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Die Zeit, 24.9.98   Norbert Grob, Der Rosenkrieg
Berliner Zeitung, 24.9.1998   Rolf Aurich, Die Rückseite des Glücks
Der Tagesspiegel, 24.9.98   Christina Tilmann, Der Kriegsschauplatz der Geschlechter
Tip, 16.9.98   Bodo Morshäuser, jetzt gehen wir zu den Enten
Ralf Schenk, Film-dienst, 19/98Just married
epd Film November 1998   V. Rall, Tigerstreifenbaby wartet auf Tarzan, Just married
Frankfurter Rundschau, 17.6.1999 Daland Segler, Die verheiratete Frau



DER ROSENKRIEG
Kino: Just married von Rudolf Thome

Norbert Grob
Die Zeit
24.9.1998
Schon 1968, in seinem Debüt "Detektive”, ließ Rudolf Thome einen Mann mehrere Frauen fragen, ob sie ihn heiraten wollten. Woraufhin der stets ein nachsichtiges Lächeln erntete - und ein entschiedenes Nein.
Nun, dreißig Jahre später, zeigt Thome erstmals, wie es dem Mann hätte ergehen können, wenn eine der Frauen sich anders entschieden hätte. Nach siebzehn Filmen, die alle nur davon handeln, wie das ist mit den Gefühlen zwischen Mann und Frau, beginnt er seine Geschichte nach der Hochzeit, nach dem ersten Jauchzen und Jubeln des Jaworts.
Ein Off-Kinomacher (Herbert Fritsch) und die Tochter des Berliner Kinokönigs (Laura Maori Tonke) sind anfangs im siebten Himmel. Doch schon auf der Hochzeitsreise kommt es zum Eklat. Sie hatte darauf bestanden, daß es in ihrem Urlaub nicht um Geschäfte gehen dürfe, und er hatte sich einverstanden erklärt. Aber dann erwischt sie ihn mit einem Pocketcomputer hinter einem Felsen, fühlt sich getäuscht und wirft den Computer einfach ins Meer.
Um Szenen einer deutschen Ehe geht es also. Um Gefühle und wie sie entgleiten, um Beziehungsgefechte, die bis an die Grenze des Erträglichen reichen. Für Thome spielen die Männer nur anfangs ihre alte Vormacht aus. Sind Kinder mit im Spiel, wechselt die Dominanz. Wobei die Frauen um keinen Deut weniger grausam agieren als früher die Männer.
Erstmals arbeitet Thome mit Zeitsprüngen, die "Just Married” in drei Teile gliedern. Nach dem Rauf und Runter der Hochzeitsreise: das erste Kind ein Jahr und das zweite Kind ein weiteres Jahr später. Die erste Ellipse bringt den Mann aus dem Himmelbett in die Abstellkammer, die zweite aus einer lustvollen Affäre ins dröge Einerlei.
Am Ende, nachdem er fast schon bei der anderen Frau war und sie - aus Rache - einen One-night-Stand hatte mit einem fremden Mann, der sie nicht sonderlich faszinierte, wirkt Thomes friedliches Happy-End wie ein Sprung ins Märchen: wie ein letzter, freundlicher Blick auf ein ansonsten feindliches Arrangement. Die Hand reichen sie sich zum Schluß, aber das ist nur eine Pose, die Gefühle selbst bleiben unversöhnlich.
Rudolf Thome, dieser Ethnograph des deutschen Alltags, ist einer der letzten wirklichen Autoren des Kinos hierzulande. Nicht, weil er zuletzt auch seine Bücher selbst geschrieben hat. Nicht, weil er immer auch Produzent war. Sondern weil alle seine Filme einen ganz eigenen Ton haben, eine ganz eigene Sicht auf die Menschen und die Welt, voller Ruhe und Gelassenheit, voller Lebens- und Liebeslust. Genau das macht es immer aufs neue so aufregend, sich seinen Filmen auszusetzen.


