Blog
Termine
Thome
Kontakt
Filmografie
Tagebuch
Drehbuch
Dreharbeiten
Montage
Archiv

"Ins Blaue"

1. Woche
2. Woche
Drehbuch

    INS BLAUE
   

© 2011 by Moana-Film GmbH


 


1.
Ein Treck aus elf Fahrzeugen (drei LKW‘s, zwei Transporter, ein alter blauer VW-Bus und fünf PKW‘s) fährt durch das hügelige Land am Südhang der Alpen. Zwei, drei Totalen. Darüber die Anfangstitel.

2.
Im vordersten Wagen, ein PKW, sitzt NIKE RABENTHAL (25) am Steuer. Neben ihr WILHELM (26) und im Fond drei junge Frauen, EVA (30), JOSEPHINE (25) und LAURA (21). Aus dem Walkietalkie kommt krächzend eine Stimme: Günther für Nike, bitte kommen.
WILHELM antwortet: Nike fährt. Was gibt’s? GÜNTHER (off): Simone muss mal. Könnt ihr an der nächstbesten Stelle halten. NIKE: Groß oder klein? WILHELM: Hast du‘s gehört?

3.
Im PKW von GÜNTHER (30). SIMONE (30) nimmt GÜNTHER das Walkie aus der Hand: Das geht euch einen Scheißdreck an. Wenn Nike nicht in den nächsten zehn Minuten stoppt, passiert hier ein Unglück. Over. SIMONE gibt das Walkie an GÜNTHER zurück.

4.
In NIKES Wagen. EVA ist aufgewacht: Sag ihr, dass sie, bevor wir fahren, nicht soviel Kaffee trinken soll. WILHELM schaut auf das Display des Navis. WILHELM ins Walkie: Wilhelm an Alle: In zehn Kilometern kommt eine Tankstelle. Da halten wir. So lange muss Simone es noch aushalten.

5.
FRANZ (29) sitzt am Steuer des ersten LKW‘s, neben ihm FRITZ (29). FRITZ spricht in das Walkie: Alle LKW‘s fahren weiter. Ihr könnt uns ja leicht wieder einholen. Simone soll die Arschbacken zusammenkneifen. Von mir aus auch noch was Anderes.

6.
Im letzten PKW sitzen ABRAHAM RABENTHAL (70) und am Steuer MARIA (35). ABRAHAM spricht in sein Walkie: Abraham an alle. Alle sollen an der Tankstelle halten. Und Kinder, könnt ihr euch bitte in Zukunft etwas Gewählter ausdrücken, verstanden! Over.

7.
Der Wagentreck fährt langsam auf den Parkplatz der Tankstelle. SIMONE öffnet die Tür ihres PKW‘s, schaut sich suchend um, spurtet, als ginge es um ihr Leben, zu einem Gebüsch und hockt sich dahinter, nicht ohne vorher nochmal in alle Himmelsrichtungen zu schauen.
In Nikes PKW. EVA: Wilhelm, kannst du bitte für mich einen Espresso besorgen! JOSEPHINE und LAURA gleichzeitig: Für mich bitte auch. LAURA: Für mich einen doppelten. Ich bin sonst todmüde, wenn wir ankommen. WILHELM (zu NIKE): Willst du auch einen? NIKE: Danke, ich bin hellwach. Obwohl ich die halbe Nacht nicht geschlafen habe. Mir geht zu viel im Kopf rum. WILHELM: Ich bring dir trotzdem einen. Das kann nichts schaden.

8.
NIKE steht neben ABRAHAM. NIKE: Hast du dem Hotel gesagt, dass wir drei, vier Stunden später ankommen? ABRAHAM: Keine Sorge, Nike. Die warten auf uns. NIKE: Wie gut, dass du so viele Sprachen sprichst. NIKE gibt ABRAHAM einen Kuss auf die Backe. NIKE: Ich bin ganz schön aufgeregt!

10.
FRANZ und FRITZ kommen mit einem Brotkorb voller Süßem aus der Tankstelle. Sie gehen zu ihrem LKW. NIKE ruft sehr laut: Fehlt noch jemand? Einige antworten: Nein! Alle sind wieder da. NIKE: Dann können wir endlich weiterfahren. Los Jungs! Alles wieder in die Fahrzeuge. Wir bleiben in einer Kolonne. Der Treck setzt sich langsam in Bewegung.

11.
Im PKW von Abraham. ABRAHAM sagt zu MARIA: Wenn wir ankommen, möchte ich, dass Sie dafür sorgen, dass ich das schönste und größte Zimmer bekomme und dass Laura ein Zimmer neben mir bekommt. MARIA lächelt und sagt: Sie können sich auf mich hundertprozent verlassen, Herr Rabenthal. Sie sind unser Boss. ABRAHAM: Euer Boss ist Nike. MARIA: Aber Sie sind mein Boss!

12.
Die Sonne ist dabei unterzugehen. Eine Straße, von der aus das Meer zu sehen ist. NIKE nimmt WILHELM das Walkie aus der Hand: Nike an alle. Seht ihr das Meer auf der linken Seite und diesen Sonnenuntergang? Davon habe ich geträumt. Alles wird wunderbar!

13.
Der Parkplatz eines Hotels. Die Wagenkolonne ist dabei einzuparken. NIKE und WILHELM dirigieren die Fahrzeuge auf ihre Plätze. MARIA steigt aus ihrem Wagen und betritt als Erste das Hotel.

14.
Am Empfang. MARIA bespricht mit dem HOTELCHEF, wer welches Zimmer kriegt und gibt ihm eine Namensliste. MARIA: Das beste Zimmer kriegt Herr Rabenthal. Das zweitbeste Frau Thalheim. Sie ist in Deutschland ein großer Star. Bitte erfüllen Sie ihr alle Wünsche. HOTELCHEF: Das ist doch selbstverständlich. MARIA: Laura Caspary möchte gerne das Zimmer neben Herrn Rabenthal. Seiner Tochter ist es egal, wo sie schläft. Sie will nur, dass alle Schauspieler ein Zimmer mit Blick auf‘s Meer bekommen. Ist das möglich?

15.
Speisesaal des Hotels. Alle essen und trinken Wein. NIKE sitzt mit ABRAHAM allein an einem Tisch. NIKE: Ich sollte jetzt vielleicht was sagen. Was meinst Du? ABRAHAM: Alle Filmteams lieben es, wenn der Regisseur zu ihnen spricht. Es ist völlig egal, was du sagst. NIKE klopft an ihr Glas und steht auf. NIKE: Mein Vater hat gesagt, dass ich jetzt was sagen muss. (Pause) Also ich bin froh, dass wir alle gut hier an unserem ersten großen Drehort angekommen sind. Ich will keine lange Rede halten, denn morgen um fünf geht es los mit der Szene, in der die drei Mädchen am Strand ihr Zelt aufbauen. (Pause). Trinkt nicht mehr so viel Wein. Alle lachen. NIKE: Wilhelm verteilt jetzt die Dispo für morgen. NIKE setzt sich wieder und alle klatschen. WILHELM fängt sofort mit dem Verteilen der Dispo an. Er geht zuerst zum Tisch mit den drei Hauptdarstellerinnen. EVA wirft einen Blick darauf und sagt: Was so früh wollt ihr anfangen!

16.
ABRAHAM, im Bademantel, kommt aus seinem Zimmer und klopft leise an die Tür des Nachbarzimmers. LAURA (off): Komm rein!

17.
In Lauras Zimmer. ABRAHAM legt den Bademantel ab und schlüpft zu LAURA ins Bett. Sie umarmen sich. LAURA flüstert ABRAHAM zärtlich etwas ins Ohr.

18.
In NIKES Zimmer. NIKE sitzt vor ihrem Computer und schneidet ein paar Szenen, die sie bisher gedreht hat. Die Kamera fährt auf den Bildschirm zu. Das Bild wird allmählich weich und unscharf und überblendet in eine in HD gedrehte Szene. Es ist ein Übergang in eine andere Realität.

19.
HD. Der blaue VW-Bus fährt durch eine deutsche Landschaft. Am Steuer sitzt EVA, neben ihr JOSEPHINE und LAURA. JOSEPHINE: Kannst du nicht ein bisschen schneller fahren. Ich will endlich weg aus diesem trostlosen Land. EVA: Dieser alte Kasten fährt nicht schneller. Ich habe Angst, dass der Motor schlapp macht. Ich bin mal mit einem uralten Käfer nach Italien gefahren. Da lief der Motor plötzlich nur noch auf drei Zylindern. Mehr als achtzig kaemha war da nicht mehr drin. LAURA: Was du schon alles erlebt hast! Ich wollte, ich wäre so alt wie du. EVA (cool): Sei froh, dass du es nicht bist. Ich fühle mich schon steinalt.

20.
HD. Es ist Abend geworden. Am Horizont geht blutrot die Sonne unter. EVA, JOSEPHINE und LAURA bauen ihr Zelt unter einem großen Baum an einem Waldrand auf. Neben dem Zelt steht ihr VW-Bus. EVA: Das Wichtigste ist, dass keine Mücken ins Zelt kommen. Wenn die erstmal unser süßes Blut probiert haben, sind wir morgen halbtot. LAURA: Ich glaube nicht, dass es hier Mücken gibt. EVA: Du hast ja keine Ahnung. Ich hab mal mit einem Freund eine Fahrradtour gemacht…

21.
In LAURAS Hotelzimmer. LAURA: Du hast doch gesagt, dass du nur kuscheln willst. ABRAHAM: Wollte ich ja auch. LAURA: Jetzt musst du ganz schnell wieder zurück in dein Zimmer. Wenn du hierbleibst, kann ich nicht richtig schlafen. Du willst doch, dass ich morgen schön aussehe! ABRAHAM steht auf, zieht wieder seinen Bademantel an und gibt LAURA einen väterlichen Kuss auf die Stirn.

