, denn heute soll die Sonne 11,9 Stunden scheinen. In diesem Winter haben sich darin nämlich auch die Hausmäuse gerne da rein gekuschelt.
Beim Radfahren heute weht wieder dieser scheußliche Ostwind. Sowohl gestern wie heute hat er mich gezwungen eine Weile das Rad zu schieben. Eigentlich ist der Niedere Fläming total flach, aber durch den Wind, der hier beinahe immer weht, ist es gefühlt eine Gebirgsstrecke.
Zu den Autobiographie-Notizen: Ich mache mal weiter im Schnellgang. Als wir vom Drehen in Amerika wieder zurück in Berlin waren, haben Anna Klasse, die Ehefrau des Hauptdarstellers, und ich uns erstmal ausgiebig gerächt.



Die Rache war süß. Das Rächen ist uns nicht schwer gefallen, denn wir waren uns schon vorher sympathisch.
Ende Mai war "MADE IN GERMANY UND USA" fertig. Bei alleskino.de kann man den Film sehen oder Downloaden (LINK). Er lief dann im Forum auf der Berlinale. Ulrich Gregor hatte vorher zu seinem Auswahlteam gesagt, dass sie den Film wohl oder übel zeigen müssen, weil ich für das Arsenal-Kino arbeite. Fassbinder saß im Kino und hat geweint. Ich habe auch geweint, denn als ich von der Arbeit für das Forum am Abend in meine Wohnung zurückkam, fand ich Karin in unserem Schlafzimmer mit dem Festivalchef des London Filmfestivals. Ich habe die Tür gleich wieder zugemacht, ein paar Dinge in eine Plastiktüte gepackt und bin zu meinem Freund Alexander Malkowsky gezogen. Von diesem Zeitpunkt an gabe keine Fortsetzung des Ehelebens mehr. Ich war weg und blieb weg. Ein für alle mal. Aber ein neues, großes Kapitel meines Lebens fing gleich danach an.

19.3.15  
Das war gestern Abend. Das Licht der untergehenden Sonne fällt in meine Scheune.

Ich schaue in die DVD von "PARADISO - SIEBEN TAGE MIT SIEBEN FRAUEN". Irgendwie hat der Kameramann Reinhold Vorschneider es geschafft, obwohl es am 11. August 1999 in ganz Deutschland keine Teleobjektive mit sehr langer Brennweite gab, die Sonnenfinsternis zu filmen. Und das Wetter hat mitgemacht. Eine Viertelstunde lang war die Sonne wolkenfrei.

Ein Standfoto aus dem Film. Morgen will ich die Verdunkelung meiner Welt filmen
Auf Autobiographie-Notizen verzichte ich heute mal. In meiner Erinnerung sind zu viele Löcher aufgetaucht.
Früher habe ich immer alle 14 Tage, den TIP und Zitty gekauft, um herauszufinden, ob ein Film von mir im Fernsehen läuft. Seit 3 oder 4 Jahren suche ich das auf prisma.de (LINK) und sehe da, dass "BERLIN CHAMISSOPLATZ" am 26. April um 4 Uhr morgens auf 3SAT ausgestrahlt wird. Das gefällt mir sehr und erfüllt mich mit der Zuversicht, auch die nächsten zehn Jahre von den Einkünften aus den Verwertungsgesellschaften VG Bild-Kunst und VG Wort leben zu können, ohne meine Kinder bitten zu müssen, mich finanziell zu unterstützen.
20.3.15  
Live auf Spiegel-Online.

Ich warte draußen im Garten darauf, dass es deutlich dunkler wird. Es wird nicht dunkler.


