Blog |
Kurzfilme |
||
64 Die Versöhnung
66 Stella
67 Galaxis
67/68 Jane erschießt John, weil er sie mit Ann betrügt |
||
80 Hast Du Lust mit mir einen Kaffee zu trinken? 84 Zwei Bilder |
||
Spielfilme | ||
Info |
Mann fährt, Frau schläft Er dreht und dreht und dreht: Rudolf Thomes neuer Film "Du hast gesagt, daß du mich liebst" Man kann schon sehr lange in jenem Geschäft tätig sein, das sich deutscher Film nennt, ohne sich mit seinen Merkwürdigkeiten abzufinden, man kann in 27 Jahren 23 Filme drehen und vor allem im Ausland Anerkennung, in Deutschland aber nur mit Mühe ein Kino finden. Man kann es machen wie Rudolf Thome, der inzwischen 66 Jahre alt ist, der fast jedes Jahr einen Film mit sehr kleinem Budget dreht, damit einer der produktivsten Regisseure ist - und doch nicht wirklich zum Betrieb gehört. Thome muß Filme machen, wie andere Leute ihrem Bewegungsdrang nachgeben müssen. Er geht seinen Weg, er ignoriert die Ignoranz, die ihm oft entgegenschlägt, so gut es geht. Und weil Jammern und Schimpfen nicht hilft, sollte man sich auch als Kritiker nicht damit verausgaben und lieber zusehen, was Thome macht. Er überrascht, indem er immer wieder neue Schauspieler entdeckt und andere wiederentdeckt, wie Hannelore Elsner, die so oft im Prime-Time-Fernsehen Rollen spielt, die sie ersichtlich unterfordern. "Du hast gesagt, daß du mich liebst" ist Thomes dritte Zusammenarbeit mit ihr nach "Rot und Blau" und "Frau fährt, Mann schläft", und es kommt einem so vor, als sei er dabei wieder zurückgekehrt zu jenem leichten Märchentonfall der späten achtziger Jahre, bei dem das Wünschen und Sehnen noch immer geholfen hat. Ein weiteres Indiz dafür ist, daß er mit Johannes Herrschmann wieder einen der Akteure aus jener Zeit verpflichtet hat. "Du hast gesagt" ist die Geschichte einer älteren Frau und eines jüngeren Mannes, die Geschichte der unwahrscheinlichen Liebe zwischen Johanna und Johannes. Da ist ein Baum, der spricht, ein Ambiente, das sehr alltäglich und geerdet wirkt, ein Off-Ton, der als innerer Monolog funktioniert. Es gibt kein Melodram, keine Dramaturgie, die ständig auf die Uhr gucken muß, ob mal wieder ein plot point fällig ist. Thome sucht nach einer Verlaufsform, welche das Unwahrscheinliche plausibel und das Alltägliche märchenhaft erscheinen läßt. Die Bilder sind klar, der Umgang mit Farben ist diskret und sehr wirksam, und die Zeit des Films wird gegliedert durch Johannas täglichen Gang ins Schwimmbad, in dem sie ihre Bahnen zieht, durch ihre Besuche am Grab der Mutter, durch die Handbewegungen, mit denen sie Tomaten und Rucola schneidet. Thomes Helden sind mit ihm gealtert, und so spielt neben dem Leben und der Liebe auch der Gedanke an den Tod hinein. Und Thome hat noch immer ein größeres Interesse an Frauen als an Männern, über die in seinen kleinen Versuchsanordnungen eher mittelbar etwas erforscht wird. Wie die meisten seiner Filme ist auch dieser phasenweise heiter, ohne komisch werden zu müssen, er ist voller Schmerz und Mißverständnisse, ohne traurig zu sein. Er erkundet Möglichkeiten und spielt mit ihnen, ohne sich auf Wahrscheinlichkeiten festzulegen, und insofern sind Thomes Versuchsanordnungen immer auch ironisch, weil es nicht so sehr um das Meßbare geht als um den Prozeß. Am Ende von "Du hast gesagt" reist das ungleiche Paar in die Flitterwochen nach Spanien: Mann fährt, Frau schläft, genau umgekehrt wie in seinem letzten Film. Die Kamera folgt dem Auto über die Landstraße, verliert es allmählich aus den Augen und schaut in die Dämmerung. Wessen Blick das ist? Der Blick des Märchenerzählers, der seine Figuren in andere Geschichten entläßt, die andere erzählen sollen. Rudolf Thome bleibt in seiner Welt, weil sie interessanter ist als die Welt, an der in Drehbuchseminaren und Redaktionssitzungen so lange gebastelt wird, bis sie so lebendig wirkt wie ein Versandhauskatalog. Und wenn sich irgendwo eine Kinotür in diese Thomewelt auftut, sollte man nicht zögern, hineinzugehen. Peter Körte, in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16. 4. 2006
|
||
Du hast gesagt, dass Du mich liebst „Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.“ Der 90. Psalm gibt in seiner Ambivalenz und seiner Gelassenheit den Tonfall dieses lebenserfahrenen Films von Rudolf Thome wieder, der im besten Sinne des Wortes ein Alterswerk ist. Recht früh im Film erinnert die Protagonistin Johanna Perl – famos vielschichtig gespielt von Hannelore Elsner – diese Worte, aber da scheint sie noch unendlich weit davon entfernt, die „Köstlichkeit der Jahre“ zu spüren. Körperliche Schmerzen bereitet ihre Einsamkeit; das Erwerbsleben hat sie ausgespuckt, sie ist im Ruhestand. Partner Herbert hat sie verlassen, Tochter Sophia ist erwachsen – das quälende Alleinsein trifft sie unvorbereitet. „Eigentlich könnte ich jetzt sterben“, sagt sie einmal zu sich selbst und fragt Gott, warum sie noch leben soll. Oder soll sie sich umbringen? Johanna Perl ist in ihrem Leben die Gegenwart abhanden gekommen. Sie geht auf den Friedhof und besucht das Grab ihrer toten Mutter; sie erinnert sich an die schönen Reisen mit Herbert. Sie könnte lernen, richtig gut zu kochen, doch stattdessen liest sie Bücher über das Sterben: „Der Tod ist immer eine Möglichkeit im Leben.