22.
Ein breiter, weißer Sandstrand. Früher Morgen. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen. NIKE geht den Strand entlang. Hinter ihr ist das gesamte Filmteam dabei, die geplante Filmszene vorzubereiten. WILHELM läuft zu ihr: Eva ist jetzt endlich in der Maske. Sie will vor acht Uhr nicht drehen. NIKE: Was ist mit Paul? WILHELM: Der ist topfit. Er hat nur noch Probleme mit seinem Mönchskostüm. Aus einem Gebüsch am Strand kommt ihnen PAUL (35) als Mönch gekleidet, entgegen. NIKE: Guten Morgen Paul. Alles ok bei dir? PAUL: Mönchsein ist gar nicht so einfach. Ich hab mir überlegt, alle Bewegungen und alles, was ich sage, in der halben Geschwindigkeit zu machen. Dann denken die Leute, dass ich mit einem Bein immer schon fast in einer anderen Welt bin. Findest du das gut? NIKE: Das ist eine tolle Ideee. NIKE umarmt PAUL. NIKE: Du bist wunderbar! Ich hab das gleich gewusst.
23.
Über dem Meer erscheint ein Lichtschein. Am Strand ist ein Zelt aufgebaut. Zwei riesige Butterflies stehen hinter dem Zelt. Eine der Kameras ist aufs Meer gerichtet. Zwei Kameras auf das Zelt. NIKE sitzt hinter drei Monitoren. Neben ihr stehen WILHELM und ABRAHAM. SIMONE, die Maskenbildnerin, rennt nochmal zum Zelt, öffnet den Eingang und kontrolliert, ob die vier Schauspieler so aussehen, wie sie sich das vorgestellt hat. Sie macht die Haare der vier Schauspieler im Zelt noch etwas verwuschelter. ABRAHAM (leise zu NIKE): Das hätte ich früher auch so machen sollen. Wenn ich eine Szene bei Sonnenuntergang drehen wollte, war die Sonne, bis alle fertig waren, meistens längst untergegangen. NIKE (geht nicht darauf ein, zu WILHELM): Wie lange dauert es, bis die Sonne ganz aufgegangen ist? WILHELM: Fünf, sechs Minuten. Jetzt kommt sie! Plötzlich wird alles still und wartet auf NIKES Kommando. Ein einsamer Frühaufsteher gerät bei seinem Strandspaziergang ins Bild. Er bleibt stehen und schaut neugierig auf das Filmteam. Drei, vier Leute des Filmteams rennen zu ihm, reden auf ihn ein und bringen ihn aus dem Bild. NIKE: Ton ab. MICHAEL (der Tonmeister): Läuft. NIKE: Kamera ab. Action! Im Zelt wird es lebendig. JOSEPHINE kommt als erste heraus. Sie reckt sich und streckt sich. JOSEPHINE: Das müsst ihr sehen! Die Sonne geht auf. Sie zieht ihr T-Shirt aus und geht zum Meer. LAURA kommt nackt aus dem Zelt gekrabbelt, dann EVA im Bikini und als letzter PAUL. Er trägt eine Unterhose. EVA hebt beide Arme und sagt zu PAUL: Ich liebe Italien!
NIKE (unterbricht): Eva sag das nochmal, aber leiser. Ohne Pathos. Die Kamera läuft weiter. PAUL (langsam und leise): Gott ist groß und unendlich. Aber Italien liebt er ganz besonders.

24.
In HD. Wieder eine Überblendung. EVA, JOSEPHINE, LAURA und PAUL im Zelt. Sie wachen langsam auf und kriechen aus ihren Schlafsäcken. EVA zieht sich, bevor sie aus dem Schlafsack herauskommt, ihren Bikini an. PAUL seine Unterhose.

25.
HD. EVA hebt beide Arme und sagt leise zu PAUL: Ich liebe Italien. JOSEPHINE stürzt sich vor der aufgehenden Sonne nackt ins Meer. Am Horizont über dem Meer die riesengroße Sonne. PAUL sagt (leise und langsam, wie in Zeitlupe): Gott ist groß und unendlich. Aber Italien liebt er ganz besonders.

26.
HD. Gras, das in den Dünen am Strand wächst. Palmen, die am Strand wachsen. Ein blühender Kaktus.

27.
HD. JOSEPHINE geht nackt ins Wasser. Das Meer ist träge. Es gibt fast keine Wellen. JOSEPHINE: Hier sind überall Fische. Das müsst ihr sehen.
Fische, die im Wasser schwimmen.

28.
HD. Leise Musik. Vielleicht eine Flöte. EVA schaut PAUL an. PAUL: Das Paradies ist überall. Wenn wir genau hinschauen gleich um die Ecke. PAUL zieht seine Unterhose aus und steht jetzt splitternackt in der aufgehenden Sonne vor EVA. EVA wirft einen schüchternen Blick auf ihn, fasst sich ein Herz und zieht ihren Bikini aus. Hand in Hand gehen beide ins Meer und schwimmen zu den anderen.

29.
Hotelterrasse. Das Filmteam beim Essen. ABRAHAM ruft eine Filmförderungsinstitution in Deutschland an. Drei Leute des Making-of-Teams filmen den Anruf, wollen sehen, wie er reagiert, wenn er hört, ob er für Nikes Projekt Geld gekriegt hat. NIKE steht neben ihm. NIKE: Ich bin hundertprozent sicher, dass Du das Geld kriegst. ABRAHAM (zu NIKE): Ich nicht. Dein Projekt passt nicht in das, was die sich vorstellen. (Ins Telefon) Hier ist Abraham Rabenthal. Herr Caspary, ich bin beim Drehen in Italien. Hat es diesmal geklappt mit meinem Antrag? CASPARY (off): Leider, leider nein. Sie wissen, dass ich Ihre Arbeit schätze, Herr Rabenthal. ABRAHAM: Dann bin ich ruiniert. Danke für die schnelle Auskunft. Auf Wiedersehen. ABRAHAM ist tief erschüttert und dem Weinen nahe. NIKE auch. Das Filmteam hat alles mitgekriegt und ist still geworden. NIKE umarmt ABRAHAM. NIKE: Papa, wir schaffen das schon. Auch wenn die uns kein Geld geben. „Ins Blaue“ wird ein wunderbarer Film und wenn er ins Kino kommt, wirst du richtig reich. Wir kriegen in Cannes die „Goldene Palme“. Die Kritiker in Frankreich werden jubeln und die deutschen dann schließlich auch. Wir machen das Kino des 21. Jahrhunderts! Das habe ich dir schon so oft erklärt.

30.
Eine kleine Straße im Küstenhinterland. Der blaue VW-Bus steht in einer idyllischen Landschaft. Zypressen und Pinien. Daneben das Zelt. Wieder hat das Filmteam zwei riesige Butterflies und drei Kameras aufgebaut. NIKE filmt, wie EVA, JOSEPHINE und LAURA ihr Zelt abbauen und das Zelt und ihr Gepäck im Bus verstauen. Dann steigen alle drei in den Bus.

31.
Im VW-Bus. EVA setzt sich ans Steuer und startet den Motor. Der Wagen startet nicht. EVA: Das hat uns gerade noch gefehlt. LAURA: Vielleicht musst du ihn erstmal ein bisschen streicheln. Auch technische Geräte wollen geliebt werden. Ich mach das mit meinem Computer, wenn er nicht so will, wie ich will. EVA schaut LAURA verwundert an. EVA: Meinst du wirklich, dass sowas hilft. Sie streichelt das Armaturenbrett. EVA: Liebes gutes altes Auto, lass uns bitte nicht im Stich. Wir sind drei Mädchen und wollen, dass du uns noch ganz, ganz weit fährst - wenigtens noch fünftausend Kilometer. Dann kannst du ruhig schlappmachen. Sie wartet noch einen Moment, als ob sie auf eine Antwort des Autos warten würde und startet nocheinmal. Der Motor macht keinen Mucks. JOSEPHINE: Mach mal die Haube vom Motorraum auf!

32.
JOSEPHINE öffnet die Haube des Motorraums und schaut sich alles an. JOSEPHINE: Vielleicht ist nur irgendein Kabel locker. Aber welches? LAURA: Wir könnten mal die Zündkerzen rausschrauben und untersuchen. JOSEPHINE: Gute Idee. Wir haben doch Werkzeug dabei. JOSEPHINE holt einen roten Werkzeugkasten aus dem Wagenraum. EVA: Verstehst du denn wirklich was von Autos? JOSEPHINE: Mehr als du. Wir sind doch keine Kuschelmädchen, sondern moderne Frauen, die sich zu helfen wissen.

33.
Eine Stunde später. JOSEPHINE, EVA und LAURA sind ölverschmiert JOSEPHINE: Ich kapituliere. Ich weiß nicht mehr weiter. Alle drei setzen sich neben dem toten VW-Bus erschöpft ins Gras. EVA: Eine von uns muss sich auf die Straße stellen und das erstbeste Auto anhalten. (zu LAURA) Am besten du. Auf hilflose junge Mädchen reagieren Männer am stärksten. Je jünger desto besser. Wir müssen dich nur noch mehr mit Öl verschmieren, damit es richtig tragisch aussieht.

34.
LAURA steht über und über ölverschmiert auf der kleinen Landstraße und wartet ergeben auf ein vorbeifahrendes Auto. Kein Auto weit und breit. Sie betet leise vor sich hin: Lieber, lieber Gott, bitte, bitte lass ein Auto kommen! NIKE: Cut. Danke Laura. Das war richtig gut! Jetzt kann der Mönch kommen. Jetzt wird es Abend. Wir drehen morgen hier weiter.

35.
Im Hotelzimmer von ABRAHAM. ABRAHAM sitzt am Computer. Vor sich die Filmkalkulation. An seiner Tür klopft jemand. ABRAHAM: Ja, bitte. NIKE kommt herein. NIKE: Abra ich hab die Idee. ABRAHAM: Was für eine Idee? NIKE küsst ihn erstmal. NIKE: Du sagst sofort Herbert Beier, der den Fischer spielen sollte ab und auch dem Johannes. Paul übernimmt die Rolle des Fischers und du selbst die Rolle von Johannes. Dann sparen wir fünfzigtausend Euro. Was sagst du dazu? ABRAHAM: Nike, du bist verrückt! Das mit dem Fischer kann ja mit viel Maske noch funktionieren. Aber ich kann mir keine drei Sätze mehr merken. Ich hab schon Schwierigkeiten, mich an die Namen deines Teams zu erinnern. Ich bin ein trauriger alter Mann, und spielen kann ich überhaupt nicht. Ich versaue dir deinen ganzen Film. (Pause) Außerdem auch meinen Film. ABRAHAM steht auf. NIKE umarmt ihn. NIKE: Bitte sag ja. Ich improvisiere doch. Da kannst du alles sagen, was dir gerade einfällt. Das hat dir doch bisher immer total gefallen. ABRAHAM: Aber das sind richtige Schauspieler. NIKE: Du bist der beste Schauspieler, den ich in Deutschland kenne.

36.
LAURA steht über und über ölverschmiert an der Straße und wartet auf ein Auto. Ein alter Fiat 500 nähert sich. Sie winkt ihm mit beiden Armen. Der Fiat hält und heraus steigt PAUL im Mönchskostüm. LAURA: Scusi, Signore. La macchina mea kaputt. LAURA deutet auf den VW-Bus, neben dem EVA und JOSEPHINE stehen. LAURA (leise): Den hat der liebe Gott mir geschickt. PAUL: Sie müssen sich nicht die Zunge zerbrechen. Ich spreche deutsch. PAUL gibt LAURA die Hand. PAUL: Ich bin Bruder Franziskus. LAURA: Ich bin Laura.

