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16 | Juli |
01.07.2016 | Ich beginne meinen ersten Julitag hinter diesem Spinnennetz, das täglich größer wird. Hier wurde gestern damit angefangen, ein Roggenfeld zu mähen. Für mich das das schon jetzt Herbstbeginn. Mein Lieblingsplatz im Garten. Der kleine weiße Fleck an meinen grauen Haaren ist ein verbeifliegender Schmetterling. Ich verfalle in tiefes Nachdenken darüber, wie ich die Arbeit in meinem Garten in Zukunft hinkriegen soll. Vieles kann ich machen, aber nicht alles, denn um mich herum wächst, in diesem Jahr zumindest, alles wie verrückt. Bäume und Büsche, die vor ein paar Jahren noch die richtige Größe hatten, überwuchern alles drumherum. Ein totaler Dschungelgarten wäre eine Möglichkeit für die Zukunft, wo sich meine Erben - falls ich einmal sterben sollte - nur noch mit dem Buschmesser wie auf Ureparapara einen Weg bahnen können. Die vier oder fünf Calla, die ich gepflanzt habe, werden immer schöner. Trotz Unkraut. Der junge Walnussbaum signalisiert mir schon jetzt, in diesem Jahr gibt es viele neue Walnüsse, die wenn sie runterfallen täglich aufgelesen werden müssen und zum Trocknen in der Wohnung auf Zeitungspapier ausgelegt werden müssen. Vor gut zehn Jahren habe ich vor der Buxhecke ca. 40 Heckenrosen gepflanzt. Das ist die letzte, die übrig geblieben ist. Sie dankt es mir in diesem Jahr mit vielen Büten. Joya mailt mir am Abend, dass sie für ihren Film die 5.000 Euro-Grenze überschritten hat (LINK). Erst jetzt werde ich langsam sicher, dass sie ihren ersten Spielfilm tatsächlich drehen wird. Das macht mich 100 Prozent glücklich. Ulli Lommel hat mir bei "DETEKTIVE" gesagt, er glaubt imme nur daran, dass ein Film gedreht wird, wenn vor ihm die Kamera steht. Meine ägyptische Freundin sagt mir gerade, weil ihr Internet, dank Vodafone nicht geht, dass sie schon morgen zu mir kommen wird. Vorher hatten wir vielleicht über Sonntag oder Montag gesprochen. Ich freue mich sehr.. Das deutsche Fußballspiel am Samstag muss ich vermutlich trotzdem alleine anschauen und werde dabei meinen Freund Karlheinz Oplustil vermissen.Vor allem, wenn es für Deutschland gut geht. Gerade habe ich nochmal als Abendsport jede Menge wildwachsender Zweige abgeschnitten. Tagsüber schaffe ich das nicht, weil das nicht in mein tägliches Alleinleben-Programm reinpasst, dazu müssrn andere Leute hier sein. Heute mache ich das in Erwartung meiner ägyptischen Freundin. Vielleicht können wir, wenn sie da ist, sogar grillen |
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02.07.2016 | Gestern habe ich einer Nachbarin im Dorf von meinen Hasenabenteuern erzählt. Sie sagt, ich soll mit ihm reden und auch eine Möhre mitbringen. Die Möhre habe ich vergessen, aber geredet habe ich mit ihm, als er wie gewohnt auftauchte. Ich hab ihm gesagt, du musst vor mir keine Angst haben. Ich will nur ein schönes Foto von dir machen. Und was geschieht. Er lässt sich tatsächlich darauf ein. Um 14 Uhr will ich meine ägyptische Freundin vom Bahnhof abholen und stelle fest, dass in Niendorf der Strom ausgefallen ist. Es gießt in Strömen. Nachdem ich dieses Foto von den Nilgänsen gemacht habe und das Tor zur Garage öffnen will, wird mir klar, dass das ohne Strom nicht geht. Als das Garagentor vor 6 oder 7 Jahren eingebaut wurde, hat man mir erklärt, dass es eine Möglichkeit gibt, es per Hand zu öffnen. Bloß wie das geht, hatte ich schon längst vergessen. Ich habe eine Weile nachgedacht, wie das gehen könnte. Es gab oben an der Decke ein kurzes Seil mit einem roten Knopf. Ich hole mir eine Leiter, ziehe dann daran und dann ließ sich das Tor spielend leicht nach oben schieben. Ein bisschen stolz bin ich dann herausgefahren und konnte meine ägyptische Freundin am Zug abholen. Im Gepäck hatte sie das DCP von "ROTE SONNE" aus Wien. Das Juni-Programmheft des Metro-Kinos. Darin steht: "Disko-Lichter. Mini-Röcke im Sonnenlicht. Zart gestreichelte Pistolenläufe. Was für ein Traum, dieses Teenagerzimmer-Plakat von einem Film." Meine Tochter Joya ist heute überglücklich. Auf ihrer Filmwebseite schreibt sie in der Rubrik News: "Wir freuen uns sehr, dass Felix von Boehm mit LUPA FILM als Ko-Produzent bei der KÖNIGIN VON NIENDORF einsteigt! Mit dieser Beteiligung und eurer Unterstützung sind wir nun bei unglaublichen 11.530 € von angestrebten 15.000 € und starten morgen voller Optimismus und Dankbarkeit für euren bisherigen Support in die letzte Woche der Finanzierungsphase!" |
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03.07.2016 | Nach dem nervenaufreibenden Fussballspiel gestern Nacht bin ich heute früh mit zwei Möhren unterwegs und deponiere sie da, wo gestern unser Fotoshooting stattgefunden hat. Ich fahre mit meiner ägyptischen Freundin zum See. Es weht ein starker Wind. Daher verzichtet sie auf das Schwimmen. Es bleibt beim Kaffeeklatsch. In die beiden Zuber aus Zink kommt keine einzige Nacktschnecke. Daher werden die Dahlien in diesem Jahr blühen, bis ich definitiv 77 Jahre alt geworden bin und der erste Frost kommt. Im letzten Jahr war ich da in Kyoto, und die japanischen Gärten haben mich verzaubert. Diese Blume hat mir eine Freundin mitgebracht. Ihren Namen habe ich vergessen. Jetzt sind alle Phloxblüten aufgegangen. Nach dem Mittagessen schneidet mir meine ägyptische Freundin die Haare, denn am Dienstag erwartet sie französischen Besuch aus ihrer Teenagerzeit. Vielleicht sollte ich besser hoffen, dass Frankreich heute Nacht gegen Island gewinnt. |
