Blog
Termine
Thome
Kontakt
Filmografie
Deutsch
English
Français



Kurzfilme

64 Die Versöhnung    66 Stella    67 Galaxis    67/68 Jane erschießt John, weil er sie mit Ann betrügt

80 Hast Du Lust mit mir einen Kaffee zu trinken?      84 Zwei Bilder

Spielfilme
68 Detektive    69 Rote Sonne      70 Supergirl      72 Fremde Stadt      74 Made in Germany and USA
75 Tagebuch  77/78 Beschreibung einer Insel  80 Berlin Chamissoplatz  82/83 System ohne Schatten
86 Tarot    87 Das Mikroskop     88 Der Philosoph    89 Sieben Frauen    91 Liebe auf den ersten Blick
92 Die Sonnengöttin    94 Das Geheimnis    97 Just Married    97 Tigerstreifenbaby wartet auf Tarzan
99 Paradiso, sieben Tage mit sieben Frauen       00 Venus talking        02 Rot und Blau
03 Frau fährt, Mann schläft      05 Du hast gesagt, daß Du mich liebst      05 Rauchzeichen
06 Das Sichtbare und das Unsichtbare      08 Pink    10 Das rote Zimmer     11 Ins Blaue




Info
Plakate
Bilder
Clips
Kritiken
Interviews



Interview mit Rudolf Thome


Originalton und Synchronisation

Du hast DIE SONNENGÖTTIN in Englisch gedreht mit für Dich ungewöhnlich großem Aufwand. Hast Du vor, nach Hollywood zu gehen?

Seitdem ich Filme mache, gehörte für mich zum Film immer der Originalton. Ich habe nicht alle Filme mit Originalton gedreht, aber wenn ein Film richtig gut werden sollte, gehörte das für mich dazu, weil der Ton für mich als Aufzeichnungsmedium genauso wichtig wie die Kamera ist. Und wenn ich mit Schauspielern filme, die die deutsche Sprache nicht sprechen, dann war der einzige Weg, mit ihnen zu drehen, daß sie eben ihre Sprache sprechen. DIE SONNENGÖTTIN mußte in Englisch gedreht werden, denn die beiden Hauptdarsteller sind Amerikaner.
In anderen Filmen, zum Beispiel in SYSTEM OHNE SCHATTEN, habe ich die französische Darstellerin - Dominique Laffin - Deutsch lernen lassen, damit sie im Film Deutsch sprechen konnte.
Jetzt bin ich vielleicht auf dem Weg, das zu ändern, denn ich kenne einige ausländische Schauspieler, mit denen ich gerne arbeiten würde, und die Sprache war einfach  immer ein Hinderungsgrund für mich. Die Erfahrung bei diesem Film, ihn auf Deutsch synchronisieren zu müssen, hat mich dazu gebracht, dieses Muß Originalton zu überdenken und vielleicht mehr mit ausländischen Schauspielern zu arbeiten. Ich plane jedoch nicht, nach Hollywood zu gehen - eher würde es mich nach Frankreich ziehen.

Wenn ich die beiden Fassungen vergleiche, meine ich, daß die deutsche Fassung mehr Tempo hat und daß die Schauspieler eine stärkere Präsenz bekommen. Welchen Eindruck hattest Du beim Sehen?