Hier also mein Sonnenfinsternisfilm auf Vimeo. Ich hatte immerhin ein bisschen mehr Reaktionen aus der Natur erwartet. Nur ein 200 Meter entfernter Hahn kräht immer wieder. Die Vögel singen weiter, als wäre die Sonne durch den Mond nicht verdunkelt. Immerhin beim Radfahren, nach der Sonnenfinsternis, wehte kein spürbarer Wind.
Zu den Autobiographie-Notizen: Ich habe also nach meinem Ehe-Ende Zuflucht bei meinem Freund Alexander Malkowsky gefunden. Dessen Wohnung war eine WG. Sie bestand aus vier Frauen und ab jetzt Alexander und mir. Mit den Regeln in einer WG kannte ich mich immerhin aus der Roten Sonne-Wohnung in München etwas aus. Auf keinen Fall die Klotür abschließen. Aber in Alexanders WG gab es eine weitere Regel, die ich noch nicht kannte: wenn eine/einer in der Nacht kuscheln will, darf man dazu nicht nein sagen. Es ist mir nicht schwer gefallen, an dieser Regel Gefallen zu finden.
Ein englischer Filmverleiher hatte "MADE IN GERMANY UND USA" im Forum gesehen und wollte die Rechte daran für England kaufen, aber er musste sehr früh zurückfliegen. Ich habe ihn zum Tempelhofer Flughafen gefahren, denn das war mein Job beim Arsenal und Forum. Er sagte mir, dass ich für die Vertragsdetails mit seiner Mitarbeiterin Cynthia Beatt sprechen solle, die noch länger in Berlin bleibe. Ich weiß nicht mehr genau, wie es kam. Ich habe sehr lange mit Cynthia bei einem Abendessen über die Vertragsdetails gesprochen. Vielleicht zu lange. Auf jeden Fall sind wir danach zusammen tanzen gegangen. Und weil alles so schön war, ist sie dann mit mir in die WG-Wohnungvon Alexander Malkowsky gefahren. Da ist sie dann drei Wochen geblieben, und wir haben zusammen die englischen Untertitel für den Film gemacht.
Als sie wieder in London war, haben wir täglich viele Expressbriefe hin und hergeschickt. Mit schönen Briefmarken, denn ich hatte ein Jahr vorher wieder angefangen, Briefmarken zu sammeln. Auf jeden Fall kam Cynthia im September wieder zu mir, und wir sind zusammen mit meinem uralten VW nach Kalabrien gefahren. Kurz bevor wir am frühen Morgen in Kalabrien ankamen, ging über dem Meer die Sonne auf. Das wollte ich beim Drehen von "BERLIN CHAMISSOPLATZ" im Film haben und habe meim Filmteam und meine beiden Schauspieler dazu gebracht einen Tag und eine Nacht dahin zu fahren, damit sie dasselbe erleben. Jedenfalls als wir da waren, habe ich die Stelle, an der der Sonnenaufgang so unglaublich schön war, nicht mehr wiedergefunden. Hanns Zischler hätte mich da am liebsten umgebracht. Martin Schäfer hat mich gerettet und hat mit mir eine Stelle gesucht, an der wir einen Sonnenaufgang über dem Meer drehen könnten. Alle anderen haben wir ins Hotel geschickt.
Cynthia und ich hatten 1974 ein Hotelzimmer und unser Zusammensein war wunderbar. Wahrscheinlich haben wir auch das Hotel gewechselt und sind in das Hotel am Strand aus "BERLIN CHAMISSOPLATZ" gezogen. Es war ein totales Märchen zwischen uns. Bis auf den Tag unserer Rückreise. Da hatten wir uns bis aufs Blut gestritten und sind dann die gesamte eintausendachthundert Kilometer-Strecke nach Berlin, ohne noch ein Wort miteinander zu wechseln zurückgefahren. Mal saß ich am Steuer, mal sie. Immerhin konnte sie genausogut Autofahren wie ich, denn ich konnte schlafen, wenn sie fuhr.
Vorab kann ich nur sagen, dass dieses Kapitel aus meinem Leben, noch immer irgendwie weitergeht, denn Cynthia hat mich mit meiner letzten Ehefrau und viele Jahre später mit meiner ägyptischen Freundin zusammengebracht. Sie hat gewollt oder nicht gewollt für mein Leben ohne sie Sorge getragen. Ich denke, ich muss mich wieder mit ihr versöhnen, denn seit dem Filmfestival auf den Azoren hasse ich sie. Aber er Unterschied zwischen Hass und Liebe ist nicht sehr groß und daher relativ leicht überwindbar. Und außerdem von meiner Seite immer auch ein Spiel.

21.3.15  




Die Morgensonne am Dorfteich über meinem Nachbarhaus. Um 7 Uhr.

Da bin ich dann mal gerade 95 Jahre alt geworden. Ich verdanke diese Erkenntnis Sandmonkey, Mahmud Salem (LINK) in Kairo.
Ich fahre mit dem roten Rad zum See, weil auch heute kein Wind weht. Auf dem Weg dahin entdecke ich diese rotlackierte Installation, steige ab und untersuche sie. Ich bin wie ein Tier, das alles Neue in seinem Revier beschnuppert.





