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Rudolf
Thome im Gespräch mit Karlheinz Oplustil und Gudrun
Max in Berlin, Sardinien KH: Ist das Drehbuch zu „Rauchzeichen“ schon für
den Schauplatz Sardinien geschrieben worden? KH: Es tut dem Film sehr gut, dass er auf Sardinien gedreht ist und nicht irgendwo an einem See in Brandenburg oder Mecklenburg. Das bringt in den Film einen ganz anderen Atem und eine ganz andere Stimmung. Was ist das Besondere an dieser Landschaft? Was hat dich da so interessiert? RT: Die Wildheit, die Unberührtheit … ich habe einmal auch gesagt, der Film ist ein bisschen wie ein Western. Was vielleicht pars pro toto rauskommt, wenn Jade ihrem Vater dieses alte Häuschen zeigt, wo sie sagt, dass sie dieses früher eingerichtet haben und dass sie da von Michael ihren ersten Kuss gekriegt hat. Dieses Häuschen hat mich, als ich zum ersten Mal da war, maßlos beeindruckt. Man sieht in diesem Gebiet auch, was da schon alles passiert ist. Ich habe zu Dörte mal gesagt, das ist auch ein Film über diesen Platz. Das war mein Gefühl beim Drehen, nach 5, 6 Drehtagen. Das ist ein Film über diesen Ort, wo sich das abspielt. KH: Es ist einmal die Landschaft, die an eine Westernlandschaft erinnert. Aber auch der Anfang des Films ist eigentlich eine klassische Westernszene: wenn da Joe als Fremder kommt, und wie er sich bekannt macht und sich da hinsetzt. RT: Es ist ja alles extrem merkwürdig, wie die auf ihn reagieren, unfreundlicher kann man ja gar nicht sein. Der erste Satz ist: „Sie hätten das Taxi warten lassen sollen.“ Um ein Jahr verschoben KH: Kannst du etwas über die Produktionsgeschichte von „Rauchzeichen“ erzählen? RT: Ich hatte alles vorbereitet, wir waren im Januar 2004 mit sechs
Mann auf Sardinien: Kamera, Regieassistentin, Ausstattung, Aufnahmeleitung,
Bühne – wir hatten die Idee einer „fliegenden Kamera“ so
wie in Rossellinis „Il Messia“ – und wir haben uns
alle Drehorte angeschaut und festgelegt, mit der Firma geredet, die uns
einen Bagger zur Verfügung stellen wollte und mit der Firma, die
uns versprochen hat, die riesige Teichgrube dann in 24 Stunden mit dem
Wasser aus dem 250 Meter entfernten Stausee vollzupumpen, mit dem Pfarrer,
der die Beerdigung macht. Aber zehn Tage vor Drehbeginn lag ich plötzlich
im Krankenhaus mit einem geplatzten Blinddarm und hatte diesen geplatzten
Blindarm bereits 14 Tage. Ein zu allem entschlossener Mörder KH: Du hast das Buch 2003 geschrieben, dann sollte der Film 2004 gedreht werden, was wegen der Krankheit nichts geworden ist. War der Dreh dann im Sommer 2005? RT: Wir haben im Frühling gedreht. Drehbeginn war der 24. Mai.