“ Einer Laune folgend, antwortet sie eines Tages auf eine Kontaktanzeige in der Tageszeitung. Darin sucht ein 45-jähriger Mann, nicht schön, nicht hässlich, eine „Heilige, Hure, Gefährtin und Geliebte“, ein Henry-Miller-Zitat, wie der immer etwas ungelenke Johannes Kreuzberger einräumt. Kreuzberger stellt sich als Schriftsteller vor, der bereits vier Romane geschrieben hat. Allerdings sei keiner davon bislang veröffentlicht, erzählt er, beschwipst und ernsthaft zugleich. Mit dem komischen Auftritt von Johannes Herrschmann, der 1988 als „Philosoph“ im gleichnamigen Film (fd 27 536) Eingang in Thomes Universum fand, wird das Grüblerische der Johanna Perl geerdet, das existenzielle Pathos mit dem Pathos der Künstlermythen gegen den Strich gebürstet, aber nicht ironisiert. Johanna verliebt sich in Johannes – oder vielleicht auch nur in das Gefühl, von Johannes geliebt zu werden. Natürlich sieht die Liebe im fortgeschrittenen Alter anders aus als die Liebe der Jugend. Johannas Tochter Sophia verliebt sich zeitgleich mit der Mutter in Michael, der, wie sie sagt, „auch aussieht wie ein Engel“ und als Philosophie-Student „alles weiß“. Während sich Johanna vorsichtig auf die Liebe einlässt, lange auf ein förmliches „Sie“ besteht und auf getrennten Betten, gibt sich die Tochter schwärmerisch hin. Doch auch Johannes fühlt sich bei seiner „Göttin“ Johanna „wie im Paradies“, „angekommen“ am Ort, wo er hinzugehören glaubt. Johanna, die gelernt hat, an Gott zu glauben, deutet zumindest an, dass Johannes ein ihr von Gott geschickter Engel ist. Thomes spirituelle Liebesmetaphysik kreist um das Herstellen von Gegenwärtigkeit: Die Figuren müssen aufhören, den Fehlern der Vergangenheit nachzusinnen oder – wie Johanna – stets an den Tod zu denken. Der (gemeinsame) Tanz der Liebenden fungiert als Ausdruck dieser gelingenden Gegenwärtigkeit. Auf vielfältige Weise umkreist der Film das Wunder und die Sprache(n) der Liebe, zeigt gewissermaßen exemplarisch, wie das Glücklichsein die Menschen kreativ macht. Johanna lernt das Fotografieren, Johannes hat mit einem Roman endlich jenen Erfolg, den er ersehnte. Der Titel seines Buchs ist der Titel des Films: „Du hast gesagt, dass du mich liebst“. Einmal erklärt Johannes sein Schreibprojekt als „Beschreibung der Welt, wie sie jetzt, heute ist und Beschreibung der Gefühle, wie sie die Menschen heute haben“. Sehen, beschreiben, erzählen – wie oft in den letzten Filmen Thomes hat man den Eindruck, dass die Grenzlinie zwischen Fiktion und offenbar Autobiografischem zumindest durchlässig ist. Was folgt, sind Prüfungen der Liebe. Johanna weiß, dass Johannes’ Erfolg ihre Liebe gefährdet. Sie fleht Gott an, ihn gegenüber absehbaren Anfechtungen stark sein zu lassen. „Wenn er mich betrügt, verlasse ich ihn“, schwört Johanna in der Kirche. So, wie ihre Mutter einst ihren Vater verließ, so, wie sie Herbert verließ. Hier hat sich die Gegenwärtigkeit bereits wieder in erinnerte Vergangenheit (die Wiederholung alter Handlungsmuster) und die antizipierte Zukunft (Angst vor dem Betrogenwerden, vor dem Verlassenwerden) geschieden; die Leichtigkeit ist dahin. Als Johannes, vom Erfolg hochmütig geworden, sie tatsächlich betrügt, verlässt sie ihn. Rigoros. Der Winter kehrt zurück in den Film. Johanna ist wieder allein, aber die Fotografie erinnert sie permanent daran, wie die Liebe zu Johannes ihr Leben verändert hat. Zwischenzeitlich ist auch Sophias Liebe gescheitert; verzweifelt denkt sie an Selbstmord, weil das Leben so schwer sei. Johanna versucht sie zu trösten: „Jeder Mensch für sich ist eine eigenständige Welt. Wenn zwei zusammenstoßen, gibt es scheinbar unlösbare Konflikte. Wenn man Geduld hat, löst sich fast immer alles von ganz allein.“ Dieser Satz eines Philosophen führt zurück zum 90. Psalm, in dem es heißt: „Du lässest sie dahinfahren wie einen Strom, sie sind wie ein Schlaf, wie ein Gras, das am Morgen noch sproßt, das am Morgen blüht und sproßt und des Abends welkt und verdorrt.“ Mit demselben Gleichmaß, das nicht mit Lakonie verwechselt werden sollte, erzählt Thome seine Geschichte weiter. Ein zweites Mal erhält Johanna die Chance, mit Johannes zu leben. Liebende, das weiß sie nun, sind füreinander geschaffen, und wenn sie einander begegnen, werden sie gemeinsam alt. Am Ende brechen die Liebenden zu einer Reise auf, erst nach Spanien, dann nach Marokko. Johanna träumt: „In Marokko scheint die Sonne. Sie macht uns schön und glücklich.“ Das ist ein Selbstzitat aus „Rote Sonne“ (fd 17 237), wo Marquard Bohm diese Glücksfantasie entwarf. So schreibt sich die Erinnerung an den jüngst verstorbenen Schauspieler ganz selbstverständlich in den Film ein. „Du hast gesagt, dass du mich liebst“ ist damit auch ein gelassener Rückblick auf Thomes eigenes Werk, der erneut vom „Überleben in Niederlagen“ und den Dingen erzählt, die das Weitermachen befördern, indem sie die Vergangenheit in sich aufnehmen. Am Ende sieht man Johannes am Steuer, den Blick nach vorn gerichtet, sehr erwachsen plötzlich. Die Fahrt geht mitten hinein in den Sonnenuntergang. Es sind die alten Träume, um die es Thome noch immer geht; darüber ist (fast) ein Leben vergangen. Alles ist im Fluss. Vorzüglich fotografiert, ebenmäßig montiert, ist „Du hast gesagt, dass du mich liebst“ ein „großer Thome“ geworden, dessen Luftigkeit und Weite vor allem auch aus der improvisierten Klaviermusik von Katia Tchemberdji resultiert, die den Film wie einen Organismus atmen lässt. Eine einsame Ruheständlerin reagiert auf die Kontaktanzeige
eines 45-Jährigen, der unter seiner schriftstellerischen Erfolglosigkeit
leidet. Sie verlieben sich ineinander und erleben Augenblicke stillen
Glücks und einer fast paradiesischen Zufriedenheit. Nach einer
vorübergehenden Trennung stellen sie fest, dass sich ihr Leben
nachhaltig verändert hat. Ein ebenso leichtes wie lebenskluges
Alterswerk, entwickelt in gleichmäßigem Erzählrhythmus,
dessen spirituelle Liebesmetaphysik um das Herstellen von Gegenwärtigkeit
kreist und exemplarisch darzulegen versucht, wie das Glück die
menschliche Kreativität entfacht. - Sehenswert ab 16.