Mein Ziel war es, die deutsche Fassung mindestens genausogut zu machen wie die Originalfasssung. Ich dachte, daß das fast unmöglich wäre, aber ich glaube, das ist mir gelungen. Beim Wiedersehen mag ich die deutsche Fassung eigentlich lieber.
Eine Sache ist dabei vor allem wichtig. Ich liebe es sehr, mit Laien zu arbeiten. Laien sind meistens sehr gut im Spiel, aber die Sprache ist fast immer ein Manko. In der Sprache sind sie nicht so intensiv wie im Spiel. Wenn man Laien synchronisiert, merkt man das nicht mehr. Ich möchte so weitermachen, daß ich kleinere Rollen lieber mit Laien besetze als mit Schauspielern. Das ist mir einfach sympathischer, weil die viel mehr das sind, was andere erst spielen müssen, und der Ausweg aus ihren Unvollkommenheiten ist eben die Synchronisation.
In der SONNENGÖTTIN ist die Hauptdarstellerin keine professionelle Schauspielerin, und der Hauptdarsteller hat auch keine herkömmliche Ausbildung. Beide profitieren von den professionellen Synchronsprechern. Und die Synchronisation ist auch nochmal Regie, ich muß die Sachen mit den Sprechern nochmal machen und dann natürlich gut machen.
Ich denke im Moment, daß ich meinen nächsten Film ganz synchronisiere. Ich verliere was mit dem Originalton, das ist klar, aber wenn man das Synchronisieren ernst nimmt, kann der Gewinn genauso groß sein.
Nur ein Beispiel. Ich habe von Ros-sellini den letzten Film IL MESSIA auf Italienisch und auch auf Französisch gesehen. Die französische Fassung ist, glaube ich, von Jean Gruault über-setzt worden, der auch bei der Synchronisation Regie geführt hat. Es ist mit großer Anstrengung und ex-tremer Sorgfalt gemacht, aber die französische Fassung hat nur die Hälfte der Kraft der italienischen. Der Messias ist nur in der italienischen Fassung stark, durch seine Stimme. Es ist nicht die Stimme des Darstel-lers, Rossellini hat lange gesucht, um diese klare, metallische Stimme zu finden. Die Stimme des Messias in der italienischen Fassung ist fast der halbe Film. Ein großer Teil des Films sind seine Reden, also ist da die Sprache von besonderer Bedeutung.

Deine ersten Filme waren doch auch nicht in Originalton gedreht?

Es ist komplizierter. DETEKTIVE war mit Originalton gedreht, doch der Produzent hat verlangt, daß der Film nachsynchronisiert wird, weil er diese kleinen Unvollkommenheiten des Originaltons nicht haben wollte. Er wollte Profis. Marquard Bohm hat sich nicht selbst gesprochen, das war eine Bedingung des Produzenten. In ROTE SONNE hat er sich selbst gesprochen, aber nicht in DETEKTIVE. Und Uschi Obermaier ist in beiden Filmen von derselben Sprecherin synchronisiert worden, sie selbst hat einen bayrischen Akzent.

Chico Hamiltons Musik

 In der SONNENGÖTTIN hast Du in einer kleinen Rolle Chico Hamilton als Schauspieler eingesetzt.

Ja, es war sein Herzenswunsch. Was seine Person ausmacht, das kommt rüber. Er ist ein wunderbarer, ein herzensguter Mensch, das spürt man, das spielt er ohne Probleme. Er würde zwar viel lieber einen richtigen Bösewicht spielen, aber das ist er nicht.

Er hat jetzt zum zweiten Mal die Musik gemacht, nach LIEBE AUF DEN ERSTEN BLICK, wobei mir diese ziemlich unterschiedlich vorkommt, nicht so jazzbetont. Wie kam es dazu?

Das war seine Entscheidung, er wollte nicht das Gleiche nochmal machen. Er wollte es schöner machen und hat sich dem Film angepaßt. Er hat ge-sehen, das ist ein anderer Film, der geht in einen anderen Bereich, und hat versucht, eine Musik dazu zu finden.

Ich stelle mir vor, das war für ihn nicht einfach, weil der Film ganz unamerikanisch ist. Hat er das intuitiv gemacht oder mußtet ihr viel darüber sprechen?

Das war intuitiv, wir mußten nicht da-rüber sprechen. Chico Hamilton fühlt das. Er ist ein ungemein sensibler Mensch, der alles spürt. Auch wenn diese Art von Film vielleicht nicht sein persönlicher Geschmack ist, kann er wahrnehmen, was zu sehen ist. Er sieht, was ich will. Das unterstützt er mit seiner Musik.
Und DIE SONNENGÖTTIN hat etwas mit Religiosität zu tun. Chico Hamilton ist ein tief religiöser Mensch, der das spürt.

Goethe und die große Liebe

In TAROT sprichst Du das Thema der Wiedergeburt schon an, wenn Hanns Zischler und Katharina Böhm Erdbeeren pflücken und sie sagt:  "Vielleicht waren wir einmal zwei Negersklaven und haben zusammen Baumwolle gepflückt am Mississippi. Wir haben in einem kleinen Häuschen gewohnt und haben alles gemeinsam getragen, die großen Leiden und die kleinen Freuden." Hat Dich das Thema schon so lange beschäftigt?