Als wir anfingen zu drehen, war noch alles grün. Im Laufe der Drehzeit
wurde das Gras, das dort überall wächst, ganz schnell braun,
da konnte man fast zusehen. Es war am Anfang auch noch ein bisschen frisch,
vor allem nachts. Es war noch gar nicht so heiß. Am Anfang war
immer strahlend blauer Himmel, vierzehn Tage lang, und wir dachten, es
ist immer strahlend blauer Himmel. Pustekuchen, danach gab es dann immer
Wolken am Himmel und man muss für die Anschlüsse darauf warten,
bis die Wolken wieder weg sind, wie hier auch. Hölderlin auf dem Mond G: Wenn im Film der Bagger anfängt, gibt es eine schöne, aber auch irgendwie grausame Einstellung. Man hat ja diesen eigenartigen Berg im Hintergrund, diese ganze Landschaft und dann dieser knallgelbe Bagger, der die Erde aufwühlt – es ist ein sehr schönes Bild, zugleich ist es eine Verletzung, eine Verletzung der Natur. Das scheint mir auch tiefer liegende Themen des Films anzusprechen, das heißt also Menschen und Natur zum Beispiel. Bist du durch diese Natur, durch diese Landschaft auf Hölderlin gekommen? RT: Nein, Hölderlin stand ja schon im ursprünglichen Drehbuch. Die Landschaft kannte ich natürlich, ich habe das Drehbuch ja für die Landschaft geschrieben. Aber dieses Gedicht von Hölderlin „An Diotima“, dieses Gedicht, das Annabella da spricht, dieses Gedicht habe nicht ich ausgesucht, sondern – ich hätte nicht so ein langes Gedicht genommen. Das hat Holger Siemann ausgesucht, der das Drehbuch bearbeitet hat. Früher hat Peter Lund die Drehbücher bearbeitet, die Dialoge vor allem, aber er hat auch neue Szenen geschrieben oder Szenen verändert. Der konnte nicht mehr, weil er inzwischen so viel zu tun hat, und hat mir Holger Siemann empfohlen. Von ihm stammt der Vorschlag zu diesem Hölderlingedicht, und Hannelore Elsner, die ja ohnehin gerne Gedichte mag, war begeistert von diesem Gedicht. Wir waren uns allerdings nicht im Klaren darüber, dass wir das in dieser Länge drinlassen würden, denn das ist schon frech, diese Einstellung geht dreieinhalb Minuten. KH: Das Gedicht ist vom Sinn her nicht einfach zu verstehen, wie alles von Hölderlin. Es ist eigentlich eine hymnische Beschwörung der Natur, eines Naturschauspiels. „Ein erfreulicher Geist, spielt mit Regen und Sonnenschein auf der Erde der Himmel …“ RT: Weiß du denn, was er beschreibt? - Es regnet! - Heidegger hätte darüber bestimmt ein ganzes Buch schreiben können. KH: Interessant ist natürlich, dass dieses Gedicht in einem Film auftaucht, in dem es ohnehin sehr um die Natur geht. RT: Das war uns schon bewusst. Wir hätten sonst auch vielleicht ein anderes nehmen können. Wir haben versucht, ob wir nicht ein kürzeres finden, das ähnlich passt, aber wir fanden dieses halt am besten. Das war eine gemeinsame Entscheidung von Hannelore Elsner und mir. Sie hat mich dann auch überzeugt, als sie es mir vorgetragen hat. Sie kann Gedichte so lesen, dass man alles versteht. Wie Wasser und Zement G: Es gibt eine Interpretation von Hölderlin, dass bei ihm die Naturelemente göttlich sind, aber wenn sich die Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde mischen, treten sie in den Bereich der Zeit und damit in den Bereich der Vergänglichkeit. Hast du bei diesem Gedicht daran gedacht? RT: Ich denke nicht so viel, wenn ich einen Film drehe. Ich muss es immer wieder sagen. Ich habe unendlich viele Assoziationen, die mehr oder weniger vage bleiben, weil ich sie nicht weiter verfolge. Ich muss ja nur den Film machen und nicht gleichzeitig darüber einen Essay schreiben. Ich habe das jetzt gerade wieder bei meinem nächsten Projekt, da muss ich eine Entscheidung treffen, wo drehe ich, an welchem Ort. Beide Orte gefallen mir, aber sie sind absolut konträr. Ich muss mich entscheiden, aber ich glaube ich hab mich schon entschieden. Den Zeitpunkt, wo ich mich entschieden hab, weiß ich gar nicht so genau. Ich überlege nicht, ich mache es da oder da, aus den oder den Erwägungen, sondern es ist eine Bauch-Entscheidung. G: Du hast so schön gesagt, Leben und Tod gehören zusammen
wie Wasser und Zement. Das hat mir sehr gut gefallen. Das kann man auch