|
||
Es bleibt nur das Alleinsein Eine wunderbare Hannelore Elsner in Rudolf Thomes Film über die Liebe im Alter Johanna sitzt ein wenig eingesunken in ihrem Sessel. Sie liest. Das Buch heißt Wie wir sterben. Zu Beginn könnte man fast meinen, Rudolf Thome wolle uns eine Geschichte erzählen über den Tod: Es scheint nicht mehr viel zu geben in Johannas Welt, das ihr etwas bedeutet. Seit einigen Jahren ist sie im Ruhestand, ein Leben als erfolgreiche Schwimmerin hat sie hinter sich gelassen. Was bleibt, ist das Alleinsein. Die Tochter ist erwachsen und schon lang aus dem Haus. Die Welt sehen? „Allein reisen ist nicht besonders lustig“, spricht Johanna aus dem Off. Hannelore Elsner spielt diese Johanna ganz großartig und füllt ihren Charakter mit ungeheurer Präsenz. Sie ist eine Ausnahmeerscheinung, mit einem fulminante, Comeback durch Oskar Roehlers Unberührbare hat sie es geschafft, trotz Jugendwahn noch immer regelmäßig in aktuellen Kinoproduktionen vertreten zu sein. Es tut gut, ihr dabei zuzusehen, wie sie Leben bringt in diesen Film und Begierde, Sehnsucht und Leidenschaft. Es ist eine Kontaktanzeige, die Johanna wieder aufleben lässt. Ein Mann sucht da „eine Frau, die alles für ihn sein kann: Mutter, Hure, Heilige“. Sie antwortet – und lernt Johannes (Johannes Herrschmann) kennen. Mit dem Mut der Verliebtheit ziehen sie zusammen, ein Experiment natürlich, und einfach macht Regisseur Rudolf Thome es dem Paar nicht. Sie beginnt zu fotografieren, er schreibt an einem Roman. Mit seinem Erfolg beginnt die Beziehung zu leiden – und eine Weile glaubt man, dem Paar solle das Glück einfach nicht gegönnt werden. Dass Thome seine Protagonisten Bilder produzieren lässt und Worte, das scheint ein Echo zu sein seiner eigenen Arbeit am Film. In Kapitel teilt er Du hast gesagt… ein, Überschriften strukturieren die Erzählung und verleihen ihr eine starke Künstlichkeit. Wozu? Vielleicht will Thome darauf hinweisen, wie wichtig Geschichten sind im Leben. Vielleicht sagt er, dass man erzählen muss, um zu leben, dass man das Erlebte in kleine Narrationen packen muss, um es zu verstehen, um glücklich zu bleiben. Und so hat er am Ende dann eben doch keine Geschichte über den Tod erzählt, sondern eine über das Leben. Und seine Helden dürfen doch noch zusammen glücklich werden. Thome hat eine eindrucksvolle Arbeit geschaffen über Liebe und Hingebung – und, vielleicht sein größtes Verdienst: Das Alter der Protagonisten, das zu Beginn so wichtig scheint, es wird mit der Zeit zu dem, was es eigentlich sein sollte – einer Selbstverständlichkeit. Benjamin Happel in Applaus, Kulturmagazin München 04/06
|
||
Du hast gesagt, dass Du mich liebst Fernab der schnelllebigen, pseudoglamourösen Filmszene dreht Rudolf Thome oftmals unverstanden von Kritik und Kinopublikum kontinuierlich Filme, die arm an Budget, aber reich an Improvisation und Überraschung sind. Wie kaum ein anderer deutscher Regisseur beherrscht Thome die Kunst der Andeutung, der Zwischentöne und der unprätentiösen Bildsprache. Auch in seinem neuesten Werk „Du hast gesagt, dass Du mich liebst“ stellt der Regisseur sein wunderbares Gespür für die Poesie des Augenblicks unter Beweis. Seit vielen Jahren erzählt Rudolf Thome in seinen Filmen von Menschen aus Berlin, in deren leicht saturierte Existenzen plötzlich die Sehnsucht hereinbricht. Sein neuestes Werk ist ein Liebesfilm mit melancholischen Grundierungen. Mit seiner langsamen Erzählweise nimmt sich "Du hast gesagt, dass Du mich liebst" viel Zeit für die Entwicklung seiner Charaktere: Hannelore Elsner hat nun bereits zum vierten Mal die Hauptrolle in einem Thome-Film übernommen. Sie spielt eine Frau, die vor langer Zeit einmal deutsche Schwimmmeisterin war und jetzt nach neuen Lebensinhalten sucht. Johanna Perl möchte wieder Farbe in ihr Leben bringen, das Verhältnis zu ihrer verstorbenen Mutter klären und ihre Sehnsucht nach Liebe stillen. Man sieht sie auf dem Friedhof spazieren gehen, in der Kirche beten und im Schwimmbad ihre Bahnen ziehen. Diese Banalität des Alltags kommentiert Hannelore Elsner aus dem Off, unterlegt von den Moll-Klängen der Komponistin und Pianistin Katia Tchemberdji. Als Johanna auf eine Kontaktanzeige antwortet, entspinnt sich eine Liebesgeschichte, deren Dialoge und Bilder immer etwas über der Realität zu schwimmen scheinen. So abstrakt und ausgedacht Thomes Geschichten auch erscheinen mögen, mit ihrem dokumentarischen Ansatz vermitteln sie stets ein konkretes Bild der Gegenwart. Denn das Portrait Johanna Perls ist eine Materialsammlung über das krisenhafte Innenleben der aus dem Arbeitsleben Ausgeschiedenen, der Verheiratet-Gewesenen, der Mütter-erwachsener-Töchter und über allgemeine Desorientierung und Beziehungshunger. Thomes magischer Realismus spielt in den schönsten Szenen des Films souverän mit dem Gegensatz von Distanz und Nähe. Zum Beispiel: Johannes arbeitet am Schreibtisch und tippt einen Roman in die Schreibmaschine, Johanna arbeitet im Garten. Als sie zum geöffneten Fenster geht und ihren Geliebten beim Arbeiten beobachtet, da erfasst der zärtliche Blick des Regisseurs einen Moment totaler Intimität, der so etwas wie ein Glücksversprechen in sich birgt. In einer solchen Poesie des Augenblicks scheint die zarte, aber unmögliche Hoffnung auf, dass alles einmal wiederkehrt, nichts endgültig, verloren, getrennt, entschwunden ist. Auch andere Szenen dieses Films sind von einer solch zarten Radikalität
beseelt. Thome erzählt eine Geschichte, die man unzumutbar banal
finden kann, aber „Du hast gesagt, dass Du mich liebst“ bewahrt
in seinen Formen ein utopisches Potential, das hier die Züge eines
Märchens trägt: Johanna Perl sucht in ihrem Liebeskummer Trost
und Rat in einem Wald, und als die Bäume zu ihr sprechen, kündigt
sich ein Happy End an, das sich behutsam von der zuvor erzählten
Geschichte abhebt. Wenn das wieder gefundene Liebespaar am Ende des Films
in den roten Sonnenuntergang fährt, filmt Kamerafrau Ute Freund
diese Szene im Stile eines verwaschenen Super-8-Films. So kommt kein
Reklamephoto zustande, und die unprätentiöse Bildsprache lässt
den Figuren ihr Geheimnis.
