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67/68 Jane erschießt John, weil er sie mit Ann betrügt |
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Rudolf Thome im Gespräch mit Gudrun Max und Karlheinz Oplustil am 27. November 2010 in Berlin Der Kussforscher Die Hauptperson des Films ist ein „Kussforscher“. Gibt es diese Forschung wirklich, oder hast Du das erfunden? Es gibt tatsächlich eine wissenschaftliche Kussforschung, allerdings nicht in Deutschland. Bevor ich das Drehbuch geschrieben habe im März 2009, habe ich im Februar während der Berlinale in der Zeitung einen Artikel gelesen über eine Philematologin in den USA, die einen Aufsatz über ihre Forschungsarbeit in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht hat. Das wurde sehr interessiert von vielen Zeitungen aufgenommen, und ich habe das alles gelesen. Als ich dann anfing, das Drehbuch zu schreiben, - der erste Tag war, glaube ich, der 2. März, - da hatte ich am Tag zuvor den ersten Film meiner Tochter Joya gesehen. Darin gab es eine junge Schauspielerin von der UdK, Seyneb Saleh, die darin die Hauptrolle spielt, und die ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen, während ich zu meinem Bauernhof gefahren bin, um dort das Drehbuch zu schreiben. Dann habe ich ein Drehbuch geschrieben für dieses Mädchen und über einen Kussforscher. Die Szene in dem Kusslabor, wo die Assistentin sich bemüht, ein bisschen Atmosphäre zu schaffen, sieht zwar sehr wissenschaftlich aus, wirkt aber ganz absurd. Ist das eine Erfindung? Das ist eine Erfindung. Wir haben das im Chemielabor der TU gedreht, und es soll natürlich absurd sein. Das war die teuerste Szene des ganzen Films. Es war ein Seminarraum, den wir total leer gestellt hatten. Ich wollte, dass da wirklich Sessel dastehen, denen man ansieht: das ist ein speziell dafür eingerichteter Raum. Es gibt eigentlich zwei Abteilungen, diesen Kussraum und das Labor, wo alle Leute mit den Brillen rumlaufen. Man hatte uns gesagt, dass im Labor alle Brillen tragen müssen. Darüber hatte ich eine Diskussion mit meiner Regieassistentin, die das blöd fand. Aber ich fand das toll, weil die Brillen dem Labor einen Science-Fiction-Aspekt geben. Man sieht auch mal einen Text zur Kussforschung, den Fred in den Computer schreibt, mit Formeln und Messungen. Hat das irgendeine Tatsachengrundlage? Ja, auch das war ein teurer Spaß. Das hat jemand, der was von dem Gebiet versteht, für uns geschrieben. Die Ausstatterin hat es für das Drehen von einem Spezialisten besorgt, damit das nicht einfach Quatsch ist. Die Idee der Kussforschung ist schon in sich widersprüchlich, weil sie eine wissenschaftliche Methode sein will bei einer Sache, die sich dafür nicht anbietet, bei einem Gegenstand, der sich eigentlich der Wissenschaft entzieht, also der Liebe oder dem Küssen. In der Person von Fred wird das auch thematisiert. Der ist Wissenschaftler und betreibt seine Studien auf einem Gebiet, auf dem er als Person überhaupt keinen Erfolg hat, er hat am Anfang bei Frauen offenbar gar kein Glück. Das schien mir ein interessanter Gegensatz. Die Wissenschaft will auch diese Dinge genau kennen. Dass es so spät zur Kussforschung gekommen ist, ist eigentlich eher ungewöhnlich. Man hat dem Küssen offensichtlich weniger Bedeutung beigemessen. Schauspieler, die sich im Film küssen sollen, haben sehr viel größere Schwierigkeiten, einen Filmpartner zu küssen, als mit ihm eine Sexszene zu machen. Und ich habe meine