auf den Hölderlin beziehen. Der Flug über den See G:. Nach dem Schuss auf Leila gibt es eine Hubschrauberaufnahme und man sieht die Landschaft sehr, sehr lange. Du hast noch nie eine so lange Einstellung von einer Landschaft gezeigt. RT: Ich wollte den See auch mal zeigen, und den Sinn von Michaels Vorschlag, dass man mit einem Rauchzeichen – so heißt ja der Film – den Hubschrauber möglichst schnell an die richtige Stelle dirigieren kann. Die Aufnahme, die ich habe, geht bestimmt noch fünf Minuten länger. Ich habe nur ein kleines Stück vom Ende genommen. KH: Rein praktisch hätte es doch wahrscheinlich ausgereicht, wenn sie irgendwelche Handtücher oder Taschentücher geschwenkt hätten, um sich dem Hubschrauber bemerkbar zu machen. RT: Nein! Der Stausee ist unendlich groß. Der ist sehr lang. Und
Rauch kann man von weitem sehen. Und da es darum geht, wie schnell der
Rettungshubschrauber landet, macht das schon Sinn. Der Michael ist sehr
cool und tut in dieser Situation das absolut Richtige. Und er macht das
dann ja auch sehr schön, wenn der Hubschrauber näher kommt,
und lenkt ihn dann mit seinen Handzeichen sehr gut an die einzig mögliche
Stelle, wo er landen kann. KH: Diese Luftaufnahme kommt auch an einer besonderen Stelle im Film, es ist der dramatische Höhepunkt. RT: Man sieht da ja auch die ganzen Zusammenhänge, wo wer ist, man sieht die Personen und was sie machen. Im Kino siehst du jede Kleinigkeit, wo wer rumläuft, und jeder macht genau das, was für seine Rolle im Moment richtig ist. Das haben auch die Schauspieler weitgehend improvisiert, denn ich war weit weg, ich saß im Hubschrauber und guckte auf einen Monitor. Also Michael fand ich bewundernswert und Annabella, wie sie da neben Leila auf dem Boden kniet und sich aufrichtet, als der Hubschrauber über ihr ist, das hat mich irgendwie an Anna Magnani oder eine griechische Tragödie erinnert. Genauso liebe ich die Szene, wenn der Hubschrauber wegfliegt und die vier wie erstarrt dastehen und ihm nachschauen. Gräber im Teich G: Wie kamst du auf diese Idee, zwei Gräber in den Teich einzulassen und dann das Wasser drauf zu machen? Das ist eine sehr ungewöhnliche Idee. RT: Dazwischen ist aber noch die Folie. G: Ja eben, aber die Folie war für mich wie ein Trauerflor. Die war ja auch noch schwarz… RT: Teichfolie ist immer schwarz. Das ist sehr schön, wenn solche Bedeutungen dazukommen. Aber ich habe halt das genommen, was es gibt. Es ist natürlich provozierend. Das ist ja nicht der normale Umgang mit dem Tod. Wenn die Leute auf den Friedhof gehen, dann falten sie doch die Hände, knien nieder, beten und haben eine entsprechende Stimmung. Und hier, mein Gott, da kommt ein Bagger und baggert zwei Löcher aus. Es ist eine Provokation. Und wie Isabella da redet – die schlägt es ja vor - in der Küche, beim Kochen: dann müssen wir nicht lange Gräber pflegen und so, und da ein Bagger eh schon da ist und dann geht das alles, Teichbau und Beerdigung, in einem Aufwasch. So redet man normalerweise nicht über den Tod und über Menschen, die gestorben sind. Das Zimmer des Sohnes KH: Eigentlich reagieren ja alle Personen so ähnlich. Diese Bemerkung von Isabella ist zwar ein bisschen zwiespältig, man sieht auch, dass alle bestürzt und traurig sind über diese beiden Toten, aber eigentlich geht alles so seinen Gang, jeder verfolgt sein Vorhaben weiter. RT: Das Leben geht weiter. Der Teich wird gebaut, dann wird auch noch geheiratet auf dem Teich. Wo unten die Leichen sind, wo die Leichen im Keller sind sozusagen. Wenn Jade zu ihrem heißverehrten jungen Mann, zu Michael, sagt,: „Eigentlich darf man sowas nicht sagen, aber irgendwie bin ich froh, dass die jetzt weg ist.“ Und ihn dann ganz verliebt anschaut. Das ist auch krass! KH: Das knüpft an „Frau fährt, Mann schläft“ an, an die Szenen nach dem Tod des Sohnes. RT: Da sagt die älteste Tochter: dann kann doch mein Freund in
dem Zimmer schlafen, das ist jetzt frei. Ich mache es so, weil es tatsächlich
so ist, weil es die Wirklichkeit ist. Wenn so etwas passiert, ist doch
die Reaktion der meisten anderen Betroffenen oft geheuchelt. Und die
Leute in meinen Filmen heucheln halt nicht. Diese Tochter in „Frau
fährt, Mann schläft“ denkt
einfach praktisch, die will nicht da irgendetwas mimen, sie will halt
mit ihrem Freund zusammensein und denkt nur daran: da ist ein Raum und
den könnte sie haben, weil der ist jetzt leer. KH: Das war wie üblich bei dir ein echter Pfarrer. RT: Das war ein echter Pfarrer, den ich unbedingt haben wollte, wegen
seiner abstehenden Ohren. Ich habe ihn geliebt. Ich mochte ihn total.