37.
HD. Lautes Grillenzirpen und eine Flöte. PAUL untersucht sachkundig den Motor des VW-Busses, löst hier ein Kabel und da ein Kabel. EVA steht, wieder ölverschmiert, dicht neben ihm und versucht ihm zu helfen. Sie stoßen dabei manchmal mit den Köpfen zusammen. EVA: Bruder Franziskus, darf ich Sie etwas fragen? PAUL: Fragen Sie mich, was Sie wollen. EVA: Wie kommt es, dass ein Mönch etwas von Autos versteht? Ich dachte immer, Mönche interessieren sich nur für Gott. PAUL: Ich war früher Automechaniker.

38.
HD. JOSEPHINE und LAURA liegen im Gras und dösen vor sich hin.

39.
HD. PAUL: Es ist komplizierter, als ich dachte. Aber wir kriegen das schon hin. PAUL lächelt Eva an. EVA lächelt zurück. PAUL zieht seine Mönchskutte aus. Er trägt darunter ein blaues T-Shirt und Jeans. Er sieht jetzt gar nicht mehr aus wie ein Mönch.

40.
HD. Am Himmel ein paar Wolken. Das Grillengezirpe wird lauter. LAURA fragt JOSEPHINE: Glaubst du, dass man einen Mönch verführen kann? JOSEPHINE schaut zu EVA und PAUL. JOSEPHINE: Die beiden scheinen sich gut zu verstehen. Guck mal! Ein Mönch ist auch nur ein Mann.

41.
HD. Auch EVA trägt jetzt nur noch ein T-Shirt. Es ist dunkelrot. PAUL baut den Zündverteiler wieder ein. EVA hilft ihm dabei, so gut sie kann. EVA: Franziskus - mein Gott, ich kann deinen Namen kaum ausprechen. Der klingt so heilig.

42.
HD. Ein Schwenk über die Landschaft. Man hört wie der Motor des VW-Busses wieder läuft. LAURA und JOSEPHINE klatschen. LAURA (laut): Bravo, Bruder Franziskus.

43.
HD. Die Sonne ist untergegangen. Ein einsamer, weißer Sandstrand. Das Rauschen der Wellen. Das Zelt ist aufgebaut. Um ein Lagerfeuer sitzen EVA, JOSEPHINE, LAURA und PAUL. Sie essen Brot und Käse und trinken Wein. LAURA: Franziskus, wie ist das? Redet der liebe Gott manchmal mir dir, wenn du zu ihm betest? Bei mir tut er das nicht. PAUL: Wie soll ich dir das erklären. Ich habe nicht Theologie studiert. Ich bin nur ein einfacher Automechaniker. LAURA: Aber jetzt bist du auch ein Mönch. EVA: Wie kannst du sowas fragen! PAUL lächelt EVA und dann LAURA an. PAUL: Gott ist Alles. Auch du bist ein Teil von ihm. Wenn du ihn um etwas bittest, ist gleichzeitig in dir die Antwort da. Du musst nur offen dafür sein, sie zu hören.
Die Wellen am Strand sind ruhiger geworden. Das Gezirp der Grillen ist noch lauter geworden. EVA: Ich habe Philosophie studiert. Nietzsche hat geschrieben: Gott ist tot. Ich glaube, dass er recht hat. Ich bin müde und will jetzt schlafen. Franziskus, ich lade dich ein, bei uns im Zelt zu schlafen. (zu JOSEPHINE und LAURA) Habt ihr was dagegen? LAURA: Das ist eine Superidee. PAUL: Ich weiß nicht, ob das wirklich eine gute Idee ist. Ich bin etwas betrunken von eurem Wein. LAURA: Ich möchte mir dir noch ein bisschen länger über Gott reden. Du musst vor uns keine Angst haben. JOSEPHINE: Wir tun dir nichts Böses. Wir sind dir nur dankbar dafür, dass du unser Auto repariert hast. LAURA: Und wir alle finden dich richtig cool.

44.
Der Filmtreck ist wieder unterwegs auf der Autostrada del Sole.

45.
Im Wagen von NIKE. WILHELM sitzt am Steuer. NIKE neben ihm. Hinter ihnen EVA und PAUL. EVA: Ich freue mich schon auf Abrahams Haus. Leider bist du dann weg. PAUL: Wir könnten die Szenen mit mir als Fischer ja auch da unten drehen. EVA: Nike, hast du das gehört? NIKE: Ich will auf jeden Fall wenigstens eine Szene in Rom drehen. WILHELM: Rom ist noch schlimmer als Berlin. Da gibt es um diese Zeit nur Touristen. Außerdem haben wir keine Drehgenehmigung. NIKE: Wir können doch so tun, als seien wir auch Touristen und mit meiner kleinen Digicam drehen. Und dann will ich nach Pompei. Da hat Roberto Rossellini „Viaggio in Italia“ gedreht. Und auf den Vesuv will ich auch. Dann haben wir auch einen Vulkan im Film. Vielleicht haben wir Glück und bricht sogar ein bisschen aus, wenn wir drehen. WILHELM: Du bist verrückt. NIKE: Das weißt du doch. EVA: Ich steige auf jeden Fall nicht auf einen Vulkan. Ich möchte hundert Jahre alt werden. Und Kinder kriegen. Und Großmutter werden. PAUL: Ich finde das eine tolle Idee. (zu EVA) Und ich halte deine Hand, wenn wir da raufsteigen. Ich könnte doch als Mönch noch dabei sein. Ein Mönch der in Rom Urlaub macht, statt zurück in sein Kloster zu gehen.

46.
HD. In Rom. PAUL trägt wieder seine Mönchskutte. Er zeigt EVA, JOSEPHINE und LAURA das Forum Romanum. PAUL: Diese Mauerreste sind über zweitausend Jahre alt. Hier war Cäsar. (zu EVA) Du hast Philosophie studiert. Du kennst dich da bestimmt besser aus. EVA schüttelt den Kopf: In Geschichte bin ich nicht so gut. Außerdem hatte ich mich, als es um Rom ging, gerade frisch verliebt. Da sind ganz andere Sachen in meinem Kopf rumgegangen. LAURA: Ich will mich jetzt verlieben. JOSEPHINE: Ich auch. LAURA: Können wir nicht in eine Disco gehen. Ich möchte in Italien tanzen.

47.
NIKE filmt, wie PAUL als Mönch die drei Mädchen durch das untergegangene Pompei führt. Sie filmen mit kleinem Team und nur einer Kamera. NIKE: Ihr müsst beeindruckt sein und zu allem, was ihr seht, was sagen. Das ist jetzt total dokumentarisch. Alles was nicht so gut ist, schneide ich weg. Ich finde auch, dass die Liebesgeschichte zwischen Paul und Eva noch ein bisschen ausgebaut werden müsste. Ton ab. Action! PAUL nimmt die Hand von EVA und zeigt ihr ein von der Lava überraschtes Liebespaar. EVA: Mir ist das unheimlich. Ich will das nicht sehen. Ich fürchte mich vor der Ewigkeit. NIKE unterbricht: Danke. Cut. Laura du musst auch was sagen. Wir drehen sofort weiter. Eva sag das gleich nochmal. Das war schön. Ton ab. Action. EVA: Mir ist das unheimlich. Ich will das nicht sehen. Ich fürchte mich vor der Ewigkeit. LAURA: Was soll ich darauf sagen? Mir fällt überhaupt nichts ein. NIKE: Streng dich an! LAURA schaut EVA an, nachdem sie ihren Satz wiederholt hat und sagt dann: Mir macht das nichts aus. Ich fände das toll, einen Mann zu lieben und dann von einem Vulkanausbruch überrascht zu werden.

48.
HD. PAUL, EVA, JOSEPHINE und LAURA ersteigen den Vesuv. PAUL im Mönchskostüm hält EVA an der Hand. EVA: Ich habe Angst. PAUL: Du musst keine Angst haben, denn Gott ist bei uns. PAUL drückt EVAS Hand etwas fester. EVA: Du bist bei uns. Aber du bist kein Gott, sondern nur ein kleiner Mönch, der früher Automechaniker war. Ich sehe keinen Gott. Dann schreit sie, laut und hysterisch: Gott, wo bist du? Melde dich!

49.
Das Filmteam, das diese Szene gerade gefilmt hat. NIKE: Danke Eva, das war richtig toll. NIKE geht zu EVA und umarmt sie. NIKE(zum Filmteam): Das wird nicht wiederholt. Das war wunderbar.

50.
HD. Flöte und Grillengezirp und untergründig das Grumpeln der Lava. PAUL, EVA, JOSEPHINE und LAURA stehen vor dem Krater. Vor ihnen brodelt die glühende Lava. PAUL: Ist das nicht unglaublich. Wir sehen in das Innerste der Erde. EVA: Ich möchte am liebsten nicht hinschauen. Mir ist das unheimlich. LAURA: Ich finde das toll. Wenn ich einmal keine Lust habe, weiterzuleben, fahre ich hier hin und stürze mich in den Krater. Dann bin ich ruckzuck tot und es tut nicht lange weh. JOSEPHINE: Meinst du das im Ernst? LAURA: Klar. JOSEPHINE: Ich denke nie an den Tod. LAURA: Ich immer. Ein Schwenk über die Kraterlandschaft des Vesuvs.

51.
HD. Der blaue VW-Bus fährt über schwindelerregende hohe Autobahnbrücken, gefolgt vom Fiat 500, weiter Richtung Süden. Mehrere Totalen.

52.
HD. Ein kleiner Parkplatz an der Autobahn. PAUL ist gerade angekommen. Die drei Mädchen haben auf ihn gewartet. PAUL steigt mit einer Plastiktüte in der Hand aus und geht zu den Mädchen. EVA: Wo warst du? PAUL: Ich musste tanken. EVA: Du hättest uns Bescheid geben sollen. PAUL: Wie? LAURA: Hast du kein Handy? PAUL: Nein. Ich bin ein Mönch. Mit Gott kann man nicht telefonieren. Ich habe euch etwas mitgebracht. Er gibt jedem der Mädchen ein Eis. Er macht das ziemlich feierlich, so wie Jesus, der das Brot bricht und an seine Jünger verteilt. PAUL: Kann mir eine von euch, ein Handy leihen? Ich denke, ich sollte meinen Abt informieren, dass ich erst in drei Wochen wieder ins Kloster zurückkomme. Sonst schmeißen die mich raus. EVA: Du kannst mein Handy nehmen. EVA holt ihr Handy aus dem VW-Bus und gibt es PAUL. EVA: Aber bitte sprech nicht so lange. Gespräche im Ausland sind schweineteuer.