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04.07.2016 | Bei 9 Grad fahre ich um halb sieben wie gestern Fahrrad. Der Hase hat meine beiden Möhren nicht angerührt. Da ich eine weitere Möhre dabei hatte, habe ich die dazu gelegt. Mit meiner ägyptischen Freundin am See. Heute schwimmt sie wieder. Während sie schwimmt putze ich mein Fahrrad. Vor der Abfahrt zum See fällt bei mir Internet und Telefon aus, weil ich hier einen Glasfaseranschluss habe. Das macht mich, auch weil morgen Gäste kommen und am Mittwoch Joya und Leute aus ihrem Team, ziemlich unruhig. Meine ägyptische Freundin spürt das und sagt, sie will heute besonders nett zu mir sein. Als wir zurückkomen, funktionieren Telefon und Unternet wieder, und aus einer email von Joya erfahre ich, dass sie erst am Donnerstag kommen wird. Ich kann also ganz entspannt alles Wichtige und weniger Wichtige online lesen. Dieser Text zum Brexit (LINK) aus USA gefällt mir sehr. Während ich mich im Netz umschaue, sind meine Füße in einer Wanne mit heißem Wasser. Denn meine Fußnägel werden von Jahr zu Jahr härter, und ich muß sie zum Schneiden erstmal weich machen. Auch das gehört zu den Unanehmlichkeiten des Altwerdens, liebe gleichalterige Blogleser. |
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05.07.2016 | So sah es heute morgen um halb sieben beim Radfahren aus. Und siehe da, heute beschert mich mein Hase auch wieder mit seiner Gunst. Relativ weit entfernt von mir läuft er ein paar Meter auf dem Radweg, verharrt einen Moment und guckt, was ich mache. Dann wechselt er rüber auf den Feldweg läuft da noch eine längere Strecke und verschwindet in ein Weizenfeld. Die Möhren von gestern und vorgestern sind noch immer unberührt. Unsere französisch-iranischen Gäste beim Mittagessen. Eine Stunde später ein Gewitter und es gießt in Strömen. Gut für mich, denn ich muss meine Blumen nicht gießen. |
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06.07.2016 | Bei diesem Wetter, mal Sonne mal Regen ist mein Hauseingang bald zugewachsen. Vielleicht lebe ich in einem Märchen. Mehr und mehr Dahlien. Unsere beiden Gäste haben reichlich Süß-und Sauerkirschen am Radweg gepflückt. Javid, der junge Mann aus Iran, streut Salz aud die Sauerkirschen, damit sie weniger sauer sind und später macht er daraus einen Tee, der allerdings sehr herb schmeckt. Marc, der ältere von beiden ist mehr an den Süßkirschen interessiert. Marc und Javid nehmen Abschied vom Dorfteich. Kurz bevor der Zug am Bahnhof in Luckau-Uckro ankommt. Morgen Mittag muss ich wieder hinfahren, um Joya und Philipp abzuholen. Auf der Filmwebsite von "Königin von Niendorf" sehe ich, dass sie inzwischen 13.800 Euro eingesammelt hat, weil auch die Stadt Dahme sich an der Finanzierung beteiligt. |
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07.07.2016 | Bei meinem Radausflug am frühen Morgen begegnet mir gleich am Dorfende ein Hase und verschwindet in einem Kartoffelacker.. Etwas später taucht aus einem Maisfeld ein zweiter Hase auf und zu guter letzt dann endlich "mein" Hase, der wie schon immer aus einem Rapsfeld kommt, auf den Feldweg wechselt und eine Weile mit mir um die Wette läuft. Haben die sich abgesprochen, mir heute einen Guten Morgen zu wünschen? |
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08.07.2016 | Beim Fußballspiel Deutschland-Frankreich gestern Abend im Oleanderzimmer. |
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08.07.2016 | Heute Morgen mache ich mit bei der Motivsuche. Ein seltsames Gefühl. Ich führe das Filmteam zu einem einsamen, verwunschenen See hinter Ihlow, den ich im letzten Jahr wieder entdeckt hatte. Alle sind begeistert von diesem Motiv. Joya sagt, der ist wie gemacht für meinen Film. Auch ein Floß, das Joya braucht, ist schon da. Vorher bin ich mit meiner ägyptischen Freundin zum Körbaer See gefahren. Sie schwimmtt. ich lese weiter den Roman von John Irving, der mir täglich besser gefällt. Auf dem Rückweg vom See läuft vor mir ein Reh über den Radweg. Tiere, denen ich begegne, sind für mich immer ein gutes Zeichen. Nach der Tagessschau, die ich alleine anschaue, schauen die Filmleute zum Abendessen noch mal vorbei. Danach müssen sie Henning, der das Szenenbild macht, zum Zug nach Luckau-Uckro bringen. Philipp fragt Joya, hast du die EC-Karte für das Filmkonto dabei. Sie sagt ja. Ich frage, habt ihr eine extra EC-Karte für das Filmkonto? Philipp sagt, klar, irgendwie muss das Geld ja auch wieder runterkommen. |
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09.07.2016 | Das ist heute hier los. Meine ägyptische Freundin freut sich schon auf den Kuchen. Nach dem Mittagessen, das meiner ägyptischen Freundin heute ungewöhnlich gut gelungen ist, repariert Philipp meinen im letzten Jahr gekauften Biertisch, der sich draußen in Sonne und Regen aufgewölbt hat und dessen Lackierung in den letzten Wochen immer mehr abgesplittert ist. Außerdem erklärt mir Philipp, wie ich mit der Schleifmaschine umgehen muss. Nächste Woche werde ich neues Schleifpapier kaufen und den Biertisch komplett abschleifen. Ein kurzer Blick ins Festzelt, wo es Kaffee und Kuchen für meine ägyptische Freundin gibt. Da versucht ein lokaler Comedian die Besucher mit Witzen zu unterhalten, über die er dann selbst am meisten lacht. Ich begrüße kurz unseren Bürgermeister, aber alle anderen Gäste kenne ich nicht. Da sie viele Kinder mitgebracht haben, vermute ich, dass die meisten von Dörfern aus der Umgebung hergekommen sind. Denn in Niendorf selbst gibt es, soweit ich weiß, nur ein Kind. | |