Schauspieler davor auch gewarnt. Es ist sehr, sehr schwer, jemand richtig zu küssen. War es schwierig, die Kussszenen zu drehen? Überhaupt nicht. Das hat den Schauspielern selbst viel Spaß gemacht, zumindest jeweils den beiden, die sich geküsst haben. Ich finde, dass der Film sehr von diesen Schauspielern profitiert. Das ist ein Schauspielerfilm. Wie bist du auf die Schauspieler gekommen? Cynthia Beatt hat sie mir empfohlen. Cynthia Beatt hat mit Peter Knaack einen Film gedreht, der noch nicht fertig ist, da hat Ute Freund, meine Kamerafrau, auch die Kamera gemacht. Ute hat gesagt, der Peter Knaack ist ein Thome-Schauspieler. Na ja, daraufhin war ich neugierig. Das magische Tablett Dieses Tablett, das Fred im Schaufenster sieht und dann kauft, bringt ihm anscheinend Glück. Während der Berlinale, zwei Wochen, bevor ich das Drehbuch geschrieben habe, bin ich von meinem Bäcker, wo ich Brötchen gekauft habe, an einem Antiquitätenladen da um die Ecke von der Sybelstraße, vorbeigelaufen, und da war dieses Tablett mit der Bucht von Rio de Janeiro im Schaufenster. Natürlich war dieses Geschäft morgens in der Früh zu. Als es dann offen war, bin ich reingegangen und habe es gekauft. Genau das, was im Film passiert. Dein Film DAS MIKROSKOP funktioniert ähnlich. Die Hauptperson kauft das Mikroskop, und dann ändert sich alles, alles wird gut. Die Degeto hat mich bei DAS MIKROSKOP entdeckt. Die haben diesen Film geliebt und wollten ihn um jeden Preis haben. Sie waren verzweifelt, als sie mich nicht sofort gekriegt haben, weil ich in Amerika war. Jetzt habe ich halt aus dem Mikroskop ein Tablett gemacht und hoffe, dass sie dann auch wieder glücklich sind. Ich will ja auch, dass es weitergeht. In Klein-Blittersdorf Wie ist es denn zu dem Auftritt von Milan Peschel in „Klein-Blittersdorf“ gekommen? Er hat einen Bauernhof in der Nachbarschaft, Den brauchten wir für unser Catering, da unser Drehort von allen mit den Filmaufnahmen verbundenen Dingen frei bleiben musste, und wir haben dort Sachen untergestellt. Den Ort Klein-Blittersdorf gibt es aber nicht? Klein-Blittersdorf liegt im Saarland. Ich habe davon gehört, als ich durch Jean-Marie Straub Peter Nestler in München kennengelernt habe, 1964 oder 1965. Da kam Peter Nestler aus Klein-Blittersdorf im Saarland. Einmal machen Sibil und Peter ein Feuer, ein „Buschfeuer“, und dann löschen sie es gleich wieder. Warum machen sie das? Warum spielen Kinder im Sand, bauen da Burgen oder im Wasser, bauen da Staudämme? Wir haben immer wieder die Lahn gestaut. Wir haben Feuerchen gemacht, weil es Spaß macht, mit Feuer zu spielen. Meistens auf Ödland-Gebieten mit vertrocknetem hohen Gras, oft in der Nähe vom Bahndamm, und der Wind breitet das Feuer aus. Es kommt dabei darauf an, dass nicht irgendwie was Größeres abbrennt, sondern dass man das Feuer unter Kontrolle behält, und nach einer Weile macht man es wieder aus. Es ist ein Spaß von Kindern, und ich zeige damit das Verhältnis zwischen Sibil und Peter, die das machen, obwohl sie etwas älter sind.. Sie geht ja mit ihm ziemlich barsch um, und ich versuche da, ein bisschen auch die schönen Seiten ihrer Beziehung zu zeigen. Wenn Sibil von diesem Steppenbrand zurückkommt, ist sie leicht schwarz im Gesicht. Sie kommt auf dem Fahrrad von Peter an, er hat ihr also sein Fahrrad geliehen. Wenn sie ankommt, sieht sie die beiden anderen, die dabei sind, sich schon ziemlich toll zu küssen. Tagesschau gucken „Das rote Zimmer“ ist