DIE RÜCKSEITE DES GLÜCKS
Noch einmal Rudolf Thome. Just married

Rolf Aurich
Berliner Zeitung
24.9.1998
Dieser kurze Film von 81 Minuten, der in Berlin zwiespältig beginnt, in Italien das Drama nährt und zurück in Deutschland die Belastbarkeit der bügerlichen Institution Ehe demonstriert, ist fast ein Thriller. Viele, die während der diesjährigen Berlinale beiden Filmen begegnet sind, die Rudolf Thome im Sommer 1997 unmittelbar nacheinander gedreht hat, meinen in "Just Married” die trübe, realistische Rückseite von "Tigerstreifenbaby wartet auf Tarzan” zu erkennen.
In "Tigerstreifenbaby" geht es um die vielbeschworene, vom Publikum dankend aufgenommene und leichthändig inszenierte träumerische Utopie vom großen Glück zu dritt, das irgendwo im Brandenburgischen - ganz ernsthaft - vor der Kamera zu tanzen beginnt. "Just Married”, ein optisch karger, stilistisch geradezu nervöser Film, scheint zunächst ganz un-utopisch, und doch umkreist er die gleiche, elementare Frage nach dem Glück. Diesmal jedoch droht es von Beginn an zu scheitern, weil es, in der Ehe kanalisiert, eben ganz anders aussieht und - Binsenweisheit! - immer wieder "erarbeitet" werden muß. Dazu aber sind weder Frangipani Klein, die Tochter eines etablierten Berliner Kinobesitzers, noch ihr frischgebackener Ehemann Friedrich Bär, ein erfolgreicher Off-Kinomacher, wirklich in der Lage. Dazu gibt Frangipanis Vater Willi Ratschläge, die sich nur deshalb lächerlich anhören, weil sie alltagssprachlich vernutzt sind.
Eine vitale Laura Tonke, die in der Besetzungsliste ein wunderschönes "Maori" zwischen Vor- und Nachnamen trägt, der anämische Herbert Fritsch (der Fremde aus "Tigerstreifenbaby”) und ein abgeklärter Marquard Bohm (das Thome-Urgestein seit dem ersten langen Spielfilm "Detektive" vor 30 Jahren) geben der hauchdünnen Ehe-Story Halt. Der ist den beiden Kindern, die Frangipani im Verlauf von zwei Jahren zur Welt bringt, nicht vergönnt - die Verbindung bleibt fragil und wird auf eine Weise halbwegs befriedet, die unzufrieden stimmen mag. Eruptionsgleich wirken kurze Szenen des Streits. Darf eine Frau das fünftausend Mark teure elektronische Spielzeug ihres Mannes ins Mittelmeer werfen? Muß sie ihm nicht sogleich helfen, wenn er beim Versuch, es aufzufischen, sich das Bein bricht? Thome läßt die Dinge geschehen, kalkuliert die Empörung des Publikums ein. Das Gespräch darüber kann beginnen.
Bei näherer Betrachtung könnte Rudolf Thome mit dieser Erzählung von einem freudlosen Alltag, der überall Fluchtlöcher aufweist, die aber niemand zu nutzen weiß, eine größere Provokation geliefert haben als mit der glückshaften Gemme "Tigerstreifenbaby". Wie Mann und Frau hier zueinander stehen, wie sie Macht gewinnt über ihn mit Hilfe der Kinder, und wie sie sich an seinem Seitensprung wenige Minuten vor Schluß noch rächt, das dürfte männliche Zuschauer, gewiß doch, betroffen machen. Aber das Leben geht weiter, die Ehe auch, und vielleicht gar nicht so schlecht. Nur einer ist gestorben. Es ist das erste Mal, daß ein kleiner Thome-Film ein wenig an die großen Melodramen von Douglas Sirk erinnert. "Man muß die Dinge nehmen, wie sie sind," sagt der Vater, am Sterbebett.