Am See ein junger Mann, der hier sein Zelt aufgeschlagen hat und angelt. Wahrscheinlich ist beides verboten.
Mit dem Mann mit Hund, der mir sehr kompetent vorkommt, beginne ich ein längeres Gespräch über die geschwundene Wassertiefe des Körbaer Sees. Er weiß alles. Dass er von Mönchen im Mittelalter als künstliches Gewässer angelegt wurde, dass es noch zwei weitere Teiche zur Fischzucht gegeben hat und dass man jetzt für eine sinnlose Schleuse 80.000 Euro aus EU-Mitteln zum Fenster rausgeschmissen hat. Aber die Hauptursache sei, dass drei Quellen inzwischen versiegt seien.
Zu den Autobiographie-Notizen: Im Herbst 1974, nachdem wir uns wieder versöhnt hatten, haben Cynthia und ich lange hin- und herüberlegt, ob ich zu ihr nach London ziehe oder sie zu mir nach Berlin. Ich habe die Entscheidung ihr überlassen. Sie hat sich für Berlin entschieden, ich habe einen gebrauchten VW Variant gekauft, damit ich ihr Gepäck nach Deutschland transportieren konnte. In London musste ich erst mal lernen, auf der falschen Straßenseite zu fahren. Was weniger kompliziert war, als ich dachte. Von London aus sind wir nach Edinburgh gefahren, denn da lief "MADE IN GERMANY UND USA" und ich konnte dabei England ein bisschen kennenlernen. Die Fahrt und der Aufenthalt in Edinburgh verliefen friedlich. Weihnachten verbrachten wir im Haus ihrer Eltern in London. Ich habe beide geliebt, besonders ihren speziellen englischen Humor, und ich habe sie bewundert, dass sie es so lange miteinander ausgehalten haben. Nach Weihnachten in dieser wunderbaren Familie, sind wir auf dem Rückweg mit all ihren Sachen im VW Variant zuerst mal zum Experimental-Filmfestival nach Knokke gefahren. Der Film ihres ehemaligen Freundes, der da lief, gefiel mir ganz besonders. Ich habe darüber einen Bericht für den "Tagesspiegel" geschrieben, der später auch in der Nürnberger Zeitung nachgedruckt wurde. In Knokke jedenfalls hatten wir unseren nächsten tödlichen Krach. Ich habe überlegt, all ihre Sachen auszuladen und alleine nach Berlin zu fahren. Der Chef ihrer Verleihfirma hat mich daran gehindert und mir gesagt, dass sie ja noch so jung sei und mich um Verständnis für ihre Heftigkeit gebeten. Da ich Cynthia ja aus vollem Herzen liebte, ist mir das Verständnis-Aufbringen gelungen. In Berlin hatte ich Vorbereitungen für ihre Ankunft getroffen und bin von der WG-Wohnung in die Wohnung von Irene Schlebes, die Freundin von Jochen Brunow, nach Steglitz gezogen. Dort haben wir zusammen eine kleine Topfpflanze, eine Monstera, auf deutsch Fensterblatt, gekauft.
In meinem nächsten Film "TAGEBUCH" kann man sie noch sehen. Sie existiert auch heute, vierzig Jahre später, immer noch auf meinem Bauernhof.

22.3.15  


Monstera. Vierzig Jahre alt.

Links neben meinem Kopf auf dem Brett steht die Monstera. Screenshot aus "TAGEBUCH".

Beim Radfahren ist es heute eisig kalt. Aus dem Haufen da wird am Ostersamstag ein großes Osterfeuer.