|
||
Du hast gesagt, dass Du mich liebst Eine Spitzensportlerin und Schwimmtrainerin geht in Pension. Wir sehen
sie schwimmen. Sie schneidet Tomaten, sinniert und flucht in einem inneren
Monolog über ihr Leben, ihren Ex-Mann, ihre Einsamkeit. Sie hadert
mit ihrer toten Mutter und wir erfahren, dass es eine Familientradition
gibt, den untreuen Mann zu Teufel zu jagen. Eigentlich langweilig, aber
der Film ist vom "deutschen Eric Rohmer" Rudolf Thome und die
Frau ist Hannelore Elsner. Etwas in ihren Augen, in ihren Bewegungen
sagt dir: Die kann mehr als nur Tomaten schneiden und schwimmen. Ich
wünsche mir jetzt natürlich, dass sie kühn und wild etwas
ganz Neues ausprobiert. Das tut sie ja scheinbar auch. Sie antwortet
auf eine Anzeige, in der ein Mann eine Hure, Dienerin, Liebhaberin, Mutter
usw. sucht. Das kann ich, sagt sie uns, dem Filmpublikum, das sich Rudolf
Thomes neuen Film anschaut, und wir glauben es ihr und bleiben noch ein
bisschen.
|
||
Kleiderschrank des Lebens Rudolf Thome und Hannelore Elsner zum Dritten: "Du hast gesagt, dass Du mich liebst" Im Schwimmbad scheint die Frau in ihrem Element. Allein zieht sie ihre Bahnen, von keinen äußeren und inneren Impulsen irritiert. Sie hat Zeit, und man sieht ihr nicht an, aus der Ferne, ob sie gelassen und ausgeglichen ist oder in einem Zustand der Erregung. Die Verstrebungen der riesigen Glasfassade hinten, die sich gespiegelt im Wasserbecken fortsetzen, skandieren die fließenden Bewegungen der Schwimmerin. Der Beckenrand wird von den von der Schwimmerin aufgewühlten Wellen überspült, so dass sie Elemente ineinander übergehen wie am Meeresstrand. Land, das sich ins Wasser schiebt, Wasser, das ins Land strömt. Johanna Perl war Sportlerin in ihrer Jugend, siebenmal deutsche Meisterin im Brustschwimmen, das erklärt sie uns jedenfalls gleich zu Beginn, wenn sie anfängt ihre Geschichte zu erzählen. Dem zierlichen Körper von Hannelore Elsner, die Johanna spielt, sieht man diese Supersportvergangenheit nicht an – aber man kennt solche erzählerische Frivolität ja aus den meisten anderen Thomefilmen. Seine Akteure probieren gern fremde Existenzen an wie Kinder, die aus dem Schrank der Großen deren Kleider rauszerren und sich überstreifen. Der psychologischen und dramaturgischen Geschlossenheit, die der Filmbetrieb fordert, hat Rudolf Thome in seinen Filmen das freie Spiel der Formen entgegengesetzt – so hat er es bei der Nouvelle Vague gelernt, in den Sechzigern. Die traditionellen Rollen hat Johanna seit einiger Zeit abgelegt, ihren Mann hat sie verlassen – „Du hast gesagt, dass du mich liebst … und dann hast du mich doch betrogen! -, der Tochter ist sie mehr Freundin als Mutter. Die ganze Stadt spricht nun von Liebe, ist gleichsam eine einzige Reklametafel für die Zweisamkeit. Ein alter Mann spricht Johanna auf dem Friedhof an, mit dem vertrauten Thome-Satz: „Hätten Sie Lust, mit mir einen Kaffee zu trinken?“ Johanna liest eine Kontaktanzeige in der Zeitung, ein Mann sucht eine Gefährtin, die Heilige und Hure ist. Ja, sagt Johanna da, ficken würde mir gut tun. Manchmal sucht sie Trost bei der Natur, bei den alten Bäumen im Wald oder bei den Psalmen, die von der Kürze des Lebens künden, „und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon“. Die Liebe hat etwas wunderbar Pragmatisches in diesem Film, bei Johanna und ihrem Johannes, dem Mann aus der Anzeige – Johannes Herrschmann, der 1988 der „Philosoph“ war in Thomes gleichnamigem Film. Wie immer bei Thome gelangt man zur Natürlichkeit nur übers Ritual. Mit rührender Schüchternheit und anmutiger Umständlichkeit wird umarmt und geküsst, in tastenden Worten bringt man seine Befindlichkeit, seine Freude und sein Entzücken zum Ausdruck, sie verwandelt ihr Schlafzimmer mit Dutzenden von Lichtern in ein Hochzeitsgemach, er reißt sich auf ihr Geheiß brav die Kleider vom Leib und kriecht zu ihr ins Bett. Dort nimmt sie ihm endlich den Hut vom Kopf. Man hat den Eindruck, das ist der Beginn einer großen Freundschaft. Einer Liebe auch, und einer Karriere – Johannes ist Schriftsteller, und der Roman, den er danach beginnt, wird ein Erfolg. Noch immer geht von den Filmen von Rudolf Thome ein unerklärlicher Zauber aus, eine glasklare, gar nicht heimelige Märchenhaftigkeit, die schon mit dem ersten Bild einsetzt, einem Schwenk über die Dächer von Berlin, mit kleinen Kaminen, aus denen kleine Rauchfahnen dringen. Meine Filme sind eine black box, hat Rudolf Thome erklärt – das sind die Systeme, wo man vorn etwas eingibt und hinten kommt bearbeitet und verwandelt etwas anderes raus. Was im Innern passiert, wie das alles funktioniert, weiß kein Mensch, denn der schwarze Kasten ist und bleibt unergründlich. In der Thome-Box sind die Inputs die Überlegungen eines Mannes, der seit den Sechzigern Filme dreht, erst in München, dann in Berlin, und der sich vor vielen Jahren aus der Stadt in die Ebenen davor verzogen hat, in ein Haus auf dem Lande, wo er übers Internet uns teilhaben lässt an der Entstehung seiner Geschichten und an seinem Verlangen, neue Filme zu fabrizieren. Der Output sind Filme, die merkwürdig zeitlos wirken und dann, beim zweiten Hinsehen, sehr schöne und sehr genau Diagramme unserer Gesellschaft sind. „Das Sichtbare und das Unsichtbare“ soll sein neuer Film heißen, den er diesen Sommer drehen will: „Das Sichtbare“, schrieb er dazu, „das ist das quirlige, hektische Leben. Das Unsichtbare ist der Tod, der hinter allem Leben steht. Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung 20. 04. 2006
|
||