DER KRIEGSSCHAUPLATZ DER GESCHLECHTER
Ehe, Flitterwochen, erstes Kind, zweites Kind:
Just married von Rudolf Thome - der etwas andere Katastrophenfilm

Christina Tilmann
Der Tagesspiegel
24.9.1998
Liebe ist Utopie, Ehe die Wirklichkeit. Und beides sind zwei Seiten einer Medaille. Annähernd gleichzeitig und mit zum Teil identischen Darstellern hat Rudolf Thome darüber zwei Filme gedreht, die - ja, was? Sich aufheben? Sich widersprechen? Sich ergänzen? Man erinnere sich: "Tigerstreifenbaby wartet auf Tarzan", vor einem Monat in den Kinos angelaufen, schilderte eine utopische menage à trois im uckermärkischen Wunderland, einen Mann glücklich zwischen zwei Frauen. "Just married”, das Pendant dazu, demontiert den Wunsch nach harmonischer Beziehung auf schnellstmöglichem Wege. Schon in der Hochzeitsnacht am italienischen Sandstrand ist klar, daß die Ehe zwischen der Kinoerbin Frangipani und dem Kinogründer Friedrich alltäglicher Kriegsschauplatz der Geschlechter sein wird.

"Sonne, Mond und Sterne” hat sich die noch sehr junge Frangipani von ihrem wesentlich älteren Freund vor der Hochzeit gewünscht. Ein himmelhoher Wunsch, der nur allzu schnell in bittere Erkenntnis mündet. "Ich hasse dich" steht ein Jahr nach der Hochzeit mit Lippenstift am Badezimmerspiegel, und Frangipani, die zupackende, idealistische junge Ehefrau mutiert zur zickigen Xanthippe. Was nicht zuletzt daran liegt, daß sich ihr Märchenprinz sehr schnell als Loser erweist. Noch während sie in der Hochzeitsnacht das Zelt aufbaut, hat er den Wagen schon in den Sand gesetzt. Festgefahren ist auch die Beziehung, die von Anfang an auf Lügen baut: "Schwöre mir, daß du vier Wochen nicht an Kinozahlen denkst" - "Schwöre mir, daß du mich liebst, auch wenn ich Dinge tue, die dir nicht gefallen". Zwei Meineide mit Folgen.

Die Stationen sind vorhersehbar: Ehe, Flitterwochen, erstes Kind, zweites Kind. Zwischendrin stirbt der Vater, und der Mann geht fremd. Was neu an dieser so alltäglichen Geschichte ist, ist der bittere Ton, mit der nicht der untreue Mann, sondern die allzu starke Frau attackiert werden. "Die Unterdrückung des Mannes in der Ehe" ist Thomes politisch unkorrektes Thema, das er selbst durchaus als Tabubruch, aber auch als Beschreibung der Wirklichkeit versteht: "Alle Frauen, die ich kenne, haben die Männer mies behandelt, sobald die Kinder da waren". Die erfolgreiche Emanzipation der Frau macht nun ein Schutzprogramm für Ehemänner erforderlich. Denn Ehe ist ein Machtspiel, meint Thome. Und die liebliche Frangipani (Laura Maori Tonke) hat in dieser Ehe die Hosen an, soviel ist klar von der Minute an, als sie mit entschiedenem Wurf den Minicomputer ins Meer wirft, mit dem ihr Ehegespons verbotenerweise Kontakt zur Kinowelt aufnahm. Friedrich ist ihr hilflos ausgeliefert, schon bevor er sich durch einen Sturz von der Klippe für den Rest der Flitterwochen bewegungsunfähig macht. Schritt für Schritt wird er zurückgedrängt: Zum Schlafen in die Besenkammer, zum Wickeln ins Kinderzimmer, und schließlich aus dem Haus. Sicher, er hat sie betrogen und damit die alte Tradition fortgesetzt, nach der Verfehlungen in der Ehe mit zweierlei Maß gemessen werden. Doch das wirkliche Unrecht ist, daß sie sich einen Geliebten nimmt, während er das Kind betreut.

Herbert Fritsch gibt sich mit einer Engelsgeduld in die undankbare Rolle des ehelichen Losers und setzt gerade dadurch die energische Frau ins Unrecht. Und das Ende, das Thome durchaus als "Happy end" versteht, ist ein bitteres Eingeständnis. Denn: Ehe gerettet, Leben zuende, heißt es, wenn Frangipani mit einem gezielten Wurf den Pager mit der Botschaft der Geliebten im Lietzensee versenkt hat. "Und jetzt gehen wir zu den Enten" erklärt die selbstbewußte Mutter, während er den Kinderwagen schiebt. Keine Utopie, sondern ein Alptraum.