Ich mache bei mir im Hof ein kleines Vor-Osterfeuer.
Zu den Autobiographie-Notizen: Im Februar 1975 sind Cynthia und ich mit der Kopie von "MADE IN GERMANY UND USA" im Koffer nach New York geflogen, um den Film Kritikern und Verleihern zu zeigen. Doch der amerikanische Zoll fand die Kopie und beschlagnahmte sie. Mit Hilfe des deutschen Generalkonsuls habe ich sie wieder frei gekriegt und wir konnten die geplante Vorführung machen. Es kamen nicht viele der eingeladenen Leute und die, die kamen, waren nicht übermäßig interessiert. Wir wohnten zwei Wochen bei einer Freundin von Cynthia, einer Malerin, in einem Loft. Das hat ihr und mir so gut gefallen, dass wir in Berlin an der Mauer entlang gefahren sind und nach leerstehenden Fabriketagen Ausschau gehalten haben. In der Dessauerstraße 7 fanden wir eine Fabrik, in der noch die 3 oberen Etagen frei waren. Wir haben uns für die oberste Etage entschieden, und ich habe im März und April 1975 dort "TAGEBUCH" gedreht. Cynthia und ich spielen da die Hauptrollen. Wir tragen zwar die Namen aus Goethes "Wahlverwandtschaften", aber im Grunde erzähle ich die Geschichte meines Lebens aus den letzten zwei Jahren. Und vor allem meine Liebesgeschichte mit Cynthia. Das ist mir heute beim Durchschauen nach Fotos aus der DVD klar geworden.
Ich nehme jetzt mal all meinen Mut zusammen und stelle ein paar Screenshots hier in mein Blog.

Morgens um 5 Uhr bin ich zu einer Stelle gefahren, wo man als Hilfsarbeiter auf Baustellen für einen Tag arbeiten konnte. Die Jacke, die ich da trage, habe ich nach meinem ersten Trip, von Klaus Lemke 1969 abgekauft.

Nach dem Ehe-Ende mit Karin habe ich wieder angefangen, Briefmarken zu sammeln.

Einige bekam ich von Cynthia, die in Fidji aufgewachsen ist. Klar war Fidji ab so sofort mein Hauptsammelgebiet. Ihr älterer Bruder hat mir dann seine Fidji-Sammlung geschenkt. Und später wurde ich auch Mitglied der "Royal Society of Fidji Philatelists". Ich merke, ich bin jeden Weg immer bis ans Ende gegangen.

Ich zeige Angelika Kettelhack, meiner Frau im Film, die Fabriketage.

Cynthia bekommt von mir ein Geschenk.

Wir lieben uns sehr.



Vor Aufregung über diese Szene bin ich vor Drehbeginn in eine Stechpalme gelaufen und habe die Hornhaut in meinem Auge verletzt.

Danach hat Cynthia mir in der Badewanne die Haare gewaschen. Eine Szene, die in vielen Filmen von mir immer wieder vorkommt.

23.3.15  
Gestern Abend.

Heute Morgen.
Zu den Autobiographie-Notizen: Eine Email von Max Zihlmann hat mich beim Ablauf der Jahre 1972 und 1973 völlig durcheinandergebracht. Vor allem meine diversen Ehe-Ausbrüche und Gründe für die jeweilige Rückkehr sind bei mir ein großes Durcheinander. Max hat ein Gedächtnis wie eine Computerfestplatte und bisher in allen strittigen Fragen Recht behalten. Als "TAGEBUCH" im Juni 1975 fertig war wurde er am 3. Juli im Forum der Berlinale gezeigt. Manfred Salzgeber, ein Auswahlmitglied im Forum, hat er sogar so sehr gefallen, dass er ihn unmittelbar im Anschluss an die Berlinale sechs (!) Wochen lang im Bali-Kino, das ihm gehörte, gezeigt hat. Cynthia Beatt, meiner Lebenspartnerin und Hauptdarstellerin, hat "TAGEBUCH" überhaupt nicht gefallen. Außerdem hat Salzgeber im Bali eine Thome-Nacht gemacht, wo Cynthia Gelegenheit hatte, alle meine Filme zu sehen. "SUPERGIRL" fand sie schrecklich.
Ich habe danach sofort angefangen, einen Südseefilm vorzubereiten. Ich hatte Cynthia das versprochen, denn sie hatte mir immer wieder von Fiji, wo sie aufgewachsen ist, erzählt und vom Sammeln der Fiji-Briefmarken zum Drehen eines Films dort schien damals für mich ein kurzer Weg zu sein. Es war ein sehr langer Weg.
Im November lief "MADE IN GERMANY UND USA" auf dem ersten Calcutta Filmfestival und ich war dazu eingeladen und bin auch hingefahren. Indien mit all den Frauen in ihren bunten Saris war für mich wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Ich habe mich ruckzuck in das Land verliebt, meinen Aufenthalt um drei Wochen verlängert und habe meinen Film nach Kalkutta inden Goetheinstituten in Madras, Haiderabad, Poona und Bombay gezeigt. Den geplanten Südseefilm hatte ich da vergessen. Ich hatte mir vom Kopierwerk in Kalkutta schon die Preisliste geben lassen und in der englischsprachigen Zeitung die Wohnungsanzeigen studiert. Die Leute in der indischen Filmschule in Poona liebten meinen Film und sagten, dass ich von ihnen die technischen Geräte bekommen könnte.
Daheim in der Fabriketage in Berlin verblasste dann Indien sehr schnell wieder, und der Südseefilm war wieder da. Weihnachten war ich mit Cynthia in London und ihr jüngerer Bruder Brian, der zwei Jahre auf Epi, einer Insel der Neuen Hebriden (heute Vanuatu) als Manager einer Plantage gearbeitet hat, sagte mir, dass dort noch die ursprüngliche Südsee zu finden sei. Also habe ich mir eine Karte der Neuen Hebriden gekauft und mich auf Grund der Karte für Ureparapara entschieden.