ein sehr vielversprechender Titel, und in dem Film wird ein bisschen ein Geheimnis daraus gemacht, was es mit dem roten Zimmer auf sich hat. Man erwartet irgendwelche wilden Sachen, die da nun passieren, aber dann wird erst einmal nur „Tagesschau“ geguckt. Das bringt das Publikum immer zum Lachen. Dabei habe ich da nur etwas Privates in den Film rein getan. Ich sehe mit meiner Freundin gerne abends die „Tagesschau“, in dem roten Zimmer auf meinem Bauernhof. Das ist ein Ritual, ich liebe Rituale. Und wie mir die Reaktion bei den drei Aufführungen, die es bis jetzt gab, beweist, war das richtig, dass es so gezeigt wird im Film, die Leute lachen immer sofort. Das blaue Haus, der rote Volvo Das blaue Haus der beiden Frauen auf dem Land ist dann ja praktisch der Mittelpunkt der Geschichte. Gab es das wirklich, oder habt ihr es so gestrichen? Ich hatte vier oder fünf verschiedene Häuser zur Auswahl. Zwei davon wären von der Inneneinrichtung und der Raumaufteilung für mich sehr viel besser gewesen als dieses Haus. Aber dieses Haus war blau, und es hat uns sofort verzaubert, sofort. Die Landschaft drumrum und mitten in dieser Einsamkeit da dieses blaue Haus mit diesem merkwürdigen Glasanbau. Das wirkte auf mich wie ein Ort auf einem anderen Planeten. Es war auch teurer da zu drehen, wir hätten das alles viel billiger woanders kriegen können, aber ich musste das machen. Es liegt bei Pasewalk, nur 6 km entfernt von der polnischen Grenze. Gedreht haben wir bei 30° bis 35°, da war diese extreme Hitze. Einmal ist das rote Auto von Fred vor dem Haus zu sehen, und daneben das kleine in Rot und Blau. Habt ihr das blau angestrichen? Das war fertig so. Ein Kotflügel war blau und die Motorhaube und der andere Kotflügel waren rot. Das habe ich deswegen genommen. Der rote Volvo passt sehr gut zu der Person von Fred. Es ist übrigens eine der schönsten Einstellungen in dem Film, wenn man die Autos vor dem Haus sieht. Die steht auch schon im Drehbuch, ich habe nachgeguckt. Es ist eine Ozu-Einstellung, eine Reverenz an die Filme von Yasujiro Ozu, die ich sehr liebe. In FRAU FÄHRT, MANN SCHLÄFT gibt es auch solche Einstellungen. Ich habe noch mal das Drehbuch nachgesehen, das du damals veröffentlicht hast. Ich glaube der Film folgt dem erstaunlich getreu. Das liegt zum großen Teil an den Schauspielern, die so perfekt gespielt haben. Wären die Schauspieler auch nur einen Hauch schlechter gewesen, wäre das nicht gegangen. Denn die Szenen und die Dialoge sind eigentlich immer haarscharf auf der Kippe. Es hätte ganz schrecklich werden können, wenn es nicht so gut gespielt worden wäre. Das gewaltige Mysterium der Liebe Die Frauen sagen, sie wollten die Seele der Männer erforschen. Dann befragen sie die beiden, die sie aufgetan haben, wirklich in einer Verhörsituation. Dabei sagt der junge Mann, den Sibil in der Staatsbibliothek aufgepickt hatte, richtig mit Inbrunst, ganz erstaunliche Dinge darüber, was er fühlt, wenn er mit einer Frau schläft. Also in etwa: er tauche ein „in das gewaltige Mysterium der Liebe.“ Wir waren alle überrascht. Das Team musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. Peter Knaack fällt eine Sekunde aus der Rolle und verbeißt sich ein Lachen.