10.07.2016 | Kein Hase heute Morgen. Dafür läuft mir ein Reh über den Weg. Ich hab's geschafft, nach Berlin zu kommen, obwohl ich davor insgesamt 30 Kilometer mit dem Rad gefahren bin. Bei 31 Grad und für Sonntag extremem Verkehr kein Vergnügen. Und dann auf der Stadtautobahn ist eine von drei Spuren gesperrt. Resultat gut 5 Kilometer Stau. Ich musste leider fahren, denn morgen habe ich einen Zahnarzttermin. Außerdem muss ich meine Buchhaltung für das 2. Quartal 2016 machen und treffe dafür erste Vorbereitungen. Immerhin habe ich mit meinem Steuerbüro vereinbart, dass sie die Unterlagen jetzt per Post kriegen, denn vor ihrem Büro gibt es so gut wie keine Parkplätze. | |
11.07.2016 |
Ich bin den ganzen Tag bei über 30 Grad mit dem Auto kreuz und quer in Berlin unterwegs, und meine gewöhnlich gute Laune schmilzt dahin wie Butter in der Sonne. Am späten Nachmittag schaue ich mir die Preview-Version des Griechenland-Films "Wie Bojen im Meer" von Nikoletta Stella Drossa an. Sie war meine Regieassistentin bei "DAS ROTE ZIMMER". Zuerst alleine, dann mit meiner ägyptischen Freundin. Beim ersten Sehen übermannt mich gelegentlich der Schlaf. Beim zweiten Sehen bin ich hellwach und voller Bewunderung. Meine ägyptische Freundin reagiert noch stärker auf den Film als ich. Auf jeden Fall ein schöner Abschluss des schwierigen Tags heute. | |
12.07.2016 | Auf der Webseite von "Königin von Niendorf" (LINK) steht heute unter News: "11. Juli 2016 Wir haben es geschafft! Und ihr habt es möglich gemacht! Gestern endete die Finanzierungsphase und es sind unglaubliche 15.080€ von angestrebten 15.000€ auf dem Filmkonto eingetroffen! Danke an alle, die uns unterstützt haben!! In den letzten Tagen waren wir auf Motivsuche im wunderschönen Brandenburg. Die Vorbereitungen laufen auf Hochturen, denn heute in zwei Wochen soll die erste Klappe fallen!" Ich bin schon wieder auf dem Bauernhof und ernte diese Tomaten. Meine ägyptische Freundin hat mir diese beiden Kopfkissen mitgegeben. Sie hat sie gewaschen und ein bisschen getrocknet. Im Auto haben sie grauenhaft gerochen. Also habe ich sie nochmal gewaschen und dann zum Trocknen hier in die Sonne gelegt. Im Internet habe ich dann gelesen, dass Federbettwäsche nach dem Waschen in einen Trockner muss. Ich tue mein bestes und habe sie auf diesem Biertisch ausgelegt, werde sie häufig wenden und hoffe, dass ich dadurch einen Trockner ersetzen kann. | |
13.07.2016 | Morgen Abend um 23.00 Uhr im rbb-Fernsehen (LINK) läuft "RAUCHZEICHEN". Serpil Turhan wird in diesem Film übrigens erschossen. Ich kaufe nach dem Radfahren (ohne Hase) 3 Moskitonetze für die Dreharbeiten meiner Tochter Joya. Dann kommt auf die Minute pünktlich der Schornsteinfeger. Er fragt mich, ob ich noch Filme mache. Ich sage nein. Jetzt macht meine Tochter ihren ersten Film. Er weiß Bescheid und sagt "Königin von Niendorf" und ich spiele nächste Woche in "König von Berlin", denn er ist nicht nur Schornsteinfeger, sondern auch Schauspieler. Er heißt Marcus Kortas. Ein Blogleser aus Heidelberg schickt mir einen Link zu einer Besprechung von Serpil Turhans (LINK) Film über mich auf kinozeit.de mit dem Titel "Filmemachen gegen den Tod". Dem Autor Harald Mühlbeyer kann ich immerhin sagen (falls er mein Blog liest), innerhalb der nächsten vier Wochen, werde ich auf meinem Fahrradcomputer die magische 10.000 Kilometer-Grenze überschreiten. Es sei denn ich falle vorher tot um. Meiner Zahnärztin habe ich gestern gesagt, was mache ich mit meinen Zähnen, wenn Sie sterben. Sie hat schallend gelacht. Am 5. August besucht mich Serpil Turhan auf dem Bauernhof und am 10. August findet im FSK-Kino in Berlin die erste Pressevorführung ihres Films statt. Es gibt auch weitere gute Neuigkeiten zu ihrem Film, die ich aber noch nicht veröffentlichen darf. Vor einem Monat ist meine erste Ehefrau Helga, wie ich erst jetzt erfahre, gestorben. Sie wäre im nächsten Februar achtzig geworden. Ich habe gestern lange mit meinem Bruder Helmut im Bayrischen Wald darüber telefoniert. Er sagt, als leidenschaftlicher Astrologe, dass der Tod jetzt mein "Thema" sei. Er kennt mein Horoskop in- und auswendig und weiß immer welche Planeten wo in meinem Geburtshoroskop "tätig" sind. Meinen doch inzwischen ziemlich zahlreichen Bloglesern kann ich immerhin sagen, wenn einmal 3 oder 4 Tage lang kein Eintrag kommt, könnte es sein, dass ich schon tot bin oder im Koma in einem Krankenhaus versuche weiter zu leben. Oder, falls ich doch noch einmal zu meiner ägyptischen Freundin nach Kairo reise, in einem Gefängnis des ägyptischen Geheimdiensts, nur weil ich ein paar Fotos gemacht habe, gefoltert langsam vor mich hin sterbe, denn Fingernägel und Zehennägel ausreißen, wie sie das bei einem italienischen Studenten gemacht haben, würde ich sicher nicht überleben. Ich habe schon Probleme beim Schneiden meiner Zehenägel mit einer Nagelschere. | |
14.07.2016 | Diese Einladung kam gestern an. Acht mal wurden meine Filme auf der Viennale gezeigt, und ich bin jedesmal der Einladung von Hans Hurch gefolgt und war da. Einmal mit Hannelore Elsner und meiner Tochter Joya. Jetzt läuft kein neuer Film mehr von mir, sondern ein Film über mich. Den Film "RAUCHZEICHEN" hat Hans Hurch nicht gezeigt. Heute Abend läuft er im Fernsehen. Heute Morgen schaffe ich es noch, bevor eine Art Dauerregen begann, Rad zu fahren, und auch ein Hase ist mir begegnet. Es war allerdings nicht mein Hase. Gerade lese ich auf Blickpunkt Film, dass der frühere Chef der Columbia Erich Müller mit 97 Jahren gestorben ist. Er hat bis "SUPERGIRL" alle meine Filme und auch die Kurzfilme gesehen und wollte mit seiner Columbia das Projekt "Rio Guaniamo" mitfnanzieren. Da ging es um Diamantensucher im Dschungel von Venezuela. Das Drehbuch hat Max Zihlmann zusammen mit Harry Owen geschrieben. Als das Projekt platzte, hat sich Harry Owen, der im Film eine Hauptrolle spielen