Ich hatte ihn bei der allerersten Motivsuche kennengelernt und er wollte
damals seinen jüngeren Pfarrer dafür zur Verfügung stellen
und das nicht selber machen. Aber ich habe gesagt, ich will ihn, ich
will um jeden Preis ihn. Ich war gerührt von seiner Person, ich
mochte ihn einfach. Er hat was ungeheuer Liebevolles gehabt. Vollmondnächte G: Wieso spielt der Vollmond bei der Heirat eine so große Rolle? RT: Das wird doch gesagt im Film, bei Vollmond ändert sich das
Wetter, alles beginnt neu … Das geschieht ganz oft. Diese Rhythmen,
die vom Mond abhängen … mein Gott, ich war in der Südsee
und da habe ich das sehr stark erlebt, weil man da noch mehr in der Natur
drin ist als auf Sardinien oder bei mir auf dem Bauernhof. Da verändert
sich das Meer, Ebbe und Flut verändern sich, die werden ja von der
Anziehungskraft des Monds gesteuert. Auf dem Felsen G: Der Felsen, auf dem Annabella und Jonathan bei dem Hölderlingedicht sitzen, ist sehr ungewöhnlich. Sind das eigentlich bekannte Orte auf der Insel? RT: Nein, die sind halt auf dem Grundstück. Da kann gar nicht jeder rein. Mit dem Hölderlinfelsen, den ich übrigens erst während des Drehens entdeckt habe, gehe ich ja soweit, dass ich ihn als Plakatmotiv für den Film ausgewählt habe. G: Wie ist die Aufnahme mit dem Felsen technisch gemacht? RT: Mit einem Kran. Es gibt solche Kräne, wo die Kamera vorne an
einem langen Arm aufgehängt ist und über einen Monitor mit
einem Joystick gesteuert wird. Die Kamera hängt an einem ca. 30
Meter langen Galgen und die kann sich hoch und runter und vor allem auch
horizontal bewegen und dabei den Personen näher kommen, so dass
der Eindruck einer Schienenfahrt entstehen kann. KH: Wurde dieser Kran extra für diese Einstellung mitgenommen? RT: Wir haben noch andere Einstellungen damit gemacht, die aber nicht in den Film genommen. Das Teil hat 5.000 Euro gekostet. Das war ein bisschen viel. Aber wir haben zum Beispiel die Aufnahme von der Beerdigung damit gemacht. Da ist die Kamera auch ganz oben auf dem Kran. Da der Kranarm so lang ist, kannst du natürlich von einer ganz hohen Position aus damit filmen. Es gab am Anfang des Films eine Einstellung, die wunderschön geworden ist, wo Leila vom Gästehaus zu Annabella geht. Sie geht durch hohes Gras und die Kamera schwebt vor ihr her. Es ist eine tolle Einstellung, aber da ich beim Schneiden um jede Sekunde gekämpft habe, haben wir sie weggelassen. Eine Erfahrung für Ute Freund, die Martin Schäfer früher mit mir auch oft hat machen müssen. Ein silbernes Flugzeug G: Die Titeleinstellung fand ich ganz wunderbar. Ein Riesenflugzeug landet und kommt auf die Zuschauer zu. Das hat auch was von einem Western, das war für mich wie eine Riesenherde von Pferden, die mit einem Höllenlärm angaloppiert kommt. RT: Um es genau zu sagen, ich hatte es im Drehbuch so beschrieben: ein
silbernes Flugzeug kommt aus dem Himmel heraus. Ich hab eine ähnliche
Einstellung gedreht bei „Beschreibung einer Insel“ in der
Südsee, wo aus einem schwarzen Himmel ein Flugzeug landet – das
war kurz vor einem Gewitter – das sieht wirklich so fremdartig
aus wie eine fliegende Untertasse. Und weil ich diese Einstellung rausgeschnitten
habe – „Beschreibung einer Insel“ fängt ja jetzt
damit an, dass die Schauspieler mit einem Schiff in die Bucht von Ureparapara
hineinfahren, hab ich versucht, das hier zu wiederholen, und diese Einstellung
so ähnlich hinzukriegen. Science Fiction KH: „Rauchzeichen“ ist der letzte Teil der Trilogie „Zeitreisen“. Ehrlich gesagt fällt es mir schwer, diese Geschichte auf eine Zeitreise zu beziehen. Gibt’s da einen Bezug? Wo ist die Zeitreise? RT: Oh Gott, das ist die schwierigste Frage. - Das sind viele kleine