53.
Derselbe Parkplatz an der Autobahn. Drei Kameras sind auf EVA, JOSEPHINE und LAURA gerichtet. NIKE sitzt hinter ihren Monitoren. NIKE: Jetzt musst du deinen Abt anrufen. PAUL: Ich kann kein italienisch. Wie stellst du dir das vor? Außerdem weiß ich nicht, wie man einen Abt anredet. NIKE: Lieber Paul, du bist doch ein professioneller Schauspieler und hast Phantasie. Du nimmst Evas Handy und gehst damit zurück in deinen Fiat, denn die Telefonnummer deines Klosters weißt du natürlich nicht auswendig. Im Auto wählst du die Nummer und dann redest du. Wir müssen ja nicht hören, was du sagst. Wir sehen im Film nur, dass du mit deinem Abt redest. Du kannst irgendwas sagen und musst mit den Händen dabei gestikulieren, so wie das richtige Italiener im Leben machen.

54.
HD. PAUL sitzt in seinem Fiat und telefoniert. Er sagt etwas und unterstreicht das, was er sagt mit seiner freien Hand. Dann hört er zu, was der Abt zu ihm sagt. Er spricht weiter, gestikuliert wieder, macht sein Anliegen noch etwas dringender und hört wieder zu. Dann fängt er an zu strahlen, verneigt sich vor seinem imaginären Abt. Dann steigt er aus, geht zu EVA und gibt ihr das Handy zurück. PAUL: Mein Abt hat mir vier Wochen freigegeben. Ich darf bei euch bleiben. Ist das nicht schön? LAURA: Was hast du ihm erzählt? JOSEPHINE: Das würde mich auch interessieren! Hast du ihm die Wahrheit gesagt oder hast du ihn angelogen? Dann kommst du in die Hölle. PAUL: Ich habe ihm gesagt, dass ich drei junge Frauen aus Deutschland getroffen habe, die eine Italienreise machen und auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, also letzten Endes auf der Suche nach Gott sind. Und dass ich dabei so etwas ähnliches wie ein Missionar bin. Das ist doch nicht richtig gelogen? EVA: Du bist ein richtig toller Mönch! Ich liebe dich. Wenn wir in Abrahams Haus angekommen sind, gehe ich mit dir in eine Kirche.

55,
Immer noch der Parkplatz an der Autobahn. NIKE (zu EVA): Den letzten Satz schneide ich weg, denn im Film weißt du ja noch gar nicht, wo eure Reise endet. Und der Philosoph, den ihr da unten kennenlernt, heißt auch nicht Abraham, sondern Thomas Wittgenstein. EVA: Hättest du mir ein richtiges Drehbuch gegeben, nicht so eine verworrene „Skizze eines Filmprojekts - eine neue Art Drehbuch“ hätte ich das nicht gesagt. Aber sonst war es doch okay? NIKE: Dein „ich liebe dich“ war super. Hat mir total gefallen.

56.
Der gesamte Filmtreck fährt weiter auf der Autostrada. Totale.

57.
Ein Restaurant in einem kleinen Städtchen an der Küste. Es ist Abend geworden. NIKE und ABRAHAM essen allein. ABRAHAM: Nike, ich weiß, dass du das irgendwie hinkriegst, aber ich habe Angst. Ich lese schon im Internet alles, was man da über Philosophen lesen kann und versuche mir Sachen, die ich sagen könnte, auszudenken. Das klingt alles künstlich. NIKE: Abra, du siehst das falsch. Philosophen sind auch ganz normale Menschen. Die schreiben tolle Sachen. Aber im Leben sind sie genau so wie du und ich. Sie haben Hunger, trinken gerne, wie du, Rotwein. Sie verlieben sich. Sie sind traurig, wenn die Liebe zuende gegangen ist und sie haben Angst vor dem Tod. Deshalb philosophieren sie. ABRAHAM: Du bist ein kluges Mädchen. Von wem hast du das bloss. Von mir nicht. Von deiner Mutter vielleicht? NIKE: Das ist mir absolut egal. Du bist mein Papa. Und jetzt machen wir zusammen einen Film. Nur das ist wichtig. NIKE nimmt ihr Weinglas: Auf dein Wohl. Sie stoßen an. ABRAHAM: Auf deinen Film. NIKE: Der Rotwein hier ist super.

58.
Abend. EVA und PAUL schlendern Hand in Hand durch die belebten Straßen. Ein Schmuckgeschäft. EVA schaut sich neugierig große Ohrringe an. EVA hält sich einen davon an ihr Ohr. EVA: Findest du, dass mir die stehen? Ich finde sie wunderschön. PAUL: Du siehst damit richtig südländisch aus. Ich schenke sie dir. EVA küsst PAUL. EVA: Danke, Paul.

59.
Nacht. NIKE und ABRAHAM kommen zurück in ihr Hotel. Das gesamte Filmteam isst und trinkt auf der großen Hotelterrasse. NIKE: Ihr sollt nicht soviel Wein trinken. WILHELM: Morgen ist drehfrei! WILHELM hebt sein Glas: Auf dein Wohl! Nachher gehen wir alle in eine Disco. Kommst du mit? NIKE: Ich setze mich lieber an meinen Computer und schneide ein bisschen. Außerdem bin ich todmüde.

60.
In LAURAS Hotelzimmer. LAURA steht unter der Dusche. Es klopft an der Tür. ABRAHAM kommt in LAURAS Zimmer. ABRAHAM: Hallo! Er hört die Dusche und geht ins Badezimmer. LAURA stellt die Dusche ab und wickelt sich in ein Handtuch. LAURA: Du kannst nicht einfach so zu mir reinkommen. Ich will nicht, dass du mich so nackt siehst. ABRAHAM: Ich seh dich doch dauernd nackt in Nikes Film. LAURA: Das ist etwas anderes. ABRAHAM: Darf ich nachher zu dir kommen? LAURA: Nein. Ich will heute allein schlafen. ABRAHAM: Na schön, dann gehe ich wieder. LAURA umarmt ihn. LAURA: Sei nicht böse. Mir geht es heute nicht so gut. Ich habe meine Tage. ABRAHAM: Ich wollte nur ein bisschen kuscheln vor dem Einschlafen. LAURA: Mir ist auch nicht nach Kuscheln. Außerdem wissen wir beide, wohin das führt. Gute Nacht Abraham. Schlaf gut. Du kannst ja von mir träumen. LAURA küsst ABRAHAM.

61.
In einer Disco. WILHELM und JOSEPHINE tanzen intensiv miteinander. EVA steht neben PAUL. EVA: Ich will auch tanzen. Wenn du keine Lust hast, tanze ich allein. PAUL: Bist du verrückt. Dann kommt irgendein Italiener und schleppt dich ab. EVA: Glaubst du, dass ich mich so einfach abschleppen lasse? PAUL: Ich bin nicht gerade der tollste Tänzer. EVA: Das macht nichts. Ich zeige dir, wie es geht. EVA und PAUL tanzen.

62.
Am nächsten Morgen. NIKES Hotelzimmer. NIKE wird durch die Sonnenstrahlen geweckt. Sie steht auf, geht unter die Dusche, wickelt sich ein Handtuch um und putzt sich die Zähne.

63.
Hotelterrasse. NIKE setzt sich an einen Tisch. Die KELLNERIN kommt zu ihr. NIKE: Un cappucino per favore. LUCAS (28), der Tonmeister, kommt dazu. LUCAS: Darf ich mich zu dir setzen. NIKE: Klar. Wo sind die anderen? LUCAS: Die schlafen ihren Rausch aus. NIKE: Und wieso bist du dann schon hier? LUCAS: Ich trinke keinen Alkohol. NIKE: Der Wein hier schmeckt total lecker. Du solltest ihn mal probieren. LUCAS: Ich weiß, wie gut Wein schmecken kann. Ich bin Alkoholiker. Ich wollte unseren freien Tag nutzen und Atmos machen. Ohne Filmteam. NIKE: Darf ich mit dir kommen? Ich könnte ja das Mikro halten.

64.
Im Hotelzimmer von EVA. PAUL und EVA liegen engumschlungen im Bett. EVA wacht auf und löst sich vorsichtig aus der Umarmung. PAUL wacht davon auf. EVA: Was machst du denn hier in meinem Bett? PAUL: Wir haben miteinander geschlafen. Wieso weißt du das nicht mehr? EVA: Bist du da ganz sicher? PAUL: Total sicher. Du warst so laut, dass ich Angst hatte, das ganze Hotel wacht auf. EVA: Jetzt musst du aber in dein Zimmer gehen. EVA küsst PAUL ziemlich intensiv. EVA: Jetzt geh aber weg. Ich will noch weiterschlafen. PAUL: Sehen wir uns zum Frühstück? EVA: Weiß ich noch nicht. Raus hier!

65.
Im Hotelzimmer von JOSEPHINE. WILHELM, der neben ihr liegt wacht auf und zieht sich an. JOSEPHINE schläft weiter.

66.
NIKE und LUCAS stehen am Meer und machen Tonaufnahmen. Als sie fertig sind, setzen sich beide in den Sand. LUCAS: Es macht Spaß, mit dir zu arbeiten. Wir sollten das an allen drehfreien Tagen zusammen machen. NIKE: Du bist ein verrückter Typ. Der Tonmeister bei Godard war auch so. Der hat nachts nicht geschlafen und Töne aufgenommen. Das war ein Wahnsinniger. LUCAS: Ich habe nicht so viele Filme gesehen wie du. Ich hab beim Fernsehen gearbeitet und hatte meistens keine Zeit ins Kino zu gehen. NIKE: Ich finde dich sehr, sehr nett. LUCAS: Ich dich auch. Jetzt fahren wir in die Berge. Kommst du mit?

67.
Ein kleines Dorf auf der Spitze eines Bergs. Alle Häuser sind aneinander gebaut (Totale). LUCAS und NIKE steigen aus ihrem Wagen aus. NIKE: Ich hab jetzt Hunger und muss sofort was essen, sonst sterbe ich. Ich lade dich ein. Aber du musst mit mir ein Glas Wein trinken. LUCAS: Du bist Schuld, wenn ich einen Rückfall habe. NIKE: Von einem Glas? Das glaube ich dir nicht. LUCAS: Für dich mache ich alles.

68.
Der Wagen von ABRAHAM hält vor ABRAHAMS Haus in Kalabrien. ABRAHAM (zu MARIA): Du fährst den Wagen am besten in die Garage. ABRAHAM steigt aus, holt aus einem Alukoffer einen Schlüsselbund und öffnet das Tor zur Garage. ABRAHAM: Wenn die anderen kommen, müssen sie auf der Straße parken. Nur der Licht-LKW und der Kamerabus dürfen hier in der Einfahrt parken und ausladen. Dann müssen die auch weg. Denn NIKE will zuerst filmen, wie ich die drei Mädchen zu meinem Haus bringe. Noch ist alles unberührt und sauber. ABRAHAM schließt die Türe zu seinem Haus auf.