wollte, mit einem Gewehr erschossen. Sollte ich morgen, erfahren, dass nur 10.000 Zuschauer "RAUCHZEICHEN" gesehen haben, werde ich mich nicht erschießen. Erstens sind meine Selbstmordfantasien seit sieben Jahren - genau seit ich mit meiner ägyptischen Freundin zusammen bin - verschwunden, und zweitens habe ich auch gar kein Schießeisen. Ich würde eher wie Vadim Glowna in "INS BLAUE" ins Meer hinaus schwimmen und nicht mehr zurückkehren. Die Produzentin von Serpil Turhans Film hat mich heute morgen im Auto auf der Fahrt nach Dahme angerufen und mir gesagt, dass ich die Einladung von Hans Hurch zur Viennale nicht hätte in mein Blog setzen dürfen. Sie hatte eine entsprechende Information. Ich bekam von der Viennale keinerlei Veröffentlichungsverbot. Ich bin ja weder Regisseur noch Produzent, sondern nur ein Schauspieler. Und die Viennale-Leute wissen sowieso, dass ich alles blogge. Wer mir emails schickt, muss damit rechnen, dass ich daraus zitiere, und die ungewöhnlich "herzliche Einladung" des Festivalchefs konnte ich den Lesern meines Blogs nicht vorenthalten. Früher hat er das nie so gemacht. Er wusste, dass ich eine Einladung zu einer Vorführung ins Österreichische Filmmuseum für September abgesagt hatte (ich hatte ihn in meiner Absage ins cc gesetzt und da präventiv geschrieben ohne eine gleichzeitige Thome-Retrospektive werde ich auch zu Serpils Film nicht kommen). Naja, er hat mein hartes Herz ein bisschen zum Schmelzen gebracht. Und die Vorstellung, dass ich auf der Viennale mehr Autogramme als Schauspieler als vorher als Regisseur vieleicht geben müsste, ist mir gar nicht unangenehm. | |
15.07.2016 | Mein Tag beginnt heute verwirrend. Meinen Film "RAUCHZEICHEN" habe ich verschlafen. Als ich afwahte, habe ich auf ZDF Info mehrere Filme über die RAF gesehen und mir überlegt, was ich in dieser Zeit jeweils gemacht habe. Dann stehe ich auf, trinke meinen schwarzen Tee und lese ich auf Spiegel Online, was gestern Nacht, offensichtlich gleichzeitig während mein Film lief, in Nizza passiert ist. Radfahren kann ich zunächst nicht, weil es zu stark nieselt, also lese ich weiter in John Irvings "Straße der Wunder". Nach einer Weile wird es draußen plötzlich heller und ich ziehe meine Radfahruniform an und fahre. Dieses Pferd guckt mich jeden Morgen traurig an. Wahrscheinlich fühlt es sich genauso einsam wie ich. Ein Redakteur des rbb mailt mir die Zuschauerzahlen von "RAUCHZEICHEN" gestern Nacht: "die Ausstrahlung von RAUCHZEICHEN gestern Abend im rbb Fernsehen hatte in unserem Sendegebiet (Berlin und Brandenburg) 20.000 Zuschauer und 1,9 %, bundesweit war es mit 80.000 Zuschauern ein Marktanteil von 0,6 %. Also kein Grund, ins Meer hinaus zu schwimmen...:-)" Die Todesmeldungen von Filmregisseuren häufen sich. Jetzt ist mit siebzig Jahren Hector Babenco gestorben. Beim Filmfestival von Sao Paulo wurde mein Film "LIEBE AUF DEN ERSTEN BLICK" gezeigt. Andere Filme habe ich da nicht gesehen, denn Leon Cakoff, der Festivalchef, war jeden Abend mit seinen Regisseuren unterwegs und einmal ist er mit mir und drei, vier anderen Regisseuren über ein Wochenende zu seinem Haus am Meer gefahren und wir haben dort übernachtet. Sein Haus lag nicht direkt am Strand, sondern etwas weiter entfernt. Direkt am Strand war das Haus von Hector Babenco. Ich hatte seinen erfolgreichsten Film "Der Kuss der Spinnenfrau" kurz vorher in der Lupe 1 (gibt's nicht mehr) gesehen und fragte ihn, als uns Leon Cakoff miteinander bekannt machte, wie er es geschafft hat, William Hurt für die Hauptrolle zu kriegen. Er hat es mir ausführlich erzählt. Leider habe ich vergessen, wie er es genau gemacht hat. Über "Body Heat" von Lawrence Kasdan mit William Hurt hatte ich im Tagesspiegel eine Kritik geschrieben. Ich fand ihn toll und hätte auch gerne mit ihm einen Film gemacht. | |
15.07.2016 | Mein Hase ist ein Schönwetterhase. Heute scheint endlich wieder die Sonne und er schaut gleich zweimal nach mir. Auf dem Hin- und auf dem Rückweg. Philipp, Lydia und Joya sind wieder da. Ich muuss einkaufen fahren. Sie erzählen, dass es beim Rewe-Supermarkt einen toten Menschen gibt und ich solle doch mal fragen. Um die Bushaltestelle ist alles mit Flatterband abgesperrt. Zwei Autos der Kriminalpolizei stehen da und ein Krankenwagen mit einem Blechsarg. Ich gehe auf eine Gruppe von drei Beamten zu und frage höflich, darf man fragen, was hier passiert ist. Ein sehr junger, sehr streng dreinschauender Beamter mit gegeltem Irokesenschnitt, sagt nein und dann, treten Sie sofort zurück. Ich wage es, einzuwenden, dass an der Stelle, wo ich stehe, kein Flatterband mehr sei. Jetzt schreit er mich laut an: treten Sie sofort zurück. Sofort! Und er geht auf mich zu Wenn ich ein Schwarzer wäre und wenn wir in den USA wären, hätte er mich bestimmt erschossen. Im Supermarkt erfahre ich dann von einer Verkäuferin, dass ein alter Mann am Morgen in der Bushaltestelle saß und dann einfach tot umgefallen ist. Ich schleife einen Biertisch ab, dessen Lack in Regen und Sonne seit dem letzten Sommer immer stärker abgesplittert ist. Die Nachbarn um mich herum mähen ihre Wiesen. Ich darf nicht, den bei mir soll für Joyas Film alles verwildert und ungepflegt aussehen. Das tut weh. | |
17.07.2016 | Der Himmel ist grau. Kein Wind. Aber auch kein Hase. Ich musste die ganze Zeit an den toten Mann an der Bushaltestelle denken. Meine ägyptische Freundin hatte mir beim Skypen gestern gesagt dass es vielleicht der alte Mann ist, der dort immer sitzt. Ich dachte mir dann heute beim Radfahren, vielleicht war er verwirrt im Kopf und er wartet darauf, dass seine Frau aus dem ankommenden Bus aussteigt. Obwohl sie schon vor langer Zeit gestorben ist. Gestern dann, als sie wieder nicht gekommen ist, ist er tot umgefallen. Meine Tochter Joya war sehr berührt, als ich ihr diese Geschichte erzählte und sagte, die musst du in den Blog schreiben. In meinem Blumengarten draußen blüht eine erste Gladiole. | |