Hier eine Karte der Inseln im Norden der Neuen Hebriden. Zur großen Insel im Süden sind wir immer mit einem kleinen Boot gefahren, um unser Filmnegativ nach Australien zu schicken und die Muster in Empfang zu nehmen.

Ich lebe mit den Autobiographie-Notizen wie in einem Spinnennetz. Ich hoffe, ich bin stark genug, um mich irgendwann wieder daraus zu befreien.
24.3.15  
Bei mir im Dorf wird es immer österlicher.

Ich treffe Vorbereitungen für meine Ostergäste.
Zu den Autobiographie-Notizen: Ich rase nach dem Radfahren durch meine Terminkalender von 1976, 1977 und 1978 und mir wird dabei ganz schwindelig. An manches erinnere ich mich haargenau, aber viele Ereignisse sind in meiner Erinnerung zusammengeschmolzen. Für diese 3 Jahre Jahre brauche ich vermutlich gut 2 Wochen, denn da habe ich versucht, das Geld für "BESCHREIBUNG EINER INSEL" zu bekommen, habe mich als ich es hatte, von Cynthia Beatt getrennt und dann, trotz Trennung mit ihr ein Filmteam zusammengestellt, bin mit ihr vor dem Drehen nach Ureparapara gereist, um dort alles vorab zu klären. Allein diese erste Reise hat mehrere Wochen gedauert und war voller Hindernisse. Das Drehen selbst war in meiner Erinnerung nicht mehr ganz so kompliziert, aber in der Wirklichkeit meiner Terminkalendereintragungen eher ein Albtraum.
Am 10. Mai 1977 erfahre ich, dass ich für mein Projektbuch zum Film 250.000 DM vom BMI bekommen habe. Im Jahr davor wurde es abgelehnt. Die Zeitschrift "Filmkritik" hat es damals komplett abgedruckt.

Für die Titelseite der "Filmkritik" habe ich tausend Mark bezahlt. Ich habe das Heft nicht mehr, habe es aber in den abgehefteten Unterlagen meines Steuerbüros wiedergefunden.

Am 20. Mai 1977 habe ich dann die Produktionsfirma "Moana-Film GmbH" gegründet, die bis heute existiert, habe sofort große und kleine Stempel herstellen lassen. Der Eintrag "Paarbeziehungen" bezieht sich auf ein Seminar an der FU, denn da hatte ich im Jahr davor wieder angefangen zu studieren: Ethnologie und Soziologie. "Petra" war eine Kommilitonin von mir.
25.3.15  
Heute gehe ich mit dem Fahrrad auf Entdeckungsreise. Ich suche einen kleinen See in der Nähe von Ihlow. Dabei begegnen mir mindestens zwanzig Rehe, die hin- und her rennen.

Dann endlich finde ich ihn. Ich war da früher mit meinen Kindern, hatte aber mittlerweile den Weg vergessen.

Rohrkolben.

Ich finde eine Badestelle, die es damals vor zwanzig Jahren noch nicht gab. Das Wasser ist glasklar, denn durch den See fließt ein Bach und der See soll in der Mitte, erzählt mir ein Bauer, zwei Meter tief sein.



Die Hütte und den gemauerten Ofen gab es schon damals.
Heute keine Autobiographie-Notizen. Stattdessen Gartenarbeiten.

Am Gartenteich: eine erste Osterglocke beginnt ihre Blüten zu öffnen.