69.
Ein kleines Zimmer mit Schreibtisch, Computer Fotokopierer und Telefon. ABRAHAM und MARIA kommen rein. ABRAHAM: Das ist jetzt auch dein Arbeitszimmer. Hier hast du alles, was du während der Dreharbeiten brauchst. Ich hoffe, das Telefon funktioniert. ABRAHAM hebt den Hörer ab. ABRAHAM: Es geht. Das Internet ist hier etwas langsam. Du musst dich mit einem Modem einwählen. Das dauert. Nur Nike darf hier rein und vielleicht noch ihr Regieassistent. Wie heißt der nochmal? MARIA: Wilhelm. ABRAHAM: Für alle anderen ist dieses Zimmer tabu.

70.
MARIA steht auf der Straße vor ABRAHAMS Haus und wartet auf das Filmteam.

71.
ABRAHAM wässert mit einem Gartenschlauch alle seine Pflanzen. ABRAHAM spricht mit ihnen: Ihr Armen seid halb verdurstet. Salvatore hat euch nicht gut versorgt. Bald ziehe ich ganz hierher, dann kriegt ihr wieder täglich Wasser.

72.
HD. ABRAHAMS Haus umgeben von Palmen, Pinien und vielen Kakteen. Im Hintergrund das Meer (Totale). Der blaue VW-Bus fährt in die Einfahrt. ABRAHAM steigt aus. ABRAHAM sieht aus wie ein heiliger Mann aus Indien. ABRAHAM: Hier lebe ich. EVA, JOSEPHINE und LAURA steigen jetzt auch aus. LAURA, deren rechter Fuß mit einem dicken Verband umwickelt ist, humpelt. LAURA: Wow! Hier könnte ich für immer bleiben. Es ist traumhaft schön. ABRAHAM: Ich habe ganz vergessen, mich euch vorzustellen. Ich bin Herbert Wittgenstein, der Sohn des berühmten Philosophen. ABRAHAM schließt die Türe zu seinem Haus auf. ABRAHAM: Kommt rein. Macht es euch bequem! Ich kümmere mich erstmal um Lauras Fuß.

73.
HD. In der Küche von ABRAHAMS Haus. LAURA sitzt auf einem Stuhl und hat ihren rechten Fuß auf einen anderen Stuhl gelegt. ABRAHAM wickelt behutsam den blutigen Verband ab und untersucht die Wunde. ABRAHAM: Die Wunde hat schon aufgehört zu bluten. Es ist ein glatter Schnitt. Ich tue da jetzt Betaisadonna-Salbe drauf, damit die Wunde sich nicht entzündet. Das tut nicht weh. LAURA: Herr Wittgenstein, sind Sie ein Doktor? ABRAHAM nimmt vorsichtig LAURAS Fuß in die Hand und streicht fast zärtlich eine dicke Schicht braune Salbe auf die Schnittwunde. ABRAHAM: Doktor bin ich schon, aber kein Arzt. Nur Doktor für Philosophie. Wenn ich als Student gewusst hätte, dass ich einmal ihre Wunde versorgen müsste, hätte ich Medizin studiert. ABRAHAM lächelt LAURA verwegen an. LAURA: Wow. Dann müssen Sie sich mit Eva unterhalten. Die studiert Philosophie. Aber passen Sie auf, die ist gefährlich und verliebt sich ruckzuck in Sie.
74.
HD. Wohnzimmer von ABRAHAMS Haus. An den Wänden Regale mit vielen Büchern. EVA öffnet die Tür zur Terrasse. JOSEPHINE schaut sich die Bücher an. Ein paar Buchtitel. Bücher von Kant, Hegel und Heidegger und ein paar Bände auf denen der Name Wittgenstein steht. JOSEPHINE geht raus auf die Terrasse. JOSEPHINE: Der Typ interessiert sich für Philosophie. Lauter philosophische Bücher stehen bei ihm im Regal.

75.
HD. Küche. ABRAHAM legt gekonnt einen neuen Verband an. ABRAHAM: Ich würde mich lieber in Sie verlieben. Dann spricht er in die Kamera: Nike, ist das nicht zuviel? Ich weiß nicht mehr weiter. NIKE: Die Kameras laufen weiter. Lass dir irgendwas Verrücktes einfallen. ABRAHAM befestigt den Verband mit einem breiten Streifen Leukoplast. ABRAHAM: Sie haben wunderschöne Füße. Am liebsten möchte ich sie küssen. LAURA: Dann tun Sie‘s doch. ABRAHAM küsst LAURAS Fuß. ABRAHAM: Ich habe noch nie einer Frau die Füße geküsst. LAURA: Haben Sie keine Frau, Dottore Wittgenstein?

76.
Küche. NIKE: Danke. Cut. Abra, das war super. Ich wusste gar nicht, dass du so gut flirten kannst. LUCAS: Können wir das nochmal drehen. Irgendwas stimmt nicht bei dem letzten Take mit dem Ton. NIKE: Bist du wahnsinnig. Ich bringe dich um. So eine tolle Szene kriegen wir nicht so schnell wieder hin. ABRAHAM: Ich könnte das bestimmt nochmal drehen. NIKE (zum Filmteam): Wir machen eine Pause bis Lucas herausgefunden hat, was mit seinem Gerät los ist.

77.
Ein kleines Zimmer in ABRAHAMS Haus, in das sich LUCAS zurückgezogen hat. NIKE kommt zu ihm. LUCAS und NIKE hören gemeinsam den Ton ab. NIKE: Das können wir nicht nehmen. Was hast du gemacht? LUCAS: Ich habe den Ton abgeschaltet, weil Abraham die Aufnahme abgebrochen hat. Und dann, weil du weiterdrehen wolltest, habe ich ihn wieder eingeschaltet. Sonst habe ich nichts gemacht. NIKE: Du riechst nach Alkohol. Hast du wieder angefangen zu trinken? Ich glaub das nicht. LUCAS: Tut mir leid Nike. Ich hatte dich gewarnt.

78.
Terrasse von ABRAHAMS Haus. Das gesamte Filmteam hängt herum. NIKE kommt dazu. NIKE: Es scheint etwas länger zu dauern, entspannt euch. NIKE geht zu ABRAHAM, der mit LAURA in einer Hängematte sitzt. NIKE: Abra, was soll ich machen? Ich fürchte der Recorder von Lucas ist kaputt. ABRAHAM: Mir ist das auch schon passiert. Ich hasse diese modernen Dinger. Wir haben früher immer mit einer Nagra den Ton aufgenommen. Da ist sowas nicht passiert. Da ist dann manchmal das Pilottonkabel ausgefallen, wenn einer darüber gestolpert ist. Aber das hat mein Tonmann immer schnell repariert. NIKE: Aber wir haben keine Nagra, sondern das modernste digitale Tonaufnahmegerät. Ich möchte am liebsten weinen. ABRAHAM steht aus der Hängematte auf, nimmt NIKE an der Hand. ABRAHAM: Komm mit! Es gibt beim Drehen Schlimmeres.

79.
ABRAHAMS Arbeitszimmer. MARIA sitzt am Computer und sucht mit GoogleEarth die Küste von Kalabrien nach potentiellen neuen Drehorten ab. ABRAHAM und NIKE kommen in das Zimmer. ABRAHAM: Maria, kannst du bitte die schnellstmögliche Flugverbindung zwischen Bari und Berlin raussuchen. (zu NIKE) Wir schicken ihn mit diesem Ding zurück nach Berlin. Wenn du willst, kann er dann gleich dableiben. Und ein anderer Tonmann kommt mit einem neuen Gerät zurück. NIKE: Du bist brutal. Ich kann Lucas doch nicht einfach so rausschmeißen. (Pause). Das geht nicht. NIKE setzt sich auf einen Stuhl und fängt an zu weinen. MARIA: In zwei Stunden geht eine Maschine nach Rom. Von da gibt es einen Direktflug. ABRAHAM hebt NIKE hoch als sei sie ein Kind, setzt sich auf ihren Stuhl und nimmt sie auf seinen Schoß. ABRAHAM (leise): Wieso geht das nicht? Ist irgendwas zwischen euch? NIKE: Nein. Wie kommst du auf die Idee? ABRAHAM: Ich bin zwar alt, aber nicht blind. Es klopft an der Tür. ABRAHAM: Herein. LUCAS kommt ins Zimmer. LUCAS: Der Recorder funktioniert nicht mehr richtig. Wir brauchen einen neuen. ABRAHAM: Lieber Lucas, du fliegst sofort nach Berlin. Maria bucht gerade deinen Flug. Die Maschine geht in zwei Stunden. Ob du wieder zurückkommen kannst, werde ich gleich mit Nike klären. Vielleicht packst Du am besten schon mal deinen Koffer. MARIA bringt dich zum Flughafen.

80.
Es ist Abend geworden. Ein großer weißer Sandstrand in Kalabrien. FRANZ und FRITZ schleppen von überall Treibholz zusammen und machen ein Lagerfeuer. Ein Teil des Filmteams schwimmt im Meer. PAUL und EVA liegen auf einem großen Badetuch. PAUL ist unrasiert. EVA: Was erzählst du deiner Freundin, wenn wir zurückkommen? PAUL: Nichts. Was hast du gedacht? EVA: Ich habe mich in dich verliebt. Ich hab nie gedacht, dass mir sowas mal passieren könnte. PAUL (lächelt stolz): Über die Risiken und Nebenwirkungen des Filmdrehens fragen sie am besten ihren Arzt oder Apotheker. EVA lacht: Du bist ein dummes Arschloch. Aber ich liebe dich trotzdem. PAUL küsst EVA. Aber Männer mit Dreitagebart mag ich überhaupt nicht. PAUL: Nike wollte, dass ich mich nicht mehr rasiere. Wenn ich den Fischer spiele, darfst du nicht eifersüchtig werden. Denn da verliebe ich mich in Josephine. EVA: Das gefällt dir. Zwei Frauen gleichzeitig. Du bist ein totaler Macho.

81.
Im Büro von ABRAHAM. NIKE berät mit WILHELM, was sie machen können. NIKE: Wir drehen ohne Ton Bilder von der Landschaft hier. Ganz viele kurze Einstellungen. Die Atmos dazu kann Lucas später aufnehmen. WILHELM: Du hast dich in Lucas verliebt. Sonst hättest du ihn rausgeschmissen. NIKE: Vielleicht. Ein bisschen. WILHELM: Ich erzähle es niemand. Ich schwöre es dir. (Pause) Hast du mit ihm geschlafen?