18.07.2016 |
Beim Radfahren früh morgens ist mein Hase wieder da. Zu einer näheren Begegnung hat er keine Lust. Im Blumengarten draußen wimmelt es von Nacktschnecken. Sie fressen halbreife Erdbeeren, Tomaten und auch manche Knollenpflanzen ganz weit unten am Stängel ab. Aber die Callas lassen sie links liegen und auch diese Knollenpflanze, die ich gestern hochgebunden habe und die anscheinend nur 24 Stunden blüht. Am Abend schaue ich mir die DVD von "Zeigen was man liebt" an. Der Film ist sehr viel besser, als ich nach verschiedenen emails nach der Vorführung in München erwartet hatte. Morgen schreibe ich darüber mehr. | |
18.07.2016 | Der Himmel heute Morgen beim Radfahren. Wie ich gestern ahnte hat diese Pflanze ihre Blüte zugemacht und wird sie auch nicht mehr öffnen. Das Ergebnis meiner Nacktschneckenjagd auf einer Fläche von vielleicht zehn Quadratmetern. Da wo die Erdbeeren, die Tomaten und die schönen 24Stunden-Blumen wachsen. Im nächsten Jahr kommen diese wie die Dahlien in Zinkbehälter in den Innenhof. Mir ist bewusst, in meinem Alter Gartenpläne für den nächsten Sommer zu machen, ist schon ein bisschen kühn. Jetzt wie angekündigt ein paar Sätze zu "Zeigen was man liebt". Unmittelbar nach dem Sehen war ich angenehm überrascht. Jetzt, einen Tag später, merke ich, dass nicht viel von diesem Film hängengeblieben ist. Außer den schrecklichen Bildern von Klaus Lemke in einer Tiefgarage unter dem ehemaligen "Kleinen Bungalow". Was hat er sich dabei gedacht? Vielleicht weil er damit demonstrieren will, dass er jetzt im Untergrund lebt.Jedenfalls sieht er da beschissen aus. Ich als sein alter Freund und weil ich ihn damals bewundert und sogar geliebt habe, darf sowas sagen. Und zu dem was er alles sagt, weiß ich, dass Vieles anders war. Bei den Videos vom Münchner Filmfest hatte er statt der Schiebermütze wenigstens einen Hut. Damit sieht er immerhin ein bisschen aus wie Udo Lindenberg. Die immer wieder eingeschnittenen Kommentare von Dominik Graf zur "Münchner Gruppe" waren nicht sehr erleuchtend. Kein Wunder, denn zur Zeit des "Kleinen Bungalows" war er gerade 12 oder 13 Jahre alt. Iris Berben, die wie Dominik Graf diese Zeit kommentiert, hätte zwar ein besseres Licht bei der Aufnahme verdient, aber was sie sagt, sind keine Märchengeschichten. Olaf Möller, ein Flmkritiker, der öfter wuderschöne Texte zu meinen Filmen geschrieben hat, weiß manches auch nicht so genau. Auch er hätte für die Aufnahmen ein besseres Licht verdient. Aber vielleicht wollte er zusamengesunken in einem Kinositz so aufgenommen werden. Martin Müller, der in der Zeit damals eher eine Randfigur war, ist optimal beleuchtet und was er sagt, ist richtig. Beim Filmfestival in Basel habe ich ihn zum ersten Mal seit gut 50 Jahren wieder getroffen. Er machte da nicht viel Aufhebens um seine Person, und ich sah da zum ersten Mal seinen Film "Anathan, Anathan". Was mich selbst betrifft, haben die Filmmacher Teile eines Interviews von 1984 mit Leuten des Saarländischen Rundfunks immer wieder eingeschnitten (LINK) und viele Ausschnitte aus meinen Kurzfilmen und auch aus "DETEKTIVE", "ROTE SONNE" und "SUPERGIRL". Darüber bin ich überhaupt nicht unglücklich, denn damals war ich 30 Jahre jünger, war bei den Dreharbeiten von "SYSTEM OHNE SCHATTEN" und hatte zum ersten Mal einen Star, Bruno Ganz, vor der Kamera. Vor zwei Wochen sagte mir Marc, ein Jugendfreund meiner ägyptischen Freundin, der hier bei mir auf dem Bauernhof war, als er das Plakat von Serpil Turhans Film sah, dass ich darauf aussehe wie der junge Papst Paul II, Ich konnte dazu nichts sagen, habe jetzt gegoogelt. Hier ein Foto des Pabstes. Von der Viennale gibt es auch neue Nachrichten. Hans Hurch hat nicht nur mich und Serpil Turhan, sondern auf meine Bitte auch meine ägyptische Freundin eingeladen. Vom 20. bis 23. Oktober werden wir zu Dritt in Wien sein und wie auf der Berlinale Serpils Film dem Publikum vorstellen. Außerdem will Hans Hurch bei dieser Gelegenheit mit mir ausführlich über eine Thome-Retrospektive in Wien sprechen. Ich bin gespannt. | |
20.07.2016 | In wenigen Stunden bin ich nur noch eine Randfigur auf meinem Bauernhof. Täglich sollen immer mehr Leute kommen. Aufräum-und Putzarbeiten beginnen im Oleanderzimmer. Lydia und An-Sofie. Das stand alles und noch viel mehr im Oleanderzimmer. An-Sophie räumt das Dach über dem Pferdestall auf. Im August 1991 habe ich da einen Monat lang unter einem Moskitonetz ganz wunderbar geschlafen. Philipp und Henning kommen mit Werkzeug, Matratzen Getränke für Kinder und viel Bier. Das vom Knöterich zugewachsene Fenster zum Innenhof geht nach einem kräftigen Rückschnitt wieder auf. Joya genießt zum erstenmal im Leben den Blick von hier oben auf den Dorfteich. | |