Ein schattiges Plätzchen für heiße Sommertage.
26.3.15   Um 7 Uhr öffne ich noch im Bademantel das Hoftor, denn heute morgen soll bei mir Jauche abgefahren werden.

Dann skype ich mit meiner ägyptischen Freundin. Sie hat seit ein paar Tagen Schmerzen in der Hüfte und den Beinen und sieht heute mitleiderregend aus. Ich tippe auf Ischias und rufe sofort meine frühere Frau Anna, die Feldenkraislehrerin ist, und von solchen Dingen mehr versteht als so mancher Arzt an. Die Kommunikation per Skype plus Telefon ist zunächst etwas schwierig, bis ich lerne, wie ich mein Telefon auf Lauthören stellen kann. Das ist dann total lustig.
Ein paar Stunden später ist der Fahrer, der die Jauchegrube leeren soll, immer noch nicht da. Aber dafür kommt mein Rasentraktor wieder zurück. Leider hat der Fahrer, der ihn hergebracht hat, vergessen, den Schlüssel stecken zu lassen.
Ich kann nichts zum Essen einkaufen, weil für das Jaucheabfahren das Hoftor offen bleiben muss. Also esse ich zum dritten Mal hintereinander Katoffelpüree (immerhin selbstgemacht - Marquard Bohm hat das in der Roten Sonne-Wohnung immer wieder gemacht), und von meinem Sohn Nicolai an meinem 75. Geburtstag gekochtes Rotkraut (das war seitdem tiefgefroren) und eine letzte Fertigfrikadelle aus dem Supermarkt.

Kartoffelpüree und Rotkraut schmecken zusammen hervorragend.

Nach 10 Stunden Warten kommt endlich der Fahrer zur Jauchegruben-Entleerung. Ein junger Aushilfsfahrer, der noch nie bei mir war und sich nicht bei mir auskennt. In den Haupttank passen 13.000 Liter. Er kommt mit einem 10.000 Liter Anhänger, fährt aber nicht damit in den Hof, sondern lässt den Anhänger draußen stehen, pumpt da einen Teil der Jauche rein und fährt anschließend wieder in den Hof. Danach fährt er nach Dahme, pumpt den Wagen leer und kommt dann wieder. Danach erst wird er den Anhänger wieder mitnehmen. Sehr kreativ. Das alles, damit ich jetzt nicht so lange warten muss. Das Auspumpen der Jauchegrube muss dreimal im Jahr gemacht werden. Ich frage mich, wie meine Kinder das alles machen wollen, wenn ich einmal gestorben bin. Aber das ist dann nicht mehr mein Problem. Nur aus dem Himmel könnte ich mir vielleicht dazu noch Sorgen machen.

Selbstverständlich bekomme ich mit, was mit dem German Wings-Flug passiert ist und auch den Ausbruch eines neuen Kriegs im Yemen. Ich hoffe meine Blogleser vermissen dazu keinen Kommentar von mir. In meinem Leben war heute das Jaucheabfahren wichtiger. Auch meine Autobiographie-Notizen mussten heute ausfallen. Vielleicht wird morgen mein Leben auf dem Bauernhof wieder normal.
27.3.15  


Heute mache ich mit dem Fahrrad einen zusätzlichen Abstecher in den Wald.

Überall singen Vögel. Wenn ich sie wegen des Tons filme, kommt fast immer ein Flugzeug und stört den Frieden.