82.
Am nächsten Morgen. NIKE, WILHELM, FRANZ und FRITZ fahren auf der Küstenstraße. NIKE (zu WILHELM): Fahr nochmal zurück. Da war ein Weg in die Berge. Mein Vater hat mir von einer Höhle erzählt. Vielleicht finden wir die. WILHELM wendet den Wagen. NIKE: Er hat dort, als er an der Filmhochschule war, den „Mann ohne Eigenschaften“ gelesen.

83.
NIKE, WILHELM, FRANZ und FRITZ suchen im Gebüsch nach der Höhle. NIKE: Er hat sie später nie wieder gefunden.

84.
In ABRAHAMS Haus. ABRAHAM zeigt LAURA sein Haus. ABRAHAM: Wenn ich keine Filme mehr drehen kann, ziehe ich ganz hierher. Du könntest immer herkommen und, wenn du nicht drehst, bei mir sein. LAURA: Du träumst. Mehr sage ich dazu nicht. ABRAHAM: Träume können Wirklichkeit werden. Alle meine Filme sind realisierte Träume. LAURA: Es sind deine Träume, nicht meine. ABRAHAM: Ich würde dich heiraten. Und wenn ich sterbe, gehört alles dir und natürlich auch Nike.

85.
NIKE entdeckt ABRAHAMS Höhle. NIKE: Ich hab sie gefunden! WILHELM, FRANZ und FRITZ kommen zu ihr und alle betreten die Höhle. FRANZ: Auf jeden Fall ist es schön kühl hier. FRITZ: Mit dem Licht wird es schwierig. FRANZ: Mit unserem LKW kommen wir hier nicht hin. NIKE: Aber ich will hier drehen. Das ist ein magischer Platz. Der Fischer könnte Josephine die Höhle zeigen und da mit ihr schlafen. WILHELM: Wenn ich ein Fischer wäre und mit Josephine schlafen wollte, würde ich das auf meinem Boot machen. NIKE: Da sehen ihn aber die anderen Fischer. Ich denke nicht, dass er das machen würde. In ein Hotel gehen, würde er auch nicht. WILHELM: Er könnte mit ihr auch am Strand schlafen. NIKE: Du hast keine Phantasie. Stell dir vor, es ist ab Mittag hier glühend heiß. Der Fischer zeigt Josephine seine Höhle, wo er, als er jung war, mit seinen Freundinnen immer hingegangen ist. Damals hatte er sogar eine Matratze in der Höhle, immer etwas zu essen und Wein. Dahin verschleppt er wie ein Vampyr Josephine, die ihn anhimmelt. WILHELM: Hm?

86.
Küche von ABRAHAMS Haus. ABRAHAM mixt einen Drink.

87.
Terrasse von ABRAHAMS Haus. LAURA liegt im Bikini auf einem Liegestuhl. Sie hat die Augen geschlossen und genießt die Sonne. ABRAHAM kommt mit zwei vollen Gläsern, in denen Eiswürfel klimpern, zu ihr. ABRAHAM: Du bist wunderschön. Hier hast du was zu trinken. ABRAHAM setzt sich neben sie auf einen Stuhl. LAURA trinkt einen Schluck. LAURA: Da ist ja jede Menge Wodka drin. Willst du mich verführen? ABRAHAM: Ja. LAURA: Glaubst du im Ernst, dass das bei mir so leicht geht? Wir haben ein Abkommen getroffen, dass ich mit dir schlafe, wenn ich die Rolle in Nikes Film kriege. Ich habe zweimal mit dir geschlafen. Jetzt ist Schluss. Da kannst du machen, was du willst. Ich bin eine Schauspielerin und keine Nutte.

88.
HD: Früher Morgen. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen. Der Sandstrand ist menschenleer. Das Zelt der drei Mädchen ist aufgebaut. Das Meer ist ungewöhnlich ruhig. Ein Schwenk über das Meer. Auf dem Meer mehrere Fischerboote. EVA, JOSEPHINE und LAURA tragen über ihren Bikinis T-Shirts. Vor dem Zelt brennt ein Feuer. In einer Pfanne brät Eva Eier mit Speck. Ein Fischerboot nähert sich mit langsam tuckernden Motor dem Strand. LAURA: Guckt mal. Da will uns einer besuchen.

89.
HD. Das Boot ist inzwischen fast am Strand angekommen. PAUL, mit zerissenem T-Shirt, auf alt geschminkt, grauem Dreitagebart und total verstruppelten Haaren, wirft den Anker aus, nimmt einen Eimer und watet mit dem Eimer in der Hand zum Land.

90.
HD. PAUL geht zum Lagerfeuer der drei Mädchen, holt einen Fisch aus dem Eimer und hält ihn EVA hin. EVA: Wir wollen keinen Fisch kaufen. Nix Fisch. No fish. Capisco? PAUL deutet auf seine Ohren und nickt. Dann macht er seinen Mund auf, deutet mit der anderen Hand in seinen Mund und schüttelt seinen Kopf. JOSEPHINE: Der Fischer hört uns, aber er ist stumm. Er kann nicht sprechen. PAUL gibt EVA den Fisch in die Hand und gibt ihr zu verstehen, dass er ihr den Fisch schenken will. Er holt aus seiner Hosentasche ein Portemonnaie zeigt ihr Geld und schüttelt wieder seinen Kopf. LAURA: Er will uns den Fisch schenken. You give us a present, un présent. Keine Ahnung, was Geschenk auf italienisch heißt. PAUL nickt mit dem Kopf.

91.
HD. Die Sonne ist aufgegangen. PAUL nimmt vier Fische aus. JOSEPHINE holt aus dem VW-Bus einen Grillrost und zeigt ihn PAUL. PAUL freut sich und nickt.

92.
Ein Zimmer in Abrahams Haus. SIMONE hat ihren Schminktisch aufgebaut. Davor sitzt PAUL und wird auf uralt geschminkt. NIKE kommt ins Zimmer und schaut sich PAUL an. NIKE: Das sieht doch schon gut aus, Simone. Du machst das ganz toll. Kein Zuschauer im Kino wird vermuten, dass der Mönch und der Fischer vom selben Schauspieler gespielt werden. PAUL gestikuliert mit beiden Händen, zeigt auf sein Gesicht im Spiegel, zeigt mit zwei Fingern die Dicke der Schminke an und malt ein Fragezeichen in die Luft. PAUL (zu NIKE): Ich muss doch noch lernen, dass ich nicht sprechen kann. NIKE: Du kriegst das schon hin. WILHELM kommt ins Zimmer. LUCAS ist wieder da. Wir können endlich richtig weiterdrehen.

93.
Es ist Mittag. Die Sonne steht hoch am Himmel. Am Strand vor dem Zelt der drei Mädchen liegt noch immer das Fischerboot. Die beiden wiederaufgebauten Butterflies dienen jetzt als Sonnenschutz. Auf dem Rost über dem Feuer brutzeln die vier Fische, die PAUL ausgenommen hat. NIKE hat Kopfhörer aufgesetzt. Sie sitzt unter einem großen Schirm vor ihren Monitoren. NIKE (zu LUCAS), der jetzt neben ihr sitzt: Lucas bist du fertig? LUCAS: Ja. NIKE: Ton ab. LUCAS: Ton läuft. FRITZ schlägt die Klappe. NIKE: Action! PAUL gibt EVA und LAURA zu verstehen, dass die Fische gleich fertig sind. JOSEPHINE kommt vom VW-Bus mit Tellern, Besteck und einer Fünfliterflasche Rotwein.

94.
HD. JOSEPHINE kommt vom VW-Bus mit Tellern, Besteck und einer Fünfliterflasche Rotwein. EVA breitet eine Decke aus. JOSEPHINE legt die Teller auf die Decke. PAUL legt auf jeden Teller einen gebratenen Fisch. Die Wellen sind größer geworden. Das Fischerboot schaukelt in den Wellen. Die anderen Fischerboote sind verschwunden. PAUL setzt sich neben JOSEPHINE in den Sand und beginnt zu essen. JOSEPHINE (zu PAUL): Domani. Sie macht eine Pause und fängt an, wie PAUL zu gestikulieren. Sie zeigt auf sich und dann auf das Boot und macht Bewegungen, als wolle sie ein Fischnetz aus dem Wasser ziehen. Sie deutet dann wieder auf sich. PAUL versteht, was sie sagen will, und lächelt JOSEPHINE erfreut an. LAURA: Ihr beide seid echt ein verrücktes Paar. Keiner von euch kann sprechen. Der Fischer weil er stumm ist, und Josephine, weil sie kein italienisch kann. Ich würde gerne dabei sein, wenn ihr zusammen auf seinem Boot seid und fischt.

95.
NIKE: Danke. Cut. Wir drehen danach sofort die Szene, wo Laura in eine Glasscherbe tritt. Simone, wir brauchen viel Blut. Ich will, dass das total dramatisch aussieht. So als sei Laura von einem Hai gebissen worden. Das Wasser muss sich um ihren Fuß rot färben. Hast du genug Blut? SIMONE: Zwei Liter. Das müsste reichen. Wilhelm, sag bitte meinem Vater Bescheid, dass wir in einer halben Stunde soweit sind.

96.
ABRAHAM kommt im Heiligenkostüm an den Drehort. Er macht ein Gesicht, als sei ihm eine Laus über die Leber gelaufen. NIKE: Was ist los, Abra? Hast du schlecht geschlafen? ABRAHAM: Sag mir, was ich machen soll. Dann mache ich das. NIKE: Bitte, mach ein freundlicheres Gesicht. Das soll doch eine tolle Liebesgeschichte werden. Da kannst du nicht so griesgrämig gucken, wie jetzt. Das passt nicht zu der Szene, die wir schon gedreht haben. Du machst wie jeden Morgen einen Spaziergang am Strand vor deinem Haus voller philosophischer Bücher. Du könntest etwas vor dich hinsingen. Aber das müsste was Philosophisches sein, vielleicht über das Sein und das Nichts. Dann könnte dir plötzlich eine Idee kommen. Etwas, was du noch nie gedacht hast. Du bleibst stehen und fängst an zu lachen. Die Handkamera ist ganz nah bei dir. Und dann hörst Du den lauten Schrei von Laura. Die Mädchen hast du vorher nicht gesehen, weil du so tief in deinen Gedanken versunken warst. ABRAHAM: Wo kriege ich das Verbandszeug her? Ich bin hier ja ohne Auto. NIKE: Sei doch nicht so kompliziert. Das Verbandszeug haben die Mädchen in ihrem VW-Bus. Die bringen es dir. Du ziehst nur deine Sandalen aus, rennst zu LAURA und trägst die blutende Laura zum Strand. LAURA: Ich will nicht, dass Abraham mich trägt. Er kann meine Hand halten, aber ich will alleine durchs Wasser humpeln. NIKE: Nein! Ich will, dass Abraham dich trägt. Was ist los mit dir?