21.07.2016 | Das Oleanderzimmer. Hier können sechs Teammitglieder schlafen. Technikzimmer. Joya hat versucht ein altes Sofa, das seit 25 Jahren in einer Ecke der Scheune stand reaktiviert, ist dann aber nachdem es schon ins "Produktionsbüro" geschleppt wurde wieder davon zurückgeschreckt. Zimmer zu voll. Und vielleicht auch voller Ungeziefer. Frühstück für alle. Mit Nougat und von mir gesponserter Marmelade. Für das Baumhaus wollen sie von mir Baumstämme und Bretter. Mit den Baumstämmen habe ich kein Problem. Mit den Brettern schon. Ich sage, die sind seit 30 oder 40 Jahren gelagert. Und das Holz ist für ein Baumhaus viel zu wertvoll. Philipp antwortet. Es ist für einen FILM. Während alle weg sind, mache ich ein größeres Feuer für das Gelingen des Films. Weil Phlipp An-Sofie zum Bahnhof bringen muss, liefere ich Henning (oben im Baumhausbaum) das Mittagessen und Autan aus. Die beiden hatten offensichtlich großen Hunger. Nach allem, was so in der Welt, vor allem in der Türkei, passiert, bin ich jetzt froh, diese jungen Leute um mich zu haben. Bis jetzt gefallen mir alle Teammitglieder und würde jeden Einzelnen sofort in einem neuen Film von mir engagieren. Auf der Suche nach einer Styropor-Pinnwand entdeckt Lydia einen Karton mit Folie. Sie schreit, als sie einzelne Folien anschaut beglückt auf, als hätte sie einen Goldschatz entdeckt. Sie sagt, ein Meter kostet zwanzig Euro. Die Folien hat Martin Schäfer vom Drehort in Bayern nach Berlin transportiert. Sie sind Überbleibsel meines teuersten Film "TAROT". Ich denke bei Lydia sind sie in guten Händen und werden Joyas Film Glück bringen. Vielleicht steckt ja auch noch ein bisschen "Geist" von Martin Schäfer in den Folien. Mada, eine Klassenkameradin von Joya, ist die neue Regieassistentin. Als Kind war sie früher schon auf dem Bauernhof. | |
22.07.2016 | Mein Tag beginnt mit dem Anschauen der Trump-Rede auf Phönix. In voller Länge. Ob der ein Medikament genommen hat, damit er selbst an das glaubt, was er sagt. Dann frage ich den Jauchefahrer, ob er mir sagen kann, wann er kommt, um meine Jauchegrube zu leeren. Er will ungefähr gegen 11 Uhr kommen. Zeit für mich und meine morgendliche Radtour. In Gedanken bin ich noch bei der Rede von Trump und den Twitterreaktionen im Netz. Da taucht mein Hase auf dem Feldweg neben mir auf, erkennt mich und läuft auf eine längeren Strecke neben mir her. Ich rede mit ihm und sage, dass ich ihn gerne nochmal fotografieren möchte. Aber er denkt wohl, ein Mal ein Fotoshooting ist genug. Der Baumhausbaum. Bereits am Dienstag will Joya da drehen. Hinter Ihlow wird es neblig. Die Sonne beleuchtet Millionen Spinnweben auf einem Rapsfeld. Kurz vor 12 Uhr kommt der Jauchefahrer. Er kann auch heute wieder, wie am 3. Juni, nicht die gesamte Jauchegrube entleeren. Er erklärt mir, warum das nicht mehr so ist wie früher. Sein Chef bekommt von der Wasserversorgung pro Fahrt 30 Euro und je öfter er fährt, desto mehr verdient sein Chef. Während der Jauchegrubenfahrer seine Arbeit macht, teste ich, ob im Dach über dem Pferdestall Internetempfang funktioniert. Ich hätte da gerne wie im August 1991 mal wieder geschlafen. Nur ohne Fernsehen kann ich leider nicht mehr einschlafen. Weil dann da alle möglichen Gedanken in meinem Kopf rotieren. Ich finde am späten Nachmittag ein bisschen Ruhe und Erholung unter Nicolais Kastanienbaum im Garten und schaue da auf meine Blumen. In München gibt es einen Terror-Anschlag mit Toten. Ich hab´s in den Nachrichten gesehen. Die Website der SZ ist für eine halbe Stunde nicht mehr erreichbar. Bevor die Sonne untergeht, kommt Lydia mit dem technischen Eqipment und einer neuen Mitarbeiterin aus Berlin zurück. Ich bin erleichtert. Lydia zeigt mir stolz ihre Kamera. Eine Alexa von Arri. In meinem letzten Film "INS BLAUE" hätte ich mir die nicht leisten können. Ich bin gespannt darauf, wie sie mit ihr umgeht. Martin Schäfer, wenn er noch lebte, hätte sie vermutlich mit ins Bett genommen. |
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23.07.2016 | Beim Radfahren am Morgen kommen zwei junge Rehe auf den Radweg, schauen mich an und verschwinden dann schnell in ein Weizenfeld. Am Baumhausbaum wird weitergebaut und hier wird mit der Jungsbande geprobt. Mada, die Regieassistentin, hat die Essensausgabe für die Kinder übernommen. Es gibt Kartoffelbrei, Fischstäbchen und Salat. Auch mir gefällt das, denn das Catering bei meinen Filmen, habe ich immer gerne gehabt. Das Sonnensegel hat Philipp beigesteuert. Er sagt, das ist noch aus meiner Pfadfinderzeit. Nach dem Mittagessen sind die Kinder alle wieder weg. Bis auf Lisa, die "Königin von Niendorf". Ich lese im gedruckten Spiegel die Titelgeschichte über Erdogan und auch alles über den Mörder mit der Axt im Zug nach Würzburg. Und auf Spiegel Online die Geschichte über den Amokläufer in München. Wenn ich noch die Rede von Trump in Cleveland dazurechne, ist das jetzt eine der unerfreulichsten Wochen seit Jahren. Ich habe wirklich Glück, dass hier auf meinem Bauernhof ein Kinderfilm gedreht wird. Wir sind hier wie auf einer paradisischen Insel. Alles was in der Welt passiert, berührt uns nur am Rande. In meinem Blumengarten draußen bereitet sich eine neue Zwiebelpflanze darauf vor, ihre Blüten zu entfalten. Eigentlich habe ich all diese Zwiebelpflanzen nur gekauft, um den Titel von Serpil Turhans Film "Rudolf Thome - Überall Blumen" zu rechtfertigen. Mein Garten war zwar immer wieder voller Blumen im Wechsel der Jahreszeiten, aber so viele wie in diesem Jahr hatte ich noch nie. Am 6. August kommt Serpil hierher und ich freue mich darauf, ihr das Blumenresultat ihres Films zeigen zu können. Joya hat da dann schon ihren 9. Drehtag und wahrscheinlich kommen zwei Journalisten aus Berlin und Potsdam her, um sowohl Serpil und mich und auch Joya zu interviewen. | |