Sachen, es ist gar nicht so sehr eine einzelne Sache. Mir haben Leute
gesagt, wieso wird da jemand umgebracht? Wieso spielt Terrorismus da
rein? Terrorismus ist für mich ein Aspekt
der Zukunft. Das passiert jetzt, ununterbrochen. Es ist für mich
ein Aspekt, mit dem die Welt, die Erdbevölkerung, vielleicht die
nächsten Jahrzehnte leben muss. Es ist für mich ein zukünftiger
Aspekt. KH: In den Zusammenhang von Science Fiction gehört sicher auch, dass sich Annabella als Astronautin herausstellt. RT: Das hat auch mit der Zukunft zu tun, das ist klar. Was mir sicherlich auch böse Kritiken einbringen wird. Auf dem Mond waren ja nicht viele Astronauten, und insofern ist die Behauptung, dass Annabella da war, einfach kühn. KH: Der erste Mensch auf dem Mond war wohl Neil Armstrong. Das war 1969, glaube ich. RT: Das war 1969, als wir „Rote Sonne“ gedreht haben. Ich habe mir von meinem Produzenten, von Heinz Angermayer, einen Fernseher schenken lassen, um im Film die ersten Bilder von der Mondlandung drin zu haben. KH: Die sind aber nicht drin. Und Armstrong hat keinen Hölderlin auf dem Mond hinterlassen. RT: Nein, natürlich nicht. Ein Gott des Kinos KH: Eine sehr sonderbare Figur in dem Film ist der Hans, der sich als Gott des Kinos bezeichnet. RT: Er sagt das! Diese Rolle hätte, wenn ich eineinhalb Jahre vorher
gedreht hätte, Marquard Bohm gespielt. Dass das natürlich ein
heikler Satz ist, ist mir klar, und ich bin auch deswegen angegriffen
worden, dass es so einen Satz gibt. Da hat mir einer geschrieben: Du
glaubst wohl, du bist der Gott des Kinos. Hahaha! KH: Hattest du Marquard Bohm schon gesagt, dass du mit ihm drehen wolltest? RT: Ich hatte mit Marquard Bohm alles abgesprochen und einen Betreuer für ihn engagiert, und alles Mögliche. Das war sehr aufwendig. Flüge gebucht, alles. Und Marquard hat sich total gefreut natürlich. Ich hätte ihn während der ganzen Drehzeit dagelassen, und die Ärzte waren der Meinung, dass ihm das gut tun würde: sechs Wochen Sardinien in der Sonne. KH: Dieser Hans ist offenbar ein Kinonarr… RT: … und sein Zimmer ist vollgestopft mit Videokassetten. Die Figur des Hans ist aus vielen realen Personen zusammengesetzt, die ich kenne, die Videokassetten sammeln. Es gibt halt diese Filmnarren. Aber dass Hans sagt, er sieht Kino, und sieht halt nur Video auf einem relativ kleinen Fernseher, das ist schon ein bisschen daneben, aber solche Widersprüche mag ich halt gerne. Wie ein Roman KH: Für deine Verhältnisse haben in „Rauchzeichen“ viele Personen relativ große Rollen. Er ist nicht so wie sonst auf nur zwei Leute konzentriert, sondern es gibt hier relativ gleichmäßig verteilt diese verschiedenen Handlungen und Personenkonstellationen, und ich denke, das ist sehr gut gelungen in den Proportionen. Du wolltest offenbar etwas anderes machen, also nicht diese Liebesgeschichte, wo es nur um das Paar geht wie in „Du hast gesagt, dass du mich liebst“. RT: „Du hast gesagt, dass du mich liebst“ ist ja von vornherein ein extrem reduzierter Film. Ich habe den zunächst mal nur gedreht, um vielleicht das Geld wieder reinzuholen, das ich bei „Rauchzeichen“ durch meine Krankheit verloren hatte. KH: Eine rein praktische Überlegung, dass man wenige Schauspieler braucht? RT: Auch ein Drehort, der mir gehört und wofür ich nichts
bezahlen muss, und alle anderen Drehorte möglichst im Umkreis von
1000 Metern von hier, damit man nicht soviel fahren muss. Das habe ich