Das hat damals Max Zihlmann geschrieben. TAROT ist ja eine moderne Version der “Wahlverwandtschaften”, und Zihlmann hat es geschrieben, weil es ihn interessiert hat, aber auch weil es ein wichtiges Thema bei Goethe ist.
Zihlmann hatte als Motto zu dem Film im Drehbuch zwei Gedichtzeilen von Goethe über die Deutung einer großen Liebe als zweites Zusammentreffen, nachdem sie in einer früheren Zeit schon mal zusammen waren. Das ist einfach eine Interpretationsmöglichkeit, warum die Liebe so extrem ist, wenn sie entsteht. In diesem speziellen Sinn taucht bei Goethe die Wiedergeburt auf, und auch in TAROT und in der SONNENGÖTTIN.
Es ist nur ein Interpretationsmodell für eine große Liebe. Wie ist es möglich, daß zwei Leute sich sehen und verrückt werden? Wenn es eine Wiedergeburt gibt - darüber wissen wir nichts und können nichts wissen - , dann wäre das eine Erklärungsmöglichkeit: man war schon mal zusammen, es war schon mal so toll, und jetzt geht es wieder los.
Rüdiger Vogler haßte diese Idee und dieses Reden darüber. Er sagt dann irgendwann in der Szene: “Das wäre ja schrecklich, dann nimmt das ja nie ein Ende.”

Meine Tochter am Strand

Wie ist die Geschichte der SONNENGÖTTIN entstanden?

Die ursprüngliche Idee für die SONNENGÖTTIN kam mir, als ich im Urlaub ein Foto meiner einjährigen Tochter gemacht habe. Sie kniete im Sand am Meer und hatte die Hände erhoben. Mit dem Sehen des Bildes kam mir die Idee für den Titel und ich wollte was daraus machen.
Sie war in einer Bucht am Meer und spielte im Schlamm. Um sie herum waren viele Möwen und andere Vögel. Sie war eine Stunde lang völlig allein mit diesen Vögeln, und die Vögel hatten keine Angst vor ihr, auch wenn sie anfing zu krabbeln. Die Vögel sind nicht weggeflogen, die akzeptierten sie. Sie war nicht Mensch, sondern wie eine von den Vögeln. Es war für mich Ausdruck eines Einheitsgefühls  - von Natur und Mensch, und allem.
Diese Geste, die Hände zum Himmel zu erheben, das paßte da rein, das habe ich da hineingelegt, daß sie das aus diesem Gefühl heraus gemacht hat. Ich habe dann eine Geschichte um dieses Bild herum gemacht.
Die ursprüngliche Geschichte war als Fortsetzung von LIEBE AUF DEN ERSTEN BLICK geschrieben. Ich wollte LIEBE mit den gleichen Schauspielern als Fortsetzung ein Jahr später weiterdrehen. Das habe ich dann aufgrund vieler Schwierigkeiten, die ich bei LIEBE hatte - vor allem wegen der Kinder - , fallen gelassen und die ganze Geschichte neu geschrieben. Aber in der ersten Fassung war der Mann der Archäologe aus Kleinmachnow und die Frau die Futurologin aus Westberlin, und sie hätten die Statue entdeckt. Der zweite Film wäre eine zusätzliche Interpretation des ersten Films gewesen. Ich habe schwer mit mir gekämpft, bevor ich diese Idee aufgeben konnte.

Bietest Du es in der SONNENGÖTTIN nur als mögliche Erklärung an, daß sie früher schon einmal gelebt haben und jetzt in neuer Gestalt auf der Erde sind?

Ich biete es an. Die Schauspielerin sagt am Ende: “vielleicht waren wir früher einmal...” Sie sagt nicht: “wir waren”! Das ist genau wie bei DER PHILOSOPH, wo die drei Frauen sa-gen, sie wären Göttinnen. Sie sagen es. Ich sage nicht, daß sie Göttinnen sind, aber ich hintertreibe es auch nicht. Ich arbeite nicht dagegen und mache es nicht lächerlich, sondern lasse sie das sagen und nehme es ernst, aber es ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, und das ist auch meine Haltung dazu. Ich kann nicht von mir sagen: ich glaube an die Wiedergeburt. Aber ich kann auch nicht sagen: ich glaube nicht daran. Ich kann nur sagen: ich weiß nichts darüber, und darüber kann niemand etwas wissen.