24.07.2016 | Langsame Fortschritte am Baumhausbaum. Gestern stand hier noch der Winterweizen. Das Schild ist überholt. Nachdem ich das Foto gemacht habe, überquert ein Hase den Radweg. Für ein Foto ist er zu weit weg, und außerdem ist es ein fremder Hase. Eine Blüte der Blume von gestern ist aufgegangen. Diese Blüte ist morgen früh verwelkt. Einen Tag vor Drehbeginn. Ich werde mit einer ganzen Liste von Dingen konfrontiert, die Joya als Requisiten braucht. Heute Abend macht das Filmteam eine "Warmingup-Party". Mein Job dabei ist, ein Feuer zu machen. Ich spreche lange mit Sophie Kluge und ihrer Mutter, die ja die Ehefrau von Alexander Kluge ist und zeige beiden meinen Garten. Joya hält eine schöne Rede. Ich habe sie gefilmt. Sie freut sich, dass so viele Leute gekommen sind und bedankt sich auch bei mir, dass ich ihr meinen Bauernhof zur Verfügung stelle. Christina Wagner, die bei "DAS ROTE ZIMMER" und "INS BLAUE" meine Maskenbildnerin war, ist auch dabei… …darüber freue ich mich sehr, fühle mich allerdings etwas nackt und nicht unbedingt vorteilhaft aufgenommen. Joya und Lydia wollen unbedingt, dass Lisa, die Hauptdarstellerin, im Film ihr altes Fahrrad fährt. Es steht seit fast zwanzig Jahren im Pferdestall. Es gelingt uns die Reifen nach dem Austausch eines Ventils aufzupumpen. Doch irgendwann platzt der Schlauch. Der Fahrradhändler in Dahme macht erst nach 12 Uhr auf. Joya fndet im Dorf den Vater eines Kindes, das ein Rad mit derselben Reifengröße hat. Lydia und Philip tauschen jetzt Schlauch und Mantel aus. Wir nehmen das alle als ein gutes Vorzeichen für den ersten Drehtag morgen früh, denn in der ersten Szene morgen muss Lisa Fahrradfahren. Mada und Lisa verstehen sich wunderbar. Lisa hat auf ihrem Handy selbstverständlich Pokémon-Go und findet auch hier in Niendorf ein Pokémon in der Nähe des Dorfteichs. Vielleicht habe ich Glück und sie zeigt mir einmal im Lauf der Dreharbeiten, wie das funktioniert. | |
25.07.2016 | Heute ist Joyas erster Drehtag. Das Wetter ist voll auf ihrer Seite. Die Baumhauskonstruktion hat gestern einen gewaltigen Sprung in Richtung Fertigstellung gemacht. Die erste Einstellung von Joyas Film heute Morgen. Ich hatte in der Nacht übrigens einen seltsamen Traum. Ich war bei einem fremden Zahnarzt und der wollte mir auf einen Schlag vier Zähne in meinem Oberkiefer ziehen. Meine Kinder wollten dabei sein, aber ich habe sie verscheucht. Kurz bevor er mit der schmerzlichen Prozedur startete, bin ich aufgewacht. Mada und Lisa spielen gemeinsam Akkordeon. Die Filmcrew beim Abendessen. Ich frage, wann Mex Schlüpfer, der männliche Hauptdarsteller, ankommt. Sie sagen um 8 Uhr. Und wo schläft er? Auch im Dachboden über dem Pferdestall. Da ist ein Bett eingerichtet. Da haben schon gestern Joya, Lydia und Philipp geschlafen. Ich biete ihnen einen Paravent für Mex Schlüpfer an, den irgendeine Austatterin für einen Film gekauft hat, der aber nie benutzt wurde. Ich hole ihn sofort aus dem Dachboden. Im Hintergrund steht der Paravent. Mir macht es inzwischen Spaß, sämtliche Dinge, die sich hier in 25 Jahren und 15 Filmen hier angesammelt haben, für Joyas Film herauszuholen. Für Joya ist das selbstverständlich, für die anderen ist mein Bauernhof eine gigantische Schatzkiste. Nica Hoffschroer, er ist der DIT innerhalb des Kamerateams, testet eine Drohne, die LUPA-Film zur Verfügung gestellt hat, denn auch eine Luftaufnahme ist für eine Szene vorgesehen. Ich bin begeistert, und ein bisschen sprachlos. Wo will Joya hin mit diesem Film? Aus der Nähe wird mir klar, das ist keine Spielzeugdrohne sondern ein Profigerät. | |
26.07.2016 | An der Tür zu meinem Innenhof heute Morgen. Das Baumhaus ist vollendet. Auf dem Dach ist sogar Dachpappe. Für alle Fälle. Falls es mal regnet. Auf dem Heimweg sehe ich von weitem meinen Hasen. Er sitzt völlig unbeweglich da und lässt mich näher kommen. Ich bin mir zunächst nicht einmal sicher, ob es wirklich ein Hase ist. Ich zoome ihn heran und als ich wieder aufs Fahrrad steige, taucht ein zweiter Hase, kleiner und mit einer helleren Fellfarbe auf, und beide laufen weg. Ich denke, dass ist bestimmt seine Frau. Sehr viel jünger und schöner als er. Während ich das hier schreibe fängt es urplötzlich an zu regnen, und es blitzt und donnert. Mex Schlüpfer, Joyas Hauptdarsteller, verbringt den Morgen in einer Badewanne. Mittagessen heute in der Scheune, denn es tröpfelt immer noch. Lisa wird von Christina verschönert. Christina sagt, das macht sie wegen der Mückenstiche. Als alle woanders beim Drehen sind, fülle ich das Wasser in meinem Gartenteich auf, gehe nackt darin schwimmen und genieße das Alleinsein. Im Gras wimmelt es von Hummeln, die Kleeblüten aussaugen und über dem Teich fliegen Libellen… …und dieser Falter kommt immer wieder zu mir und geniesst offensichtlich die Holzwärme meines verwitterten Biertisches. | |
27.07.2016 | Am Baumhaus wird noch weiter gebaut. Meine sämtlichen Aluleitern sind im Einsatz. Jetzt habe ich auf meinem Fahrradcomputer 10.000 Kilometer erreicht. Um diese Zahl zu erreichen, musste ich heute 30 Kilometer fahren. An-Sofie sieht, wie ich auf alles mit leicht verzweifeltem Blick schaue und fragt mich, ob ich Joya das Drehen auf meinem Bauernhof erlaubt hätte, wenn ich das, was ich jetzt erlebe, vorher gewusst hätte. Ich fürchte ja. Sie verlässt das Filmteam heute. Ihre größte Tat war das Bewohnbarmachen des Dachbodens über dem Pferdestall… …der jetzt so aussieht. Am Nachmittag baut Henning mit zwei Helfern ein Floß. Dann wird eine leerstehende Wohnung auf der anderen Seite des Dorfteichs komplett mit Dingen aus meinem Bauernhof eingerichtet. | |