97.
HD. ABRAHAM spaziert am Strand. Tief in Träumen versunken. Er singt nicht vor sich hin. EVA und JOSEPHINE stürzen sich in jede ankommende Welle. LAURA steht im seichten Wasser. JOSEPHINE ruft ihr zu: Die Wellen heute sind toll. Komm doch endlich! LAURA geht vorsichtig ins immer tiefer werdende Meer. ABRAHAM bleibt stehen, eine kleine Ewigkeit. Als bekäme er gerade eine ziemlich lange Botschaft von den Göttern. Oder er hört zu wie bei einem Telefongespräch. LAURA schreit laut auf. LAURA (zu EVA und JOSEPHINE): Ich bin in eine Glasscherbe getreten. Es blutet wie verrückt. ABRAHAM hört den Schrei, zieht seine Schuhe aus und rennt zu LAURA. Das Wasser, da wo LAURA steht, färbt sich rot von LAURAS Blut. ABRAHAM hebt LAURA, als sei sie ein Kind, mit beiden Händen aus dem Wasser und trägt die blutende LAURA zum Strand. JOSEPHINE und EVA kommen dazu. ABRAHAM: Ich komme auch aus Deutschland. Habt ihr Verbandszeug? EVA: Im Auto. JOSEHINE rennt zum VW-Bus. EVA: Das sieht nicht gut aus. Hoffentlich verblutet sie nicht.

98.
LYDIA, die Regisseurin des Making-of-Teams, das auch alles gefilmt hat, ist begeistert. LYDIA (zu NIKE): Das war toll! Hast du was dagegen, wenn ich jetzt ein Interview mit deinem Vater mache. Ihr braucht ja bestimmt noch ziemlich lange bis zur Szene in der Höhle des Fischers. Noch ist alles aufgebaut und ihr macht ja sowieso erstmal Mittagspause.

99.
HD. PAUL, jetzt ohne Bart, hat sein schönstes Hemd angezogen und geht mit JOSEPHINE einen steilen Weg hinauf. JOSEPINE: Wo führst du mich hin? Wieso kannst du nicht sprechen? PAUL versteht nichts. Er macht eine beruhigende Geste. Dann nimmt er JOSEPHINES Hand.

100.
HD: Verborgen im Gestrüpp die Höhle. PAUL geht mit JOSEPHINE hinein.

101.
HD. In der Höhle. PAUL geht mit JOSEPHINE vorsichtig bis ans Ende der Höhle. JOSEPHINE: Was hast du vor? Willst du mich etwa hier vergewaltigen? PAUL, der JOSEPHINES Angst spürt, gibt ihr durch Gesten zu verstehen, dass sie sich auf einen Stein setzen soll. PAUL räumt mehrere Steinbrocken beiseite. Darunter wird eine Metallkassette sichtbar. Er holt sie raus und geht damit zu JOSEPHINE.

102.
HD. In der Höhle. Das Gezirp von Grillen und wieder eine Flöte. PAUL holt einen kleinen Schlüssel aus seiner Tasche und setzt sich neben JOSEPHINE. Er lächelt sie an. JOSEPHINE: Was ist da drin? Ein Schatz? PAUL versteht nicht, was sie sagt. Dann steckt er feierlich den Schlüssel in das Schloss und öffnet die Kassette.

103.
HD. Am Strand liegen EVA und LAURA in der Sonne. LAURA richtet sich auf. Ich halte es in der Sonne nicht mehr aus. Der Philosoph hat mir verboten, ins Wasser zu gehen. Ich gehe ihn jetzt besuchen. Ich muss mich nochmal bei ihm dafür bedanken, dass er mir das Leben gerettet hat. EVA: Das ist eine Scheißreise. Josephine hängt jeden Tag mit ihrem Fischer rum. Ich möchte mal wissen, was sie an ihm so toll findet. Und du haust jetzt auch ab. LAURA: Ich komm ja wieder. Ein Mann, der nicht sprechen kann, ist bestimmt gar nicht so übel.

104.
HD. In der Höhle. PAUL holt aus der Kassette ein Foto. Es ist ein Foto aus der Zeit, als er ganz jung war. Er gibt es JOSEPHINE, deutet auf sich und dann auf das Foto. JOSEPHINE schaut sich das Foto ruhig an, deutet auf das Foto und dann auf PAUL und nickt und macht eine Geste der Bewunderung. PAUL holt ein zweites Foto aus der Kassette und gibt es ihr. Auf dem Foto ist ein schönes junges Mädchen. JOSEPHINE: Hm? Mit Gesten versucht sie ihm verständlich zu machen, dass sie mit dem Foto nichts anfangen kann. PAUL grinst ein bisschen, nimmt ihr das Foto aus der Hand und legt es auf den Boden und steht auf. Dann nimmt er JOSEPHINES Hand und zieht sie sanft hoch. Er deutet nochmal auf das Foto und dann umarmt er JOSEPHINE und küsst sie. Es ist ein sehr kurzer schneller Kuss auf ihre Lippen. Dann setzt er sich wieder, tut das Foto zurück in die Kassette und holt ein drittes Foto heraus und gibt es JOSEPHINE, die sich auch wieder hingesetzt hat. Auf dem Foto ein blondes junges Mädchen. JOSEPHINE: Hm? PAUL stupft sie sanft an, streckt seine Brust raus und zeigt auf seine Brust. JOSEPHINE: Wow!

105.
HD. Vor ABRAHAMS Haus. LAURA kommt humpelnd an der Haustüre an und klopft an die Tür. Nichts rührt sich. Sie schaut, ob es irgendwo eine Klingel gibt. Es gibt keine. Dann geht sie einfach ins Haus.

106.
HD. Im Haus. LAURA: Hallo Dottore, sind Sie da? Niemand antwortet. LAURA öffnet die Tür zu mehreren Zimmern. Das dritte Zimmer ist ABRAHAMS Schlafzimmer. ABRAHAM liegt in seinem Bett und schläft.

107.
HD. In der Höhle. PAUL zeigt JOSEPHINE immer mehr Fotos von immer anderen Frauen. Mit jedem Foto, das er ihr zeigt, wirkt sein Gesicht jünger. Überblendungen zwischen den Fotos und seinem Gesicht.

108.
HD. In ABRAHAMS Schlafzimmer. LAURA berührt sanft ABRAHAMS Gesicht. ABRAHAM wacht auf. LAURA: Hallo Dottore, Sie sind ja ein richtiger Langschläfer. ABRAHAM: Laura, das ist aber eine Überraschung. So möchte ich jeden Morgen geweckt werden. Ich bin ein Nachtmensch. Ich kann nur in der Nacht arbeiten. Du könntest dich ein bisschen zu mir legen. Dann werde ich schneller so richtig wach. LAURA: Wenn Sie meinen. LAURA zieht ihre Flipflops aus und legt sich neben ABRAHAM ins Bett. LAURA: Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Das mache ich nur aus Dankbarkeit.

109.
HD. In der Höhle. PAUL und JOSEPHINE schlafen miteinander. Beide sind nackt. JOSEPHINE sitzt auf PAULS Schoß. JOSEPHINE stöhnt laut. PAUL auch. Sein Stöhnen klingt unterirdisch so wie der Ausbruch eines Vulkans.

110.
In ABRAHAMS Arbeitszimmer. NIKE kommt rein. ABRAHAM sitzt im Bademantel an seinem Schreibtisch und starrt finster vor sich hin. NIKE begrüßt ihn mit einem Kuss. NIKE: Guten Morgen Abra. Heute kommt deine schwierigste Szene. ABRAHAM: Ich mache, was du willst. Ich will nur nicht, dass man meinen Pimmel sieht. NIKE gibt ABRAHAM einen zwei Seiten langen Text. ABRAHAM liest laut: „Die Welt hinter der Welt - ein Versuch das Unsichtbare sichtbar zu machen. Beobachtungen bei den Dreharbeiten meines ersten Spilfilm „Ins Blaue“. NIKE: Du kannst es ja lesen, während wir das Licht aufbauen. Wir nehmen die Szene mit drei Kameras auf, da kann nichts schiefgehen. ABRAHAM: Ich verlange, dass das gesamte Filmteam draußen bleibt. Nur du, die drei Kameraleute und der Tonassi dürfen im Zimmer sein. NIKE: Das hätte ich sowieso gemacht. Diese Szene muss einfach sein, sonst geht mein Konzept nicht auf. ABRAHAM: Hast du schon mit Laura gesprochen? NIKE: Das mache ich jetzt sofort. Sie ist noch in der Maske.

111.
Im Maskenzimmer. SIMONE ist dabei, LAURA drehfertig zu machen. NIKE guckt schnell ins Zimmer. NIKE: Wie lange braucht ihr noch? SIMONE: Eine halbe Stunde. NIKE: Okay. (zu LAURA) Bevor wir drehen, will ich noch mit dir alleine reden. LAURA nickt.

112.
Auf der Terrasse. NIKE und LAURA stehen weit weg vom Filmteam im Garten. LAURA raucht eine Zigarette. NIKE: Alle, die nicht unbedingt dabei sein müssen, bleiben draußen. Du musst keine Angst haben. LAURA: Ich habe aber Angst. Abraham ist zu Allem fähig.

113.
In ABRAHAMS Schlafzimmer. FRANZ und FRITZ sind noch immer mit dem Einleuchten beschäftigt. FRANZ (leise): Ich bin gespannt, wie NIKE das hinkriegt. Vielleicht lässt sie die beiden ja richtig miteinander schlafen. FRITZ: Kann ich mir nicht vorstellen. Abraham ist schließlich ihr Vater. FRANZ misst das Licht mit seinem Belichtungsmesser. FRANZ: Mach noch einen Tüll vor den Zweikawe.

114.
Auf der Terrasse. LAURA: Lass uns mal sachlich reden. Was soll ich machen, wenn dein Vater einen steifen Schwanz kriegt? NIKE: Das glaube ich nicht, der hat viel zu viel Angst vor der Szene. LAURA: Aber wenn es doch passiert? NIKE: Der kennt sich mit solchen Szenen aus. Hat er schließlich selbst oft genug gedreht. LAURA: Ich aber nicht. Ich habe sowas noch nie gemacht. Ich drehe diese Szene nur, weil ich dich mag. LAURA wirft ihre Zigarette auf den Boden. NIKE tritt den noch brennenden Zigarettenstummel aus. NIKE: Du musst vorsichtig sein, sonst steht plötzlich das ganze Haus in Flammen. NIKE umarmt LAURA.