Das ist das, was ich vorhin gesagt habe. Einen solchen Text zu sagen geht nur bei einem richtig guten Schauspieler. Dieser Dialog ist haarscharf an der Grenze, er könnte lächerlich sein. Das kann man nur in aller Unschuld, mit einer Miene der absoluten Unschuld, sagen, sonst wäre es schrecklich peinlich. Die Männer von GALAXIS Die Szene erinnert mich sehr an deinen Kurzfilm GALAXIS. Es gibt ohnehin einige Berührungspunkte. Diese Art von Science-Fiction-Anspielung bei der Szene im Labor, mit diesen Brillen, hat auch etwas damit zu tun. Da geht es ja auch darum, dass die Frauen die Männer auswählen. In GALAXIS sind die Männer auf der Erde von Frauen von einem anderen Planeten geklaut worden, weil denen durch viele Kriege die Männer ausgegangen sind. Die Frauen auf der Erde mussten sich daraufhin als Notlösung die Männer teilen, ich glaube, dass immer vier Frauen einen Mann teilen mussten. Da haben sie damals schon in einen Computer ihre Wünsche für ihren Wunschmann eingegeben - das ist ja wie bei PINK, was den Wunschmann angeht. Der Computer war damals ein gigantisches Ungetüm aus der Bausparkasse, in der ich gearbeitet habe, der hat dann so perforierte Bögen mit den Daten der Männer ausgespuckt. Und daraufhin werden zwei Männer zur Vorstellung eingeladen. Tatsächlich beide Männer gleichzeitig. Ich habe jetzt daran nicht gedacht, es ist unfassbar… Ich glaube, in GALAXIS sind es drei Frauen, die Fragen stellen. Die zwei Männer sind Dieter Geissler und Klaus Lemke. Den ich jetzt in Wien wieder getroffen habe. Oh Gott. Klaus Lemke wird dann gebeten, seine Sonnenbrille abzunehmen, damit man seine Augen sehen kann. In Wien habe ich ihm gesagt: kannst du deine Mütze abnehmen, damit ich deine Augen sehen kann. Er hat sofort die Hand drauf gehalten, weil er gedacht hat, ich mache es vielleicht. Er hat ein bisschen Angst vor mir gehabt. Er hat mir gleich die Hand entgegengestreckt. Ich war erstaunt, weil ich dachte, wir umarmen uns. Ich habe ihn ja früher mal geliebt. Und da habe ich ein bisschen fester zugedrückt, als Ausdruck meiner Freude. Da hat er gesagt: bist du inzwischen Bergsteiger geworden? Die Gästebetreuerin hat sich totgelacht über den Dialog zwischen uns und meinte, das hätte man filmen müssen. Wir haben uns vierzig Jahre nicht gesehen. Das letzte Mal beim Drehen von SUPERGIRL in Paris. Da spielt er einen Filmregisseur, der immer nur auf Englisch Antworten gibt wie „Cool“, „Very good“, und so. Ich glaube, in GALAXIS fällt Klaus Lemke bei den Frauen durch, obwohl er alles tut, um ihnen zu gefallen. Die nehmen lieber den anderen, der sogar mal als Frauenfeind galt. Er sagt „Ich war Mitglied der Antifrauenbewegung“, und da fragt das Mädchen, was haben Sie sich dabei gedacht? Darauf sagt er: damals war ich noch jünger. Der Ewigkeitstest Im ROTEN ZIMMER fällt der junge Mann aus der Staatsbibliothek durch, obwohl er so schöne Antworten gegeben hat. Fred sitzt dabei und hat eigentlich nichts groß gesagt, der kommt weiter. Wir wissen nicht, was er vorher gesagt hat. Vermutlich hat er auch eine ganze Reihe von Fragen beantwortet und bessere Sachen gesagt. Die sind mir beim Schreiben nicht eingefallen. Sie haben ihn dann für den sogenannten Ewigkeitstest ausgewählt. Was ist dieser Ewigkeitstest? Die Ehe. Das liegt doch eigentlich nahe, nicht? Die machen ja dann hinterher einen Vertrag. Die Ehe ist ja letzten Endes nichts anderes als ein Vertrag. Nein, das ist auch ein Sakrament, wenn man es religiös betrachtet. Und sie steht im Grundgesetz, sie wird geschützt, sie ist keine reine Geschäftsbeziehung. Also, wenn man das Religiöse mal wegtut, ist es ein Vertrag. Die Sache mit dem Vertrag am Schluss ist ja nun auch nicht ganz so unkompliziert. Das