Boy Meets Girl Regisseur Rudolf Thome und Hannelore Elsner entdecken im Team das endlos variierte Thema Liebe nochmals neu: "Du hast gesagt, dass du mich liebst" "Das tausendfach Getane so zu tun, als wäre es das erste Mal." - Dieser Satz aus einem Zeitungsartikel bringt eine fast vergessene Saite in Johanna Perl zum Klingen. Bis dahin hat sie in Dingen der Liebe, die eben auch die Dinge des Lebens sind, eher vorsichtig gehandelt. Doch nun reagiert sie, die siebenfache deutsche Meisterin im Schwimmen ist, spontan. Kaum hat sie diesen Satz gelesen, fragt sie ihren Geliebten Johannes, ob er sie heiraten will. Es ist ein magischer Moment, der sich da an Johannas kleinem Küchentisch zuträgt: Ein tiefes Verständnis, das keiner weiteren Worte bedarf, verbindet Johanna und Johannes. Die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit denen sie den Antrag macht und er ihn annimmt, erwachsen aus einer Reinheit der Gefühle. "Das tausendfach Getane so zu tun, als wäre es das erste Mal" - besser kann man Rudolf Thomes Art, Kino zu machen, kaum beschreiben. Immer wieder hat er in seinen Filmen die alte "boy meets girl"-Formel variiert. Doch so vertraut einem dieses Muster auch sein mag, wenn Thome es sich zu Eigen macht, entdeckt man es jedes Mal noch einmal neu, wie nun wieder in Du hast gesagt, dass du mich liebst. Eine Kontaktanzeige bringt den Stein ins Rollen. Seit kurzem befindet sich die 65-jährige Johanna (Hannelore Elsner) im Ruhestand, noch hat sie sich nicht an das neue Leben gewöhnt. Sie fühlt sich nutzlos und weiß nicht, wie sie die Tage ausfüllen soll. Die plötzliche Leere in ihrem Leben gebiert Gedanken an den Tod. Doch dann wird sie auf eine Kontaktanzeige aufmerksam: "Mann, 45, nicht besonders schön, nicht besonders hässlich, sucht Frau, die für ihn alles ist: Schwester, Mutter, Heilige, Hure, Gefährtin, Geliebte!". Von nun an begleiten Johanna die Worte des Unbekannten auf ihren Spaziergängen über den Friedhof, auf dem ihre Mutter liegt, beim morgendlichen Schwimmen und selbst dann noch, wenn sie zu einem Buch greift. Sie ist sich sicher: Sie "kann vieles von dem, was der geschrieben hat". In der Anzeige liegt ein Versprechen auf eine Zukunft, die mehr zu bieten hat als den Tod, und aufgrund dieses Versprechens schreibt sie dem 20 Jahre jüngeren Mann. Die Liebe ist immer ein Abenteuer in Rudolf Thomes Filmkosmos. Sie gleicht einer Entdeckungsreise in ein unerforschtes Land. So viele Erfahrungen seine Protagonisten auch vorher schon mit ihr gemacht haben, nichts schützt sie vor den Gefahren, die hinter jeder Wegbiegung auf sie zu warten scheinen. In der Nacht, in der sich Johanna in den Romancier Johannes Kreuzberger (Johannes Herrschmann) verliebt, entflammt ihre Tochter Sophia für den Philosophiestudenten Michael, der in ihren Augen auch "wie ein Engel aussieht". Auf getrennten Wegen, aber doch gemeinsam, machen sich Mutter und Tochter auf die Reise. Vergangene Erlebnisse lassen Johanna bedachter zu Wege gehen. Aber selbst die größte Vorsicht kann sie nicht vor dem Wahn und vor den Schmerzen schützen, die Teil dieser Reise sind. Der Ausgang des Abenteuers Liebe bleibt immer ungewiss. Aber selbst wenn es wie für die von Anna de Carlo gespielte Sophia in einem Debakel enden sollte, ist es doch nie vergebens. Die Liebe füllt nicht nur die Leere in Johannas Leben aus, sie gibt ihren Alltagsritualen wieder einen Sinn. Immer wieder zeigt Thome Johanna, wie sie über den Friedhof geht, wie sie ihre Bahnen im Schwimmbad zieht oder Rucola und Tomaten für ihr Frühstück schneidet. Die Wiederholungen strukturieren das Geschehen und schaffen ein Gefühl für das Alltägliche. Jedes Mal wählt Thome eine etwas andere Perspektive und betont so zugleich, dass selbst einfache, unzählige Male durchexerzierte Rituale neben der Wiederholung auch immer eine Ahnung von Variation enthalten. Fotos mystischer Erfahrungen So bewahrt sich auch das tausendfach Getane seine Einzigartigkeit. Aber erst der Einbruch des Außergewöhnlichen ins Gewöhnliche öffnet Thomes Protagonisten die Augen für magische Potentiale. Ihre Liebe zu Johannes verändert zwar nicht Johannas Tun, aber ihren Blick auf die Welt. Bei ihren Spaziergängen hat sie nun immer eine Kamera dabei. Ihre Bilder zeigen Bäume oder auch ein Feuer, fangen darüber hinaus aber vor allem eine mystische Erfahrung ein, die Worte allein nicht ausdrücken können. Johannas Fotografien kommen einer visuellen, filmischen Synekdoche gleich: In ihnen spiegelt sich das Wesen von Thomes Filmen - das kunstvoll Spontane seiner Bilder wie die Offenheit seiner Kompositionen. Zugleich verweisen sie auf die Verschmelzung von Regisseur und Hauptdarstellerin. Nach nunmehr drei gemeinsamen Filmen bilden Rudolf Thome und Hannelore Elsner eine künstlerische Einheit, in der der Geist der großen Kinopartnerschaften - von Roberto Rossellini und Ingrid Bergmann, von Michelangelo Antonioni und Monica Vitti - weiterlebt und eine neue Ebene erreicht. Sascha Westphal in Frankfurter Rundschau, 20. 4. 2006
|
||