115,
In ABRAHAMS Schlafzimmer. Alle sind drehfertig. ABRAHAM und LAURA liegen im Bett. NIKE: Lucas! Ist alles ok bei dir? LUCAS (off): Ich bin bereit. NIKE (zu LAURA): Du wiederholst noch mal den letzten Satz von gestern: „Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Das mache ich nur aus Dankbarkeit.“ NIKE Sind die Monitore ausgeschaltet? WILHELM (off): Ich schalte sie jetzt aus. NIKE: Ton ab. LUCAS (off): Ton läuft. FRITZ schlägt die Klappe und geht aus dem Zimmer. NIKE (leise): Bitte.
LAURA: Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Das mache ich nur aus Dankbarkeit. ABRAHAM: Sie sind das schönste Mädchen, das mir je begegnet ist! Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Sie etwas näher an mich ranrutschen? Ich bin ein alter Mann und beschäftige mich in meinen Büchern um die Dinge, die wirklich wichtig sind für das Überleben der Menschheit. Ich studiere mein Leben lang das, was die großen Philosophen gesagt und geschrieben haben. Mein Lieblingsphilosoph ist Heraklit. Von dem ist zwar nur ein Satz überliefert: Alles fließt. Um zu verstehen, was er damit gemeint hat, reicht ein Leben nicht aus. Man müsste unsterblich werden. LAURA rutscht etwas näher an ABRAHAM heran. ABRAHAM umarmt und küsst LAURA. ABRAHAM: Wenn ich dich jetzt ausziehen würde, hättest du was dagegen? LAURA: Eigentlich schon. Aber bitte. Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Dottore Wittgenstein. ABRAHAM: Hör doch auf mich zu Siezen. Sag doch Herbert zu mir. Meine Freunde nennen mich Herbie. ABRAHAM zieht LAURA zärtlich aus legt die Bettdecke über ihren Körper und umarmt die nackte LAURA. Er legt ein Bein über über sie und küsst sie sanft auf den Mund. LAURA küsst ihn zurück und sieht ABRAHAM lange in die Augen. LAURA schreit plötzlich laut auf. LAURA: Nein! Scheiße! Cut! Das war nicht verabredet. Nike, ich drehe nicht mehr weiter. Simone, bring mir ein Handuch. Was Abraham hier macht, geht zu weit. Ich fliege morgen zurück nach Berlin.

116.
In ABRAHAMS Garten. NIKE redet auf LAURA ein, die ein großes Badetuch um ihren Körper gewickelt hat. NIKE: Das tut mir leid. Ich hätte nie gedacht, dass mein Vater sowas machen würde. Verstehst du, er ist mein Vater? LAURA: Nike ich muss dir etwas gestehen. Es fällt mir schwer. LAURA zögert. NIKE: Sag es doch! LAURA: Ich habe mit ihm geschlafen, um die Rolle in deinem Film zu kriegen. NIKE: Was? Das glaube ich nicht! Ich habe dich doch für die Rolle besetzt. LAURA: Ich lüge nicht. Frag ihn doch selbst. NIKE: Aber du darfst nicht zurückfliegen. NIKE kniet vor LAURA. NIKE: Ich flehe dich an. Wir müssen noch Szenen mit dir und Eva am Strand drehen. LAURA: Du kannst doch nicht vor mir knien. Was sollen die anderen denken. NIKE: Das ist mir scheißegal. Ich will diesen Film zuende drehen. LAURA zieht NIKE hoch. LAURA: Aber mit Abraham drehe ich keine einzige Szene mehr.

117.
NIKE geht zurück ins Haus. Ihr Filmteam steht ratlos herum. NIKE: Für heute ist Drehschluss. Aber morgen drehen wir weiter. Wo ist mein Vater? WILHELM: Ich hab mir die Szene inzwischen angeschaut. Sie wirkt total echt. Das Ende kannst du leicht wegschneiden. NIKE: Wo ist er? LUCAS: Ich habe gesehen, wie er runter zum Strand gegangen ist.

118.
NIKE geht zum Strand. ABRAHAM schwimmt weit draußen im Meer. NIKE ruft so laut sie kann: Ich muss mit dir reden. Komm zurück! ABRAHAM hört sie nicht. NIKE setzt sich neben seine Kleider in den Sand und plötzlich laufen Tränen über ihr Gesicht.

119.
ABRAHAM schwimmt zurück, kommt aus dem Wasser und trocknet sich ab. Er setzt sich neben NIKE. ABRAHAM: Ich schäme mich unendlich. Ich habe zweimal mit Laura geschlafen, aber jetzt nicht! Dieses kleine Luder hat euch was vorgemacht. Vielleicht wollte sie sich an mir rächen. NIKE trocknet mit ihrem T-Shirt, auf dem in großer blauer Schrift „INS BLAUE“ steht, ihre Tränen und steht auf. NIKE: Abra, ich hasse dich. Ich bin nicht mehr deine Tochter! Ich verfluche dich. Fahr zur Hölle! NIKE geht weg und lässt ABRAHAM allein am Strand sitzen. Nach einer Weile steht ABRAHAM auf, zieht sich wieder an und geht langsam am Wasser entlang. Abblende.

120.
Aufblende. Es ist Abend geworden. Die Sonne verschwindet hinter den Bergen. Das Filmteam sitzt in einem Restaurant am Strand. NIKE, WILHELM und LUCAS sitzen an einem Tisch. LUCAS: Nike, du musst was essen. NIKE: Mir ist der Appetit vergangen. (zu WILHELM) Ich finde es Scheiße, dass du dir die Szene allein angeschaut hast. WILHELM: Sorry, Nike. Was willst du morgen drehen? Noch was mit dem Fischer? NIKE: Ich weiß es nicht. WILHELM: Ich brauch was für die Dispo. NIKE: Schreib einfach rein, dass alle um 8 Uhr auf der Terrasse von Abrahams Haus sein müssen. LUCAS legt seinen Arm um NIKE. LUCAS: Es wird alles gut.

121.
Im Hotelzimmer von NIKE. Sie schaut sich auf ihrem Laptop die Szene an. Dann legt sie sich ins Bett und schläft ein.

122.
Früher Morgen. Die Sonne geht über den Bergen auf. NIKE und WILHELM halten mit ihrem PKW vor ABRAHAMS Haus und steigen aus. LUCAS ist auch schon da. LUCAS: Dein Vater ist vor zehn Minuten weggefahren und hat das Haus abgeschlossen. NIKE umarmt LUCAS. NIKE: Ich habe einen Schlüssel. NIKE holt den Schlüssel aus ihrer Handtasche und schließt die Tür zum Haus auf.

123.
NIKE geht mit WILHELM und LUCAS in ABRAHAMS Schlafzimmer, wo alles noch so aussieht wie gestern. Filmlampen, Stative und Kameras. Das Bett ist zerwühlt. NIKE: Der kann doch nicht wegfahren und das Haus mit unserer ganzen Filmausrüstung allein lassen.

124.
NIKE geht in ABRAHAMS Arbeitszimmer. Auf dem Schreibtisch liegt ein Brief. Darauf steht „Nike“. Sie öffnet den Umschlag. Darin ist sind zwei handgeschriebene Papiere. Auf dem einen steht „Bankvollmacht“. Auf dem zweiten: „Liebe Nike, wenn Du diesen Brief liest, bin ich verschwunden. Ich habe dich immer geliebt. DEIN Leben war mir immer wichtiger als mein Leben. Du hast mich verflucht. Mit diesem Fluch kann ich nicht leben. Ich fahre weg. Mit der Kontovollmacht hast Du Zugang zu allen meinen Konten. Bitte such mich nicht!!! Drehe deinen Film zuende. Ich wünsche Dir damit viel Glück. Ich bin sicher, dass Dein Film “Ins Blaue“ ein richtig guter Film wird. Sei stark! Ich liebe dich immer noch. Dein Abra.“ Darunter steht: „PS: Bitte nimm Deinen Fluch zurück!!!“ (INSERT)

125.
NIKE kommt aus ABRAHAMS Arbeitszimmer. Sie steckt ABRAHAMS Brief in ihre Handtasche und geht zu WILHELM und LUCAS, die dabei sind, die Türen zur Terrasse zu öffnen. Ihr Gesicht ist wie versteinert. LUCAS: Was ist passiert? Warum guckst du so traurig? NIKE: Er kommt nicht mehr zurück. WILHELM: Können wir trotzdem weiterdrehen? Die zwei, drei Szenen die du mit ihm noch drehen wolltest, können wir weglassen. Hat er dir Geld da gelassen? NIKE: Mach dir keine Sorgen um deine Gage. Ich habe jetzt alles wieder im Griff. Wir drehen heute die Szene, wo Josephine zum erstenmal am Strand in das Boot des Fischers steigt.

126.
Nacht. Filmtheater am Friedrichshain in Berlin. Auf der Leuchttafel steht in blauen Buchstaben. „Ins Blaue“ Darunter in roten Buchstaben: „Ein Film von Nike Rabenthal“. Ein roter Teppich liegt auf den Treppenstufen. EVA und PAUL steigen aus einem Taxi. EVA trägt ein aufregendes enges Kleid. PAUL einen dunklen Anzug mit Fliege. Blitzlichtgewitter während sie über den roten Teppich zum Kinoeingang gehen. EVA gibt im Vorbeigehen ein paar Autogramme. Aus einem zweiten Taxi steigen JOSEPHINE und LAURA. Auch sie tragen tolle Kleider. LAURA lächelt gekonnt in die Kameras der Fotografen, dreht sich für die Fotografen hin und her. NIKE kommt mit einem dritten Taxi, in dem auch WILHELM und LUCAS sitzen. LUCAS öffnet für NIKE die Autotür. NIKE steigt aus. Sie trägt ein langes blaues, schulterfreies Kleid und bewegt sich elegant wie eine Königin. NIKE flüstert zu LUCAS: Ich könnte sterben vor Angst. Komm gib mir deine Hand! Beide gehen, Hand in Hand, die Treppe hinauf und verschwinden im Kinoeingang.

127.
Im Kino. Der Saal ist voll. NIKE sitzt neben LUCAS und auf ihrer linken Seite sitzen EVA, PAUL und JOSEPHINE. Der Kinovorhang öffnet sich. Das Publikum wird still. LUCAS drückt ganz fest NIKES Hand. Auf der Leinwand sieht man die ersten Titel: Blau auf schwarzem Grund. NIKE (zu LUCAS): Bitte, sag mir, dass ich nicht träume. LUCAS: Du träumst nicht. Du hast es geschafft.

THE END



<<



Besucherzaehler