kann man so sehen. Im Kommunistischen Manifest ist die Ehe bereits als Prostitution beschrieben. Zwischen der Szene mit der Prostituierten am Anfang des Films, gegen die irgendwie keiner was hat, die ich aber sehr schockierend finde, und dem Einwand der beiden Schauspielerinnen, dass der Vertrag am Ende ja auch Prostitution sei, und dem Schlussbild des Films, wo das Auto bei Regen über diesen Hügel fährt und hinten das Schild „Just married“ hängt, da gibt es ganz viele Verbindungen. Der Vertrag ist ja ziemlich unverschämt. Fred hat offenbar auch die größten Schwierigkeiten, sich darauf einzulassen. Man sieht sehr gut, wie er schluckt und zögert, ob er das eigentlich unterschreiben soll. Alle drei spielen das wunderbar. Gegenüber diesen beiden Frauen, so wie sie ihn dazu kriegen wollen, das zu unterschreiben, hat er als Mann keine Chance. Ist es auch. Der Vertrag ist natürlich total unwirksam. Das Denken der beiden Frauen ist doch nachvollziehbar, ich mache mich ja nun auch ein bisschen lustig über sie. In dem Moment, wo der Vertrag unterschrieben ist, ist das quasi legal, nicht? Obwohl das natürlich nicht legal ist, er bräuchte es sich auch gar nicht so lange zu überlegen, sie könnten keine 3000 Euro einklagen. Die Liebe neu erfinden Anderseits er willigt ja ein, und ich frage mich, warum er das macht. Eigentlich muss er doch wirklich von allen guten Geistern verlassen sein: er zahlt noch, damit er die beiden Frauen glücklich macht, die haben doch was davon. Was sagt Luzie im Film, wenn alle Drei vom Angeln kommen: „Alle alten Männer träumen von einem Harem.“ Warum, meinst Du, ist man beunruhigt? Bei meinem Kurzfilm STELLA war es ähnlich. In STELLA betrügt der Mann seine Frau. Sie findet das raus und macht ihm eine Szene und will ihn verlassen. Er kommt mit fadenscheinigen Ausreden, und er kriegt sie aber dazu, nicht wegzulaufen. Dann gehen sie ins Bett. Sie schlafen noch getrennt, das waren die 60er Jahre, und er hat einen Schlafanzug an und sie ein Nachthemd, er schläft sogar mit Socken. Als sie dabei sind, sich wieder zu versöhnen, geht er zu dem Bücherregal über dem Bett, holt einen Goethe-Band raus und liest ihr aus Goethes „Stella“ vor. Da rettet ein deutscher Ritter im Morgenland einer Prinzessin das Leben. Er verliebt sich bei der Rettung in sie und darf sie heiraten. Mit ihr kehrt er nach Deutschland zu seiner Ehefrau zurück, und Goethe schreibt, sie haben glücklich und zufrieden zusammengelebt und sind sogar in einem Grab begraben. Goethe selbst hat diesen Schluss später geändert, weil er ihm zu unmoralisch war. In meinem Film sagt sie dann, okay, gut, gib mir ihre Telefonnummer, ich ruf sie an. Und er kriegt plötzlich die Panik und meint, du kannst sie doch nicht anrufen, das geht doch nicht. Dieser Film wurde damals von der FSK verboten, weil er die Sittlichkeit gefährden und generell entsittlichend wirken könne. Es wird mal erwähnt, die Frauen hätten das Projekt, die Liebe neu zu erfinden. Das sagt Sibil, nachdem sie bei Fred in seinem Pensionszimmer geschlafen hat, am nächsten Morgen beim Frühstück. Das sagt sie als Erklärung, und sie sagt es so, als sei das ein Satz von Luzie, den sie quasi nur zitiert. Du hast es so ähnlich schon mal entwickelt bei TIGERSTREIFENBABY WARTET AUF TARZAN, wo man die Situation wie im Paradies hat, auch mit zwei Frauen und einem Mann. Der Film geht aber anders aus, der geht schlecht aus. Der geht schlecht aus. Und hier fahren sie ja am Ende eher in