Mann schreibt, Frau putzt Einblick in ein fremdes Universum: „Du hast gesagt, dass du mich liebst“, der neue Film von Rudolf Thome Im Presseheft erlaubt der Berliner Produzent, Regisseur und Drehbuchautor Rudolf Thome einen Blick in seine Werkstatt. Seit 18 Jahren, mithin bei der Hälfte seiner bislang 24 Kinofilme, arbeite er beim Schreiben nach dem immerselben Prinzip: „Ich setze mich hin, achtundzwanzig Tage, mache zehn Tage handschriftliche Notizen, am elften Tag fange ich an, das Drehbuch zu schreiben und am achtundzwanzigsten Tag bin ich fertig.“ Ist das imponierend? Oder ein bisschen kurios? Oder, als arg repetitives Exerzitium, gar absonderlich? Vor allem kündet das Prinzip solcher Kreativ-Stechuhr nach dem Mondeslauf von einem sich selbst genügenden Universum – und tatsächlich ist das Werk des Rudolf Thome, geboren 1939, mit den Jahren reichlich hermetisch geworden. Immer mehr Zuschauer haben sich kategorisch von seinen Filmen abgewendet – kurioserweise vor allem Frauen, denen sein Einfühlungsvermögen doch ausdrücklich gelten soll; und spätestens seit „Tigerstreifenbaby wartet auf Tarzan“ (1997) tut es wohl Not, sich zum eigenartigen Genuss neuer Werke des unermüdlichen Filmemachers ganz von anderen Wahrnehmungsplaneten abzustoßen. Die Dialoge, die Situationen mitunter himmelschreiender Kitsch? Das Männer- und vor allem das Frauenbild hoffnungslos antiquiert? Aber ja. Aber eben: Kategorien von anderswo. Zum dritten Mal nach „Rot und Blau“ (2002) und „Frau fährt, Mann schläft“ (2003) spielt Hannelore Elsner die Hauptrolle in einem Thome-Film; diese nun ist ihre verletzlichste, intimste, allerdings auch pathetisch gefühlsseligste. Elsner gibt die geschiedene, frisch pensionierte Schwimmtrainerin Johanna Perl, die sich – einem ihrer zahlreichen Zwiegespräche mit Gott folgend – plötzlich nicht mehr auf den Tod vorbereitet, sondern auf eine Kontaktanzeige reagiert. So begegnet sie dem brotlosen Romancier Johannes Kreuzberger (zum fünften Mal in einem Thome-Film: Johannes Herrschmann), der eine „Heilige und Hure“ sucht – und nicht lange nach dem ersten Rendezvous, bei dem er fürs Rosenbukett gar seine Uhr im Pfandhaus hat versetzen müssen, zieht der hagere, hochgewachsene Mittvierziger bei ihr ein. Schon schenkt sie ihm einen Laptop, schneidet artig die Gartenhecke, damit er mehr Licht beim Dichten hat und putzt hingebungsvoll seinen Fußboden. Die Folge: Der so vielfach Beglückte verfasst wie entfesselt den Roman „Du hast gesagt, dass du mich liebst“ – und das Buch wird, nicht zuletzt dank inständiger Gebete Johannas, ein Erfolg. Dieser Film ist ein merkwürdiges Märchen für Erwachsene. Mit viel VoiceOver, von Hannelore Elsner in stereotyp hohem Ton dargebracht. Mit einer durchgängig und durchdringend perlenden Klavier-Improvisation (Katia Tschemberdij). Nur einmal erlebt der Zuschauer den Angriff der Wirklichkeit auf das übrige Raunen: als Johannes mit einer Journalistin, die ihm einen Verlagskontakt nach Paris vermittelt, für zwei Wochen verschwindet und die Affäre Johanna gegenüber kühl als bloß karrierefördernd herunterspielt. Johanna schafft es immerhin, den Fremdgänger rauszuschmeißen, um sich fortan umso heftiger nach ihm zu verzehren. Erst eine siebentägige Selbstkasteiungs-Fastenkur, die ihr – tatsächlich! – ein mit Johannes’ Stimme sprechender Baum empfiehlt, führt den Abtrünnigen zurück. Und bald läuft das Paar in den Hafen ewigen Ehefriedens ein, der Lebensabendsonne entgegen. Wie mit alledem umgehen, das sich selbst so rettungslos ernst nimmt? Ironie schlägt seltsam fehl, schließlich verfolgt der immer wieder mal als deutscher Rohmer gepriesene Regisseur – „Je älter ich werde, desto mutiger werde ich“ – sehr bewusst einen höchst einzelgängerischen Weg. Unerhört feierlich, mal geradlinig fromm, mal eher laizistisch lyrisch, ist diesmal der Thome’sche Grundton geraten; nur für schrille Augenblicke biegt er, als sei er denn doch süchtig nach dem Sauerstoff lebenswirklicher Widersprüchlichkeit, unvermutet ins Irdische, ja Grobschlächtige ab. Und doch: Man möchte lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Rudolf Thome, der einst „Rote Sonne“ (1970) erfand und „Berlin, Chamissoplatz“ (1980), leichte, wunderbar verquere Parabeln auf das wildeste Jahrzehnt der Bundesrepublik, dreht sich in seinen Filmen nur noch um sich selbst – Prediger einer Gemeinde, in der der Mann das Sagen hat, auch wenn er schweigt. In der die Frauen zwar zum Schein vergöttert werden, Hauptsache, sie sind dem Pascha am Ende untertan. Und in der die – wie zum penetranten Generationenbeleg mitinszenierten – erwachsenen Kinder einen seltsam linearen Frieden mit derlei archaischen Vorstellungen schließen. Doch klein geworden ist diese Gemeinde. Ziemlich klein. Jan Schulz-Ojala, Der Tagesspiegel 21. 4. 06
|
||
Frauenversteher "Du hast gesagt, dass du mich liebst, aber du hast mich nie geliebt. Wahrscheinlich nur dich selbst. Nein, sonst hättest du auch mich lieben können", gebetsmühlenartig wiederholt Johanna die Sätze. Johanna ist etwa sechzig. Bei einem Mann würde man sagen, er ist in den besten Jahren. Eine Frau gilt in diesem Alter als abgeschrieben: alt, verbraucht, das Leben vorbei. Und dennoch, jeden Tag aufstehen, Bahnen ziehen im leeren Schwimmbad, das Frühstück mit der roten Tomate auf Vollkornbrot, der Spaziergang über den Friedhof, die Rituale einhalten. Von weitem sieht sie aus wie ein kleines Mädchen, das nicht weiß, wohin mit sich. In der Einsamkeit verhallen ihre Selbstgespräche: "Lieber Gott, wenn es dich gibt, dann sag mir, warum ich noch leben soll." Gott schweigt. Die Sehnsucht bleibt.Plötzlich ist da diese Zeitungsannonce, die ihr nicht mehr aus dem Kopf will. Da sucht einer nach einer, die für ihn Mutter, Hure, Schwester und Freundin zugleich sein soll. Mutter einer erwachsenen Tochter ist Johanna sowieso. "Hure", denkt sie sich, "das kriege ich auch noch hin", und Schwester und Freundin sowieso. Und sie ruft an. Und sie treffen sich. Und der Funken der Liebe springt. Zwischen ihr, der schwarzhaarigen Schönheit, und dem 15 Jahre jüngeren selbst ernannten Schriftsteller mit den vier unveröffentlichten Romanen. Der Abend wird zum Rausch, die Nacht zum Märchen und der Annoncenkontakt darf wiederkommen. Schnell will er bleiben. Johanna räumt ihr seit Jahren verschlossenes Zimmer mit den vielen Erinnerungen an eine Familie, die es nicht mehr gibt, für ihn frei. Jetzt muss nur noch die Liebe bleiben wollen. Irgendwann beginnt es, das