Beim Heimfahren habe ich ganz stark das Gefühl, ich lebe im Paradies.
Zu den Autobiographie-Notizen: Die vier Monate vor dem Abflug in die Südsee waren hektisch. Im Januar 1978 war ich in Paris, um Juliet Berto zu treffen. Wir waren uns beide sehr sympathisch, aber sie wollte da nicht alleine hinfahren, sondern mit ihrem Freund als Kameramann. Das wollte ich nicht. Außerdem hatte ich Sebastian Schröder schon zugesagt. Ich wollte Marquard Bohm dabei haben, aber Cynthia und ich waren uns einig - nach einer Retrospektive meiner Filme in Verona 1976, wo er dabei war, dass mit ihm in die Südsee zu fahren, für uns und den Film in einer Katastrophe geendet hätte. Er hätte vermutlich mit allen schönen Mädchen da geschlafen und man hätte uns nach Hause geschickt oder erschossen. Mein nächster Kandidat war Hanns Zischler. Cynthia und ich haben uns mit ihm in der Fabrik getroffen und er hat ja gesagt und sogar einen Vertrag unterschrieben. Ewas später hat er sich mit Cynthia nochmal alleine getroffen und mir ein paar Tage später am Telefon gesagt, dass er nicht mitfährt. Was dazwischen passiert ist, weiß ich nicht. Cynthia schweigt. Hanns Zischler auch.
Ich lebte seit September 1977 in einer Einzimmerwohnung in der Friesenstraße 18 mit Außenklo (Miete 86,61 DM), aber das Büro von Moana-Film war noch immer die Dessauer Str. 7 und Moana hat auch die Miete dort bezahlt. Ich war sehr unglücklich über die Trennung von Cynthia, war oft auf dem großen Friedhof in der Nähe. Eine amerikanische Filmregisseurin, die ich im Arsenal (oder durch Cynthia) kennengelernt hatte, hat mir geholfen, mich daraus zu befreien. Sie war eine DAAD-Stipendiantin und wohnte nur 500 Meter entfernt von mir. Wir hatten schöne Nächte und sie wollte meine Haare blond färben. Ich habe ihr gesagt, Haare färben ist ok, aber nicht blond, sondern schwarz. Weil ich schon immer mit der Farbe meiner Haare nicht glücklich war. Sie hat's in ihrer Badewanne gemacht, und auf Ureparapara bekamen meine dunklen Haare durch die Sonne einen rötlichen Schimmer.

28.3.15  


Die Natur um mich herum macht Ernst mit dem Frühling. Vor alllem der Gesang der Vögel ist jetzt überall zu hören. Im Winter ist der weg. Nur Krähen sind da zu hören. Das fällt mir erst jetzt durch das viele Radfahren auf. In diesem Monat habe ich meinen Rekord vom Juli 2013 mit insgesamt 366 Kiometern überboten.
Zu den Autobiographie-Notizen: Ich habe keine Lust heute weiter von den Vorgeschichten zu "BESCHREIBUNG EINER INSEL" zu schreiben, sondern gehe jetzt da direkt rein. Auch weil ich Lust dazu habe. Erstmal, wir waren nicht 6 Monate auf Ureparapara, sondern genau 139 Tage. So steht's in meinem Terminkalender. Und an 36 Tagen hat es ununterbrochen geregnet. Nach einer Woche auf Ureparapara, wollten die meisten wieder weg, denn so hatten sie sich die "Südsee" nicht vorgestellt. Damit das keiner tun kann, waren die Pässe von allen bei mir in einem Metallkoffer mit Zahlenschloss sicher verwahrt. Denn es kamen schon manchmal Schiffe und auch Yachten. Bloß ohne Paß nimmt ein da keiner mit
Ich habe vom digitalisierten 16mm-Film angefangen, Screenshots zu machen, und ich merke, es bricht mir dabei fast mein Herz. Das hat Cynthia Beatt auf den Azoren zu mir gesagt, weil sie bei der Vorführung nicht dabei war, und ich habe ihr das total übel genommen.

Diese Szene, in der Cynthia unser Vorhaben erklärt, ist eine reine Spielszene. So war es, als wir ein halbes Jahr vor Drehbeginn zu zweit dort ankamen. Das Dorf hat für den Film gerne mitgemacht.

Jetzt in der Wiederholung sind natürlich unsere "Schauspieler" dabei…

…und es gibt Nahaufnahmen. Rechts Jonathan, der Custom Chief (mit magischen Kräften). Links der vom Dorf gewählte Chief. Also eine Art Bürgermeister.

Kaum waren wir da, haben wir im Dschungel für uns einen "Garten" gemacht. Wir hatten allerlei Samen mitgebracht: Salat, Möhren, aber auch Marihuana. Ob Marhiuana in Ordnung ist, haben wir mehrere Tage diskutiert, es aber trotzdem gesät. Nichts davon ist auf dieser extrem fruchtbaren Erde angegangen.

Im Vertrag mit dem Dorf, musste für uns ein Film- Haus gebaut werden, wo dann die "Schauspieler" im Film untergebracht werden. Hier werden die Blätter für das Dach des neuen Hauses gebracht. Das Team (Regie, Kamera, Ton und Brian Beatt) blieb in einem anderen Haus

Das gesamte Dorf arbeitet gemeinsam für unser Haus. Das Dach aus Palmblättern habe die Frauen mit ihren Kindern gemacht. Den Hausbau nur die Männer.