Der Feuertanz

Könnte man die Szene  mit dem Feuertanz so interpretieren, daß Martha sich an etwas Früheres erinnert und den Tanz wiederaufnimmt, den sie aus früherer Zeit kennt?

Das ist ja, was mich so begeistert. Ein italienischer Kritiker hat aus Taormina geschrieben: sie tanzt ein Ritual, das sie nicht kennt. Sie spricht eine Sprache, die sie nicht kennt, und sie verwandelt sich in die Sonnengöttin. Sowas wollte ich, was genau das bedeutet, wie das genau zu verstehen ist, daß sie was tut, was sie nicht wissen kann, das sage ich nicht, das weiß ich auch nicht, aber gewollt habe ich es. Ich war überglücklich, als die Schauspielerin das so machte. Es ist was geschehen mit ihr, das außerhalb ihrer Kontrolle war. Sie wußte schon, daß ich in eine solche Richtung wollte, aber was genau ich wollte, das wußte sie nicht, denn sie hatte ja Angst vor dieser Szene. Und als die Kamera lief, fängt sie an, sich da reinzufinden. Man sieht wirklich, wie sie da reinrutscht. Es kommt eine Kraft rein in sie, eine Spannung in ihren Körper, und plötzlich wird es das, was es hoffentlich ist.
Ich habe in Taormina den Film mit italienischem Publikum gesehen und das Publikum ist mitgegangen. Es gab eine andere Reaktion da, die noch extremer war, wenn sie dann in der nächsten Szene am Strand kniet und anfängt zu singen und fertig ist mit dem Gesang, dann den Kopf auf den Sand legt, sich verbeugt. Dann kommt eine unheimliche Welle, und da hat das Publikum aber reagiert. Und das ist das, was ich auf dem Foto sehe. Es ist eine Einheit außen und innen, von Mensch und Natur drumrum. Das ist in dieser einen Welle einfach da, die Welle schwappt ja fast über sie. Ich habe die Szene sechsmal gedreht, ich habe die genommen, wo die Welle so weit schwappt. Ich habe nicht die Takes genommen, die vielleicht besser gesungen waren, sondern die, wo die Welle war.
Es gibt noch andere Momente: Wo sie zum ersten Mal am Strand kniet und er anfängt, sie zu fotografieren, da ist der Himmel relativ bewölkt. In dem Moment, wo sie sich hinkniet, kommt die Sonne.

Die Natur hat mitgespielt?

Das ist das Thema. Es gibt in BERLIN CHAMISSOPLATZ eine Szene, wo Sabine Bach erfahren hat, daß sie schwanger ist. Sie will sich auf eine Bank setzen und in dem Moment, wo sie zur Bank geht, kommt plötzlich ein unglaublicher Windstoß. Ich habe das geliebt.

Das Zittern der Blätter im Wind

Du interpretierst das philosophisch, man kann das auch filmtheoretisch sehen. Daß der Film ein Medium ist, das solche Augenblicke - oder das “Zittern der Blätter im Wind” - einfach festhält und sichtbar macht. Du siehst es ja eher als Zeichen der Einheit des Menschen mit der Natur?

Es ist Ausdruck für mich von Dingen, über die wir nichts wissen können, die aber existieren und die mir spürbar werden, wenn sich sowas ereignet in einem solchen Moment. Es gibt noch eine Szene in MADE IN GERMANY UND USA. Am Ende des Films versöhnt sich das Paar und sie gehen in die Sümpfe von New Orleans und beginnen miteinander zu schlafen, und in dem Moment bricht plötzlich ein ungeheurer Lärm in der Natur aus, ein riesiger Vogelschwarm fängt plötzlich wie aus dem Nichts an zu schreien und sie fliegen davon. Das ist eine mystische Gegend da und wir wurden gewarnt, da nicht zu drehen, wir haben es doch gemacht.
Ich bin offensichtlich ein Mystiker. Es reizt mich, ich bin glücklich, wenn es mir gelingt, solche Momente im Film zu haben, wenn ich den Film als Medium so benutzen kann, wie du es vorhin gesagt hast.