Zittern, die Angst, nicht mehr vertrauen zu können. Dass einer nicht mehr nach Hause kommt. Der Geruch von Betrug und Verrat. Johannes, der 45-Jährige, feiert Erfolge als Schriftsteller. Sein Bestseller: "Du hast gesagt, dass du mich liebst". Die Geschichte von Johanna und Johannes. Und als wenn alles so kommt, als ob es so kommen müsste: "Hast du mit ihr geschlafen?", fragt Johanna. Das habe sich so ergeben, so seine Antwort. Johanna ist konsequent, bricht jeden Kontakt ab – und leidet wie ein Hund. Im Glück wie im Unglück gibt Hannelore Elsner eine bewundernswerte, großartige Johanna. Rudolf Thome hat mit "Du hast gesagt, dass du mich liebst" ein weiteres filmisches Meisterwerk über die Innenansichten von Frauen gedreht und zitiert zum Ende Textzeilen aus seinem ersten Film "Rote Sonne" (1970). Da sagt Marquard Bohm zu Uschi Obermaier: "Peggy, ich gehe nicht ohne dich. Wir fahren nach Marokko, da scheint die Sonne und wir werden zu besseren Menschen." Das ist kurz, bevor die beiden sich unter der aufgehenden Sonne am Starnberger See abknallen. Love kills. Fängt gut an und geht schlecht aus. Aber nicht immer!? Silke Kettelhake in Fluter.de
|
||
Alte Liebe Wer Filme wie „Rote Sonne“ und „Berlin Chamissoplatz“ gemacht hat, dem folgt man überall hin. Das ist quasi das Versprechen, das uns der Autorenfilm abgenommen hat. In einem Interview hat Rudolf Thome gesagt, er habe schon früher von den Filmen geträumt, die er als Sechzig-, Siebzigjähriger machen werde. Wenn man „Du hast gesagt, dass du mich liebst“ sieht, ahnt man, warum. Es ist darin eine Unaufgeregtheit am Werk, die sich nicht mehr aus Welthaltigkeit speist, sondern aus der Überzeugung, was man erzählt, sei Welt genug. Diese besteht aus Hannelore Elsner und vielen inneren Monologen einer verlassenen Frau, die mit dem Leben und den Männern hadert, dann aber über eine Kontaktanzeige den idealen Mann (Johannes Herrschmann) findet, einen erfolglosen Schriftsteller, dem sie zur Muse wird. Als Utopie ist diese Beziehung durchaus ernst gemeint, aber ohne einen Schuß Ironie ist sie kaum zu ertragen. Kamerafrau Ute Freund findet tolle Bilder von der Waldeinsamkeit und leeren Schwimmbädern, und irgendwie erinnert das an die Karriere von Rudolf Thome, der unbeirrt seine Bahnen zieht. malt (Michael Althen) in der FAZ, 22. 04. 2006
|
||
Einsam auf moderne Art Bäume sprechen: Rudolf Thomes neuer Film "Du hast gesagt, dass du mich liebst" Rudolf Thomes Filme sind nicht für jedermann. Was an sich ja noch nichts Besonderes ist, schließlich kann man das Gleiche von Eric Rohmer, Aki Kaurismäki oder sogar Woody Allen sagen. Während die Genannten aber ihre Zuschauergemeinde durch regelmäßige Belieferung mit typischer Ware bei der Stange halten, stellt Thome seine Fangemeinde mit jedem Film auf eine neue Probe. Und das nicht, weil er Experimente wagen oder sonst wie untypisch agieren würde. Nein, "Du hast gesagt, dass du mich liebst" - wie für Kenner schon am Titel ablesbar - ist ein in all seinen Eigenschaften typischer Thome-Film: Unprätentiös gefilmt; es geht um Liebe und Alltag; Hannelore Elsner spielt mit. Die Probe für die geneigten Zuschauer besteht darin, ob und wie weit man es diesmal wieder aushält: die Kombination aus menschlicher Ungelenkheit und gestelzten Sätzen, die Unmittelbarkeit der Inszenierung, das Privatistische. Anders formuliert könnte man auch sagen: Thomes Filme sind peinlich. Aber das ist eben zugleich auch ihre Stärke. Einerseits ist Thome ein großer Realist: Niemand kann wie er den unscheinbaren Glamour Berliner Altbau-Wohnungen auf die Leinwand bringen. Auch die Figur der 60-jährigen Johanna, die Elsner hier spielt, scheint ungemein sorgfältig der Wirklichkeit abgeguckt: eine geschiedene Frau in Frührente, die durch gewisse Tätigkeiten wie Schwimmen und Spazierengehen versucht, eine Struktur in ihrem Leben aufrechtzuerhalten, dann aber am helllichten Nachmittag beim Lesen auf dem Bett einen Verzweiflungsanfall bekommt: "Warum habe ich mich nicht besser vorbereitet auf die Zeit, in der ich nicht mehr arbeite?" Johanna ist einsam auf durchaus moderne Art: eine in gewisser Weise selbst geschneiderte Einsamkeit. Wie man aus den inneren Monologen erfährt, die die ersten Filmsequenzen mit ihr aus dem Off begleiten, hat sie ihren Ehemann verlassen, weil der untreu war; auch pflegt sie keinen intensiven Kontakt mehr zur erwachsenen Tochter, schließlich ist die selbstständig. Ihr einziger Gesprächspartner ist im ersten Teil des Films die tote Mutter, deren Grab sie regelmäßig aufsucht. Das etwas affektierte Spiel von Hannelore Elsner trägt auf kongeniale Weise dazu bei, aus Johanna ein präzises Porträt einer bestimmten Art von Weiblichkeit zu machen. Sie ist das typische alt gewordene Mädchen, das die Prinzessinnen-Träume nie aufgegeben hat. Eigentlich möchte sie als Diva behandelt werden, und selbst 50 Jahre völliger Religionsferne können sie nicht daran hindern, in die nächstbeste Kirche zu stiefeln, um Gott darum zu bitten, ihr einen Gefallen zu tun. Dass diese Frau den Prinzessinnen-Traum, die kirchliche Hochzeit, erfüllt bekommen wird, kann man an dieser Stelle bereits ahnen. Das heißt aber auch, dass sich rein handlungstechnisch Thome diesmal in gefährlicher Nähe zum ZDF-Sonntagabend-Programm befindet. Kaum ist das Gebet an Gott verklungen, taucht auch schon der Mann auf, der den Zustand der Einsamkeit beendet. Er heißt praktischerweise Johannes, und es ist Liebe auf den ersten Blick. Bevor das Glück sich endgültig niederlassen kann, muss aber noch so manche Schicksalsprüfung bestanden werden. Aber wieder hilft die Kleinmädchenmagie und bringt einen Baum zum Sprechen. Dargestellt ist das natürlich alles ganz anders als in den Pilcher-Verfilmungen. Einerseits ungeschönter, andererseits viel poetischer. Was eine nicht immer leicht zu ertragende Kombination ist, sondern manchmal den echten Peinlichkeiten des Lebens verdammt nahe kommt. Barbara Schweizerhof in TAZ, 24.04.2006