den Himmel, wenn das Auto hinter dem Hügel verschwindet und das Bild noch eine Weile stehen bleibt. Diesen Drehort habe ich ganz alleine gefunden, während mein Team in Berlin war, die sind an jedem Wochenende nach Berlin gefahren. Ich hätte das nicht gekonnt, ich bin da alleine oben geblieben. Da habe ich dann diese Stelle gefunden, wo ich dachte, das ist optimal für die letzte Einstellung. Im ursprünglichen Drehbuch wird ja der Geburtstag von Luzie gefeiert und „Happy Birthday“ gesungen. Da hat mich aber unsere Produktionsassistentin darauf aufmerksam gemacht, dass ich wegen der Musik-Rechte dafür zahlen müsste. Die gehören nämlich mittlerweile Warner Music. Deswegen habe ich mir dann ein anderes Ende ausgedacht, und dieses andere Ende war diese Fahrt zum Meer und dieses „Just married“-Schild im Auto. Was natürlich auch ein inside joke ist, denn so beginnt mein Film JUST MARRIED. Wie eine Fliege im Spinnennetz Bei Fred musste ich oft an etwas denken, was meine Tante gerne zu sagen pflegte: „Der arme Mann!“. Der wird ja von den beiden Frauen ganz schön manipuliert. Er lässt es geschehen, aber er wird eigentlich unverschämt manipuliert. Total. Er kapiert nichts, er hat von nichts eine Ahnung. Wie er selbst sagt, er fühlt sich wie eine Fliege im Spinnennetz. Und dann ist auch tatsächlich diese Fliege plötzlich auf seiner Hand und bleibt da sitzen. Von Peter Knaack ist es cool, dass er beim Spielen darauf eingeht. Er ist großartig. Er ist in jeder Kleinigkeit großartig. Wenn er diesen Dialog hat, der im Drehbuch steht, und dann dazu auch eine reale Fliege kriegt, das ist ein Glücksfall. Da weiß ich, die Götter sind mit mir, wenn so was passiert. Es wäre schon gegangen, eine Fliege da zu platzieren, aber den Nerv hätte ich nicht gehabt. Auf die Idee wäre ich nicht gekommen. So viel Fantasie habe ich gar nicht. Es gibt eine sehr merkwürdige Stelle aus ihrem Roman, die Luzie mal zitiert: Sie hätte sich in ein Zimmer zurückgezogen, wo alles zerschmettert war, weil nichts mehr an einen Mann erinnern sollte, und hätte sich auf den letzten verbliebenen Stuhl gesetzt. Ist der Text von dir? Ja. Ich war früher mal ganz gut im Interpretieren von Gedichten. Deswegen hatte ich auch sehr schnell eine Doktorarbeit. Ich glaube im vierten Semester bekam ich schon die erste angeboten, zwei Semester später noch eine, in Mittelhochdeutsch. Mir würde da schon Einiges einfallen, wie man das interpretieren könnte. Aber ich will doch nicht den Job der Kritiker machen, ich will doch nicht alles erzählen. Der Film muss doch sein Geheimnis nur langsam offenbaren. Es ist auf jeden Fall ein Film, der davon profitiert, wenn man ihn mehrmals sieht. Auch eine Parallele zu Hong Sang-soo. Dessen Filme kann man nicht verstehen, wenn man sie nur einmal sieht. Das geht nicht. Romane schreiben ist wie Angeln Ein wichtiges Motiv im ROTEN ZIMMER ist ja das Angeln. Das kann man vielleicht auch als Metapher für das Erzählen verstehen. Dass Du Deine Angel auswirfst und was einfängst, an Geschichten, an Personen etc. Oder, wie Luzie es sagt: Romane schreiben ist wie Angeln. Man muss warten können auf den dicken Fisch. Das Schreiben kenne ich ja aus eigenem Erleben. Man kann es nicht forcieren. Man kann nur, ja, dasitzen und warten, dass einem etwas zufällt, dass einem etwas einfällt. Und so ist es beim Angeln. Beim Angeln denkt man natürlich sofort an Howard Hawks. Und wie die mit den Männern umgehen und sie manipulieren, das hat sehr viel mit Hawks zu tun. Das ist wie Hawks, genau das Gleiche. Der Hauptdarsteller musste auch vorher den Film von Hawks sehen MAN’S FAVORITE SPORT. Die Kamerafrau hat ihn auch gesehen. Und der Hauptdarsteller musste EL DORADO anschauen, von dort kommt die Chinesen-Imitation. Blick in eine andere Welt Einen meiner Lieblingssätze möchte ich nur zitieren, weil er so schön ist: „Wer einsam ist, liest Bücher.