Die Feuertanzsszene hätte ja sehr leicht abrutschen und lächerlich wirken können?

Das muß man sich mal vorstellen. Eine nackte Frau am Meer singt ein Lied. So steht es im Drehbuch. Ich meine, das muß man überhaupt mal sehen, was die da machen. Der Mann fotografiert eine nackte Frau, die kniet und die Arme hochhält. Das ist doch überspannt und voyeuristisch. Ich denke, daß der Film so ist, daß das eigentlich niemand mehr sagen kann.

Ich mußte bei dieser Szene an den Maler E. L. Kirchner denken bzw. an eine Bemerkung von ihm. Nach einem Sommeraufenthalt am Meer schrieb er an einen Freund, daß er glaube, wäh-rend dieses Aufenthalts die Einheit von Mensch und Natur in seinen Bildern getroffen zu haben.

Das ist es. Genau das ist es.

Eine Art Trance

Die Bilder, die die Hauptdarstellerin malt, sind ja sicher nicht zufällig so gemalt?

Natürlich nicht. Die Bilder, die sie malt, das steht in Bezug zu dem, was sie tanzt, wenn sie um das Feuer tanzt, und zu dem Lied, das sie singt. Dieses Fremde ist in dem, was sie malt, auch gegenwärtig. Wenn sie malt, hat sie Zugang zu Schichten in ihrer Person, deren sie sich überhaupt nicht bewußt ist. Wenn sie malt, gelingt es ihr, einen Zustand herzustellen, in dem sie Dinge ausdrücken kann, von denen sie bewußt gar nichts weiß.

Kann man das auch aufs Filmemachen ausdehnen?

Ich kann das für mich sagen. Ich weiß auch nicht, warum ich etwas geschrieben und gemacht habe. Ich habe mir das nicht ausgedacht, um etwas ganz Bestimmtes auszudrücken. Ich habe nicht nachgedacht.
Als ich angefangen habe zu schreiben, beim MIKROSKOP und vor allem beim PHILOSOPH, war es so, daß ich einen Monat später einen Band von C.G. Jung in die Hände bekommen habe. "Die Archetypen und das kollektive Unbewußte", glaube ich, und es fiel mir wie Schuppen von den Augen, ich verstand, was ich da gerade gemacht hatte. Alles, was Jung schrieb, war auf mich anwendbar, auf das, was ich gerade geschrieben hatte. Beim Schreiben stelle ich für mich einen bestimmten Zustand her, das ist eine Art Trance, wo ich aufhöre zu denken, da schreibe ich. Das hat nichts mit der “écriture automatique” der Surrealisten zu tun, sondern es ist zum Teil für jede Art von Kunstausübung so. Jeder Künstler muß für sich diesen Zustand der Entrücktheit haben, sonst kann er nicht arbeiten. Es ist einfach Konzentration.

Ich denke, daß beim Drehen im letzten Detail doch viel offen bleibt gegenüber dem Buch oder dem Regiekonzept. Beispielsweise eine Szene wie die Tanzszene, da weißt du am Morgen nicht, was dabei herauskommt?

Nein, das kann ich nicht wissen. Wie soll ich wissen, wie die Schauspielerin das machen wird? Ich weiß nicht einmal, daß sie es überhaupt fertigbringen wird, daß sie überhaupt ihre Angst davor überwinden wird. Ich weiß ja nicht mal, ob ich überhaupt drehen kann.

Wie hat die Schauspielerin die Tanzszene überstanden, und wie hast du sie überstanden?

Das war sehr schwer für sie. Als wir fertigwaren und alle wegwaren, war die Hauptdarstellerin verschwunden. Ich suchte sie und sie saß ganz weit am Ende dieser langen Bucht und war alleine. Sie hat diese Erfahrung gemacht von etwas anderem, etwas, das jenseits der eigenen Person liegt. Ich meine, sie hat das wirklich gespürt. Sie war wirklich für einen Moment die Sonnengöttin.  Der Film ist dokumentarisch in diesem Falle. Ich dokumentiere einfach, was ihr passiert. Das ist alles.

Das Doppelgängermotiv

Der Hauptdarsteller ist ein Filmkritiker, der über Murnau arbeitet. Hat das eine besondere Bewandtnis, warum gerade Murnau?