29.3.15  
Ich bin in meiner Wohnung in Berlin. Da ich vor zweieinhalb Wochen die Gasheizung ganz abgeschaltet habe, dauert es ein paar Stunden, bis es wieder warm wird. Morgen um 7 Uhr kommt der Gasinstallateur.
Zu den Autobiographie-Notizen: Ich mache weiter mit den Screenshots aus "BESCHREIBUNG EINER INSEL". Mir wird beim langsamen Anschschauen mehr und mehr klar, was für ein absolut merkwürdiger Film das geworden ist. Es ist eine dokumentarische Beschreibung des Lebens dort und gleichzeitig auch eine Art Making-of mit den Teammitgliedern, die das, was sie machen wollten, nur annähernd machen konnten. Es wäre vielleicht noch verrückter, aber auch klarer geworden, wenn auch ich in den Film integiert worden wäre. Ich habe meinen Eintritt im Film gedreht, aber Cynthia wollte um keinen Preis, dass diese Aufnahmen in den Film kommen.

Die Schauspieler ziehen in ihr neues Haus.

Cynthia Beatt sortiert die Muscheln, die sie inzwischen gesammelt hat.

Edda Köchl hängt hinter ihrem Bett Bilder von Flugzeugen auf. Edda bekam von Rudolf Augstein jede Woche den neuen "Spiegel" per Luftpost geschickt. Alle haben Berge von Briefen geschrieben. Ich weiß das, denn ich, als Briefmarkensammler, habe sie frankiert. Jetzt gerade habe ich mit Edda eine halbe Stunde telefoniert. In "DAS ROTE ZIMMER" hat sie bei mir noch eine Antiquitätenhändlerin gespielt.
30.3.15  
Edda gesteht Susanne, dass sie vielleicht Ureparapara verlassen wird, wenn ihre Wunden nicht bald heilen. Susanne macht sich eine Zigarette aus "stick tobacco".
Im Film beschreibe ich detailliert in 13 Einstellungen, wie Laplap gemacht wird. Jonathan, der Custom Chief hat uns dafür seine Familie für die Dreharbeit zum Drehen gegeben. Seine Frau und sein Sohn Alfred machen das in ihrem Küchenhaus für den Film. Mein Kameramann, Sebastian Schröder hat dabei immer wieder gefragt, was sie als Nächstes tun. Das konnten sie nicht beschreiben, sie konnten es nur machen. Jede Familie im Dorf macht übriges Laplap auf ihre eigene Art. Es sind im Prinzip riesige im Steinofen gebackene Kartoffelpuffer, nur da es dort keine Kartoffeln gibt, sondernTaro, Yams, Süßkartoffeln und "Wild Yams".

Taro und Yams werden geschält und gerieben. Wenn ich mit Kochen dran war habe ich oft Reibekuchen gemacht und mir an einem mit Nägeln durchlöcherten Metallbrett die Finger wundgerieben.

Alfred kommt mit einem "leaf laplap". Das sieht zwar aus wie ein Bananenblatt, ist aber keins.

Seine Mutter zündet das Feuer im Steinofen an. Eine fast heilige Handlung.



Die Blätter werden über dem Feuer weich gemacht…

…und dann auf dem Hausdach getrocknet.

Der Laplap-Brei wird eingepackt…

…und auf den Steinofen gelegt.

Das Innere von Kokosnüssen wird mit Messern herausgeholt…

…und von Alfred wird der Saft herausgepresst.

Das Laplap ist fertig. Ich denke mal nach einer Stunde. Sie haben das im Gefühl und gucken nicht auf die Uhr, die sie ohnehin nicht haben.

Jetzt wird das Laplap, wie bei einer Pizza in kleine Teile zerschnitten.

Als erste kommen Nicholson und Edda. Sie ruft laut "Laplap is ready!"

Dann sind alle da.
Was ist das? Dokumentarfilm oder Spielfilm?
31.3.15   Nach meinem Ausflug in die Südsee gestern schaue ich aus dem Fenster heute morgen und sehe fassungslos, dass es draußen tatsächlich in Berlin schneit.



Mit diesem Flieger kommt meine ägyptische Freundin.

Jetzt ist sie da, obwohl der Flieger vor der Landung im Sturm stark hin und hergeschwankt hat. Sie hat ein Mikrofon mitgebracht, das ich sofort testen will.
   

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