28.07.2016 | Vor dem Radfahren werfe ich einen Blick aufs Wetter und schicke den Link an Phlipp, denn es sieht richtig vielversprechend aus für die Dreharbeiten. Mein Bauernhof von der anderen Seite des Dorfteichs. Lydia macht Innenrequisite in der Wohnung von Lisas Eltern. Das Bett war einmal das Ehebett von meiner früheren Frau und mir in dem Haus, in dem "DAS MIKROSKOP" gedreht wurde und stand jetzt im Oleanderzimmer. Eine neue Gruppe von Gladiolen fängt jetzt an zu blühen. Ihre dunkelrote Farbe weckt in mir Erinnerungen an meine Mutter. Obwohl es im Garten meiner Kindheit keine einzige Zwiebel- oder Knollenblume gab. Weder Osterglocken, nochTulpen, noch Dahlien und auch keine Gladiolen. Joya und Philipp in der Mittagspause des dritten Drehtags. Ein "unbekannter Filmfreund" hat mir geschrieben, der Schmetterling auf meinem Biertisch vor zwei Tagen ist ein Admiral-Falter. und sagt "ein gutes Omen, wie ich finde". Auf der anderen Seite des Dorfteichs ist gerade eine kleine Drehpause. Ich bringe Joya ein Päckchen. Vor ungefähr zwanzigJahren habe ich diese Hofhälfte mit Hans-Helmut Prinzler und Antje Goldau besichtigt. Damals waren da nur Ställe. Jetzt ist alles ausgebaut und sehr gepflegt. In einer zur Zeit leerstehenden Wohnung darf Joya drehen. Lisa und Tino Mewes, ihr Film-Vater. | |
29.07.2016 | Morgens um 5 Uhr. Es hat geregnet. Partyreste vor meinem Hauseingang. Es ist für mich schon ein komisches Gefühl. Meine Tochter dreht einen Film. Ich bin dabei und nicht dabei. Gehe dazwischen irgendwie verloren. Um mir etwas Gutes zu tun, habe ich gestern bei Amazon ein paar rote Fahrradschuhe gekauft. Mir bleibt im Moment für mein Ichgefühl nur das Fahrradfahren. Am Endpunkt meiner Fahrradstrecke liegt heute dieser schwarze Düngerhaufen. Es stinkt so bestialisch, dass ich auf meine Feldenkraisübung verzichte. Mein Hase hat sich auch nicht sehen lassen. Dafür sind drei junge Rehe kurz vor dem Baumhausbaum über den Radweg gehüpft. Der Bau eines Floßes ist gar nicht so einfach. Zwei Stunden später ist es fast fertig. Henning sagt, dass noch Seile um alles herumgewickelt werden, "damit es nach Abenteuer aussieht". Am Nachmittag gehe ich raus, um vorsichtshalber das Kletterseil meines Sohnes Nicolai sicherzustellen und stelle mit Entsetzen fest, dass meine Tochter Joya es inzwischen als Wäscheleine missbraucht hat. Morgen werde ich im Supermarkt eine richtige Wäscheleine kaufen, denn die wird hier dringend gebraucht. Meine beiden Wäscheleinen im Hof sind auch randvoll. Ich habe in meiner Waschmaschine (Gott sei Dank habe ich zwei) auch noch eine Ladung Wäsche. Die werde ich morgen, wie sonst nur im Winter auf aufklappbaren Gestellen trocknen müssen. Lydia isst ihr Mittagessen. Als sie damit fertig ist, bitte ich sie, mir im Garten zu zeigen, welche Flächen für eine am 18. August (!!!) geplante Szene unbedingt "verwildert" aussehen müssen. Diese beiden Flächen unterhalb der Teichmauer wurden mir von Lydia "freigegeben". Danach fühle ich mich ein bisschen besser. | |
30.07.2016 | Das Wetter beim Radfahren weiß noch nicht, wie es heute werden soll. Heute macht Lydia eine Dollyfahrt, und Nico (der Junge im Hauseingang) belauscht ein Telefonat der Bürgermeisterin. Die Bürgermeisterin ist Sophie Kluge. Mit meinem Superbügeleisen bügelt Mada Sophies Rock und noch ein paar andere Kostümsachen. Ich wache nach einem kurzen Mittagsschlaf auf, schaue aus dem Fenster und sehe dieses Auto. Im Innenhof ist Joya mitten im Interview, und ich muss auf die andere Seite gehen, denn von hier aus bin ich im Bild der Fernsehkamera. Und daher unerwünscht. Von hier aus filme ich von Anfang an, denn das Auslösegeräusch meines Fotoapparats stört ebenfalls. Und hier ist der Film auf Vimeo. |
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31.07.2016 | Bauer Strelow, der dem Filmteam schon mit vielen Brettern ausgeholfen hat, unterstützt es jetzt mit einer Hebebühne für die Kamera. Lisa versucht ihr Glück mit dem Zauberwürfel. Ivo macht den anderen vor, wie man das Zauberwürfelprobleml löst. "Außerdem kann man das auf YouTube sehen. Hast du WLAN?" fragt er Lisa. Mein Not-Mittagessen heute, denn das Team wurde direkt am Baumhausbaum mit Essen versorgt. Man hatte mich vergessen, obwohl mir meine Tochter Joya für meine Dreherlaubnis eine Versorgung mit Essen während der gesamten Drehzeit zugesichert hatte. So hatte sie mir Anfang Februar das in einer Mail beschrieben, nachdem sie mir das Filmprojekt vorgestellt hat: "Jetzt steht und fällt diese Idee natürlich damit, ob wir im Sommer (August) mit einem kleinen Team ca 21 Tage auf deinem Bauernhof drehen und was das Kernteam betrifft (5 Leute inklusive Philipp und mir) auch wohnen dürften (…) Als Gegenleistungen könntest du dir ja auch was überlegen. Dass du 3 Mal am Tag von uns Essen bekommen würdest während der Zeit ist ja vielleicht auch schon ein Anreiz." Gott sei Dank kommt am Dienstag oder Mittwoch meine ägyptische Freundin und kocht nur für uns beide. Im Innenhof stand früher ein wild gewachsener Ebereschenbaum. Der musste für den Bau des Oleanderzimmers gefällt werden. Inzwischen ist auf der anderen Hofseite ein neuer Baum wild gewachsen. In diesem Jahr trägt er zum ersten Mal Vogelbeeren. Darüber freue ich mich. Lisa und ihre Film-Mutter Jamila Saab kommen zurück vom Drehen auf der anderen Seite des Dorfteichs. Auch der 5. Drehtag ist beendet. Etwas später im Innenhof… Ich habe das Gefühl, dass ich in einem Ameisenhaufen lebe. In meiner Scheune steht jetzt ein riesiges "EasyUp". In keinem Film von mir hatte ich so ein Ungetüm. Kaum habe ich das in meinem Blog geschrieben, gehe ich in den Hof und werde sofort zum Abendessen eingeladen, denn einige hatten meine Essens-Beschwerde im Blog schon gelesen und fanden die Diskrepanz zwischen dem, was Joya damals geschrieben hatte und der Realität jetzt lustig. Die Suppe, die ich da jetzt gegessen habe, schmeckte saugut! Am liebsten hätte ich davon, obwohl ich ein Suppenkaspar bin, noch 2 Teller gegessen. | |
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