|
||
Du hast gesagt, dass Du mich liebst Hannelore Elsner in einer neuen Liebeskomödie von Rudolf Thome Der Star trägt Rot und Schwarz, gelegentlich auch eine schöne beige Frühlingshose mit floralem Muster. Die Lampenschirme leuchten wie Ausrufezeichen, die Wandfarben atmen Vitalität – Hannelore Elsner und ihr Ambiente sind eine Augenweide, ein kostbar auf souveräne Zeitlosigkeit gestyltes Ensemble. Immer wieder sieht man ihr beim Schneiden von Tomaten zu, auch Bücherlesen und zupackende Gartenarbeit kommen vor. Ihr diszipliniertes Schwimmen in einer leeren Halle strukturiert die Filmerzählung wie Taktschläge, und nicht zuletzt folgt die Kamera ihren elastischen Bewegungen, wenn sie den Wald oder glühende Holzscheite im wilden Hinterhofgarten fotografiert. Hannelore Elsners dritter (von inzwischen vier) Filmen mit Rudolf Thome feiert weibliche Sinnlichkeit mit derart ausgekochter Delikatesse, dass ein vages Gefühl zurückbleibt, hier müsse etwas bewiesen werden. Wie zuvor verkörpert Hannelore Elsner in Thomes wunderlichem Genre-Kosmos die lebenskluge, reife Frau in Liebesnöten – heftige Aufwallung, eine versöhnliche Grundstimmung und ein harmonisches Happy End inklusive. Johanna Perl, eine allein lebende Neu-Rentnerin ohne Finanzsorgen, nimmt den Kampf gegen die Unausgefülltheit auf. Man begleitet sie auf einsamen Gängen durch ein menschenleeres Berlin, immer wieder zum Grab ihrer Mutter. In fortwährendem Parlando räsonniert Johannas innere Stimme in jener zirpenden und girrenden Manier, die Hannelore Elsner bis zur Affektiertheit kultiviert hat, gegen die verstorbene Mutter, vor allem deren moralischen Rigorismus: Die Mutter hätte den Vater nicht wegen eines Seitensprungs verlassen dürfen. Die Einsame verhandelt auch mit Gott, den sie vertrauensvoll in der Kirche besucht. Grundiert von wechselnden Jahreszeiten entwickelt der Film aus der melancholischen Stimmung eine mädchenhafte Liebesgeschichte. Johanna reagiert auf eine Kontaktanzeige, in der Johannes (Johannes Herrrschmann), ein sanfter, ungelenker, 20 Jahre jüngerer Schriftsteller, eine Frau sucht, die alles ist: „Hure, Heilige, Gefährtin, Geliebte.“ Thomes Dialoge ziehen alle Register romantischer Überhöhung. Die aufblühende Göttin nimmt den verkrachten Schreiber zu sich, ist ihm Muse, Mäzenin und Lektorin. Aus dem gebenden Zusammensein folgt wie von selbst die Entdeckung ihres eigenen künstlerischen Potenzials als Fotografin. In Windeseile wird die Melange aus altväterlichem Frauenlob und emanzipativer Selbstentfaltung angerichtet. Dem Star gebührt dabei mehr Glanz als dessen Film-Tochter (Anna de Carlo), die wie sein Double aussieht, jedoch weniger weise durch die eigenen Liebesprobleme tappt. Fazit: Johanna lernt in einer pathetischen Krise, ihrem plötzlich erfolgreichen Schriftsteller einen Seitensprung zu verzeihen. Es folgen eine weihevolle Hochzeitszeremonie und im Finale die sprichwörtliche rote Sonne aus Rudolf Thomes berühmtesten Film. DU HAST GESAGT, DASS DU MICH LIEBST ist eine Komödie voll kapriziösem Edelmut, deren Traumschwere am Anfang amüsiert und am Ende erschöpft. Claudia Lenssen in epd Film 5/2006
|
||
Wenn die aufblühene Liebe Flügel verleiht „Du hast gesagt, dass du mich liebst“ ist anrührend, leichtfüßig und lebensklug zugleich Rudolf Thome hat, welch schönes Versprechen, einen neuen Film gedreht. Wieder spielt, zum dritrten Mal schon, Hannelore Elsner die Hauptrolle. Wieder geht es um die Liebe, darum, wie sie uns trifft, was sie mit uns anstellt. Die Elsner spielt – wunderbar, entrückt, fast schwebend, mit einem leisen Lächeln im Gesicht – Johanna Perl, die plötzlich mit sich allein ist. Vom untreuen Mann verlassen, die Tochter erwachsen, das Berufsleben vorbei. Was könnte nun noch kommen? Johanna steht ein wenig neben sich. Auf das Leben ohne Arbeit ist sie nicht vorbereitet. So beschäftigt sie sich lustlos, geht schwimmen, liest Bücher, besucht das Grab ihrer Mutter. Bis sie eine Kontaktanzeige entdeckt: „Suche Heilige, Gefährtin, Hure und Geliebte“. Johannes Kreuzberger (Johannes Herrschmann), ein Romanautor ohne Verleger, hat sie aufgegeben. Das erste Treffen verläuft ein wenig steif und endet trotzdem im Bett. Was Johanna nicht daran hindert, Johannes beharrlich zu siezen. „ Sie sehen aus wie eine Göttin! Ich möchte niederknien und Sie anbeten!“ sagt Johannes hingerissen. „Was hindert Sie daran?“ lautet die Antwort. Solche Dialoge gibt es nur in einem Thome-Film, und nur hier ist man bereit, sie zu akzeptieren. Die Liebe im Alter wird gespiegelt durch die Liebe in der Jugend: Tochter Sophia (Anna de Carlo) schwärmt für einen Philosophie-Studenten. Natürlich verleiht die Liebe auch Flügel. Johanna beginnt zu fotografieren, Johannes veröffentlicht seine Romane. Doch dann kommen die ersten Prüfungen: Johannes, vom Erfolg verführt, geht fremd, Johanna ist wieder allein. Und nun sorgt Thome für Magie: sprechende Bäume, phantastische Fieberträume, eine Reise nach Marokko. Rudolf Thome ist es einmal mehr gelungen, den Zuschauer mit makellosen Bildern, wundervollen Dialogen und flüssig-angenehmem Schnitt in sein Universum zu ziehen, und das ebenso unspektakulär wie leichtfüßig, ebenso anrührend wie lebensklug. In der Liebe gibt es immer eine zweite Chance. Eine wunderschöne, hochromantische und auch tröstende Erkenntnis. Michael Ranze, Hamburger Abendblatt, 1. 06.06
|
||
Warten auf ein
Wunder
|