“ In Deinem Online-Tagebuch fand ich beim Schreiben des Drehbuchs eine sehr schöne Bemerkung: sinnesverwirrend soll der Film sein, hast Du damals gesagt. Wie ein Blick in eine andere Welt jenseits der Wirklichkeit. Ich finde, das löst der Film ein. Da machst du mich glücklich. Es gibt Einstellungen, die ganz fremdartig wirken. Wenn die drei einmal über ein Feld laufen, sehen sie aus wie ein Forscherteam. Als ob sie irgendwas erforschen, unterwegs wären wie in Afrika oder einem fremden Kontinent. Sie sind in Vorpommern, aber es wirkt ganz exotisch, als ob sie sich in einem fremden Land bewegen würden. Was sie auf der Gefühlsebene ja vielleicht auch tun. Die Landschaft ist auch real ein bisschen so. Bei der Motivsuche, als wir da hinkamen, bin ich ganz schnell weg von den anderen und überall in der Gegend rumgelaufen. Ich hatte das Gefühl, ich bin da wie auf einem anderen Planeten. Das lag an der Architektur des Hauses und an der Farbe, aber auch an der Gegend. Das ist eine ganz merkwürdige Gegend, nur 6 km von der polnischen Grenze, und das ist wie eine Art Niemandsland, noch immer. Drehen mit RedOne Du hast zum ersten Mal mit der digitalen Kamera RedOne gedreht. Wie hat das funktioniert? Die Red ist ein Computer. Das was gedreht wird, kommt auf eine Festplatte. Das kenne ich nun seit 11 Jahren von der digitalen Kamera, und mich hat da eigentlich überhaupt nichts überrascht. Das sind einfach Nullen und Einsen, weiß man ja eigentlich vom Computer. Jeder Mensch, der sein ganzes Leben lang mit Filmmaterial, das man in die Hand nehmen kann, gearbeitet hat, hat natürlich Panik. Es gibt spezielle Sicherheitsprobleme, Lagerprobleme, auch bei mir ist ansonsten die Postproduktion ohnehin schon seit 6 Jahren digital. Die digitale Projektion ist dann besser als die analoge Projektion, als die 35 mm-Kopie. Aber das mit der digitalen Projektion funktioniert noch nicht 100 % zuverlässig, und nicht alle Kinos können es. Wie hat die RedOne denn das Drehen verändert? Das Drehen selbst war für mich entspannter, weil es gab keinen Materialverbrauch mehr. Ich konnte Proben aufnehmen, ich habe den Schauspielern zum ersten Mal wieder gesagt, ihr spielt solange, bis ich „Cut“ sage, solange spielt ihr weiter. Also für mich war es ein Fest als Regisseur und als Produzent. Ich sah mich plötzlich mit einer Freiheit konfrontiert, die ich früher gerne gehabt hätte |
"Das Küssen hat für mich besondere Bedeutung" Ein Mann und zwei Frauen versuchen auf dem Land die Liebe: Fred ist Kussforscher und frisch geschieden. Er lernt Luzie kennen, die in ihren Romanen die Seele der Männer erforscht. Sie wohnt mit ihrer Freundin Sibil in einem Haus im ländlichen Vorpommern. Fred beschließt, aus Berlin zu den Frauen zu ziehen und eine Ménage à trois zu probieren. - Der Regisseur Rudolf Thomé beschäftigen sich seit mehr als 40 Jahren mit Liebesbeziehungen und Beziehungsproblemen. Er bleibt sich auch mit seinem neuen Film "Das rote Zimmer" treu.
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"Ich bin niemand, der Lust an der Macht hat" |