schon mal gemacht, bei „Das Mikroskop“. KH: Im Film kommt es für den Zuschauer einigermaßen als Schock, wenn man erfährt, dass Jonathan der Vater ist. RT: Ich habe es ja auch so erzählt. Der Moment, wo das ausgesprochen wird, wird ja weggelassen. Es ist eine extreme Ellipse. G: Woher weiß die Tochter, dass sie die Tochter ist? RT: Das habe ich weggelassen Ich zeige nicht, wie er sagt: Ich glaube, du bist meine Tochter, sondern die Szene im Auto fängt damit an, dass sie sagt: Das kann ich mir nicht vorstellen, dass ich deine Tochter bin. KH: War das schon mit dieser Ellipse geschrieben? RT: So ist es geschrieben. Ich hab’s nicht weggeschnitten. Rossellini und Ingrid Bergman KH: Das ist jetzt schon dein vierter Film mit Hannelore Elsner gewesen? RT: Ja. Ein bisschen seid ihr daran schuld. Bei dem Interview zu „Frau fährt, Mann schläft“ kamt ihr mit diesen Parallelen zu Rossellini und dann habe ich gesagt, vielleicht mache ich es wie Rossellini mit Ingrid Bergman – und drehe mit Hannelore Elsner sechs Filme. KH: Ein Schnitt, der mir jetzt in „Rauchzeichen“ auffiel, kommt, wenn Jonathan diesen Fragebogen ausfüllen soll und eine Frage ist: „sexuelle Vorlieben“. Da regt er sich mit Recht drüber auf, und dann kommt der Schnitt auf Annabella. Klar denkt man da, da bahnt sich was an. Es ist kein ganz zufälliger Schnitt. RT: Sie setzt sich ja dann ihm gegenüber und es entsteht dann plötzlich
ein Gespräch, das eigentlich viel weiter geht, als man in dieser
Situation normalerweise reden würde. Erstmal fragt er: wieso dieser
Fragebogen, haben Sie sich das ausgedacht? Sie: Nein meine Partnerin.
Er: Das klingt ja wie das Aufnahmeformular für eine Heiratsanbahnung.
Sie: Sie heiratet sehr gerne. Er: Und Sie, tun Sie das auch? Und dann
sagt Annabella, nein, sie muss einen Mann lieben. Und dann fragt er sofort
mit ganz sanfter Stimme: Glauben Sie an die Liebe? Da entsteht ja fast
schon eine Art Intimität zwischen den beiden. Bäume pflanzen, Teiche bauen KH: Bäume pflanzen: es ist nicht das erstemal, dass Bäume
gepflanzt werden. RT: Nein, in „Das Mikroskop“ wird auch ein Teich gebaut. In „Paradiso“ werden sechzig Pappeln gepflanzt. KH: Oder diese Essensszenen. Da gibt’s ja auch drei, vier davon. Aber Teiche bauen: Rudolf, warum bauen die Leute Teiche? RT: Dann hat man Wasser. Ich liebe Wasser. G: Du hast auch einen schönen Satz gesagt. „Das Schönste an einem Teich ist die Spiegelung der Natur“. RT: Der Jonathan sagt das: Beim Teich kommt es darauf an, was sich in ihm spiegelt. Rauchzeichen KH: Feuer machen, das spielt auch oft eine Rolle bei dir. RT: Mit dem Filmtitel „Rauchzeichen“ lag das ja nun nahe. KH: Das ist der Titel des Films, und es werden auch tatsächlich Rauchzeichen gemacht, aber ich habe den Verdacht, es soll mehr damit angedeutet sein, es ist so ein unbestimmtes Wort… RT: Das hat auch mit der Zukunft zu tun. Beim Schreiben habe ich gedacht, dass der Film als Ganzes wie eine message an die Welt ist – das ist jetzt sehr hoch gegriffen -, dass das, was hier passiert, in der Zukunft passieren wird, diese Mord- und Terroristengeschichte. KH: Das ist vielleicht noch höher gegriffen: Die Rauchzeichen, die jeder kennt, sind ja die vom 11. September. RT: Ja klar. Aber bewusst war mir das beim Schreiben nicht. Ich habe ja zuerst gesagt, der Terrorismus, das ist der Zukunftsaspekt in diesem Film. „Rauchzeichen“ ist ein vieldeutiges Wort, ein Wort, das viele Assoziationen auslöst. Ich hab darüber diskutiert bei der englischen Übersetzung des Titels. Es gab Leute, die haben gesagt, das muss „Smoke Signals“ heißen, da ist das dann die Übermittlung einer konkreten Botschaft. Aber ich wollte als englischen Titel „Smoke Signs“, das ist dann ein viel komplexeres Zeichen, es ist von vornherein viel abstrakter, vieldeutiger.
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