Ich schreibe und drehe ja nicht nur aus dem Bauch heraus, sondern ich überlege mir natürlich schon etwas dabei, sowohl beim Schreiben wie beim Drehen. Quasi parallel zum instinktiven Arbeiten geht ja auch immer das Überlegen und Konstruieren von Zusammenhängen. Das läuft gleichzeitig. Das Doppelgängermotiv ist eine bekannte Größe im deutschen Expressionismus und auch im expressionistischen Film – auch bei Murnau. DIE SONNENGÖTTIN ist  ja eine Doppelgängergeschichte. Da geht jemand auf den Friedhof und findet eine Statue... Das Phänomen der Reinkarnation, wenn es einem so begegnet, ist eben auch eine Abwandlung des Doppelgängermotivs. Diese Parallelität herzustellen, war durch Murnau eher möglich. Und das Zweite: TABU war früher mein absoluter Lieblingsfilm. In TABU gibt es diesen Tanz von Reri, und ich war immer schon davon betroffen, seit ich den Film vor dreißig Jahren gesehen habe. Der Tanz von Reri hat etwas mit dem Tanz von Martha zu tun. Da gibt es Parallelen. Und der Traum, den Martha erzählt, der hat etwas mit der ganzen Geschichte von TABU zu tun. Reri soll zwar nicht den Göttern geopfert werden, aber sie ist als heilige Jungfrau auserwählt und das ist das Gleiche  wie den Göttern geopfert zu werden. Die Parallelen haben mich gereizt, und eine Szene aus Murnaus TABU zu zeigen und gerade diese Szene, die ich besonders liebe. Und dann kommt hinzu, daß von allen deutschen Regisseuren, den lebenden wie den toten, Murnau mir der nächste ist.

Ein “road movie” durch Raum und Zeit

Es gibt drei Handlungsorte. New York, Berlin, Griechenland. Hast du damit etwas Besonderes verbunden? Man kann es ja so deuten als Rückkehr in der Zeit. New York gleich moderne Stadt, Berlin als altes Europa und dann zurück in die Antike?

Ich habe den Film einmal als ein "Road movie durch Raum und Zeit” beschrieben. Er muß in New York anfangen, dann nach Berlin kommen, das ist kein Zufall. Und dann gibt es die ganzen Baudenkmäler. In Berlin das Brandenburger Tor, in Athen die Akropolis. Und zum Schluß die untergegangene Stadt. Das war mir schon wichtig und es war nicht die Meinung aller Mitarbeiter, das so zu tun. Das ist durchaus auch ein bißchen ironisch. Manche Leute haben die Ironie in diesem Film total vermißt, aber das kann gar nicht sein, denn ich bin immer ironisch.

Du bewegst dich im Augenblick in eine eher mystische Richtung. Hast du vor, deinen nächsten Film auch in einer transzendentalen Sphäre spielen zu lassen?

Ich bin jetzt 54 Jahre alt, und ich habe ziemlich viel von dem, was ich machen wollte, machen können, und ich habe keine Angst vor irgendetwas. Es ist mir wirklich egal, ob die Leute denken, ich sei verrückt. Ich kann mir jetzt erlauben, über die Dinge zu schreiben und Filme zu drehen, die mich schon immer interessiert haben. Und dazu gehören eben Dinge, die man in diesen mystischen Bereich tut. Das interessiert mich einfach. Ich glaube, das  ist ein ganz natürliches Interesse. Je älter man wird, desto mehr steht man mit einem Bein im Grab. Das ist so. Die biologische
Wahrscheinlichkeit wird größer, daß es nicht mehr so lange geht. Ist doch ganz klar, daß man dann mehr anfängt, sich mit Themen, wie der Tatsache des Todes und allen Bereichen, die damit zusammenhängen, zu beschäftigen. Und ich habe keine Angst mehr davor, das zu tun. Auf der anderen Seite denke ich, muß das nicht unbedingt so schrecklich für die Mitmenschen werden, die meine Filme dann sehen müssen, sondern es kann durchaus lustig sein. Der nächste Film, den ich plane, wird mit Sicherheit eine Komödie, zumindest weitgehend.

Und ich stehe mit beiden Füßen auf der Erde.