JETZT GEHEN WIR ZU DEN ENTEN
Hochzeit, Kinder, Seitensprung, Happy End -
Szenen einer Berliner Ehe

Bodo Morshäuser
Tip
16.9.98
Friedrich Bär ist Betreiber eines Off-Kinos und heiratet die Tochter des etablierten Kinokettenbesitzers Klein. Wir sehen nun keinesfalls Friedrichs Aufstieg zum Kinokönig Berlins, sondern werden achtzig Minuten lang Zeuge sich ähnelnder Szenen einer Ehe.

Kurz vor der Hochzeitsreise verlangt die 20jährige Frangipani, die manchmal wie ein Mädchen, manchmal wie Kate Moss, also immer wie ein Mädchen aussieht, von ihrem mindestens zehn Jahre älteren Friedrich den Schwur, sich während der Ferien in Italien allein um sie und nicht um die Zuschauerzahlen seiner Kinos zu kümmern - er schwört. Umgekehrt schwört sie ihm Treue für den Fall seiner Untreue. Er scheint außer den geschäftlichen keine privaten Ambitionen zu haben. Sie dominiert ihn leise. Folgerichtig schmeißt sie seinen Kleincomputer ins Meer, nachdem sie sieht, daß er nach einigen Italientagen die Kinozahlen abfragen will. Als er an einem Fels zum Wasser hinabsteigt, um das Teil zu retten, stürzt er, schlitzt sich einen Oberschenkel auf und bricht sich einen Knochen. Mit Gipsbein und schlaff lächelnd humpelt er weiter neben ihr her.

Ende des ersten Teils. In ihm ist bereits alles vorhanden, was in Teil zwei und drei wiederkehren wird. Das liegt an der elliptischen Erzählweise Rudolf Thomes, die dazu führt, daß viele entscheidende Szenen, zum Beispiel der gegenseitige Liebesschwur, sich zur anderen Zeit an einem anderen Ort entweder gleich oder in leichter Abwandlung wiederholen.

Zweiter Teil: Ein Jahr später haben sie ein Kind und kaum noch Sex. Der schlappe Friedrich, schön schlapp vom Volksbühnen-Schauspieler Herbert Fritsch gespielt, nächtigt an einem Ort, der wie die Besenkammer aussieht. Er sagt ja zu seinem Schicksal, zu einem Eheleben ohne Höhen und Tiefen. In Teil drei haben sie ein zweites Kind, und Frangipani (Laura Maori Tonke) bekommt heraus, daß Friedrich sie betrügt. In einer Disko schnappt sie sich einen Mann und läßt sich mitnehmen, ohne einen Genuß davonzutragen.

Schön elliptisch schmeißt sie am Schluß Friedrichs Piepser in den Lietzensee, er nickt dazu, sie sagt "Jetzt gehen wir zu den Enten”, und Friedrich wackelt weiterhin neben ihr her. Rudolf Thome nennt das ein Happy-End. Allerdings handelt es sich um ein Happy-End in den Mühen der Ebene, ein Happy-End des geringsten Widerstands: man ist nicht happy, sondern hat eine Trennung vermieden. Rudolf Thome sagt: "Die Liebe kommt wieder, wenn man zusammenbleibt."

"Nimm die Dinge endlich so, wie sie sind, sonst werdet ihr beide unglücklich" - das ist der zentrale, äußerst konservativ wirkende Satz des Films. Der Kinokettenbesitzer Klein, gespielt von Marquard Bohm, sagt ihn kurz vor der Hochzeit zu seinem künftigen Schwiegersohn Friedrich.

Ich mag diesen Film. Gleichzeitig bin ich sicher, daß ich seine Botschaft - "Nimm die Dinge, wie sie sind" - überhaupt nicht mag. Und ich vermute eine Qualität des Films darin, daß ich ihn mir trotzdem wohlwollend anschauen kann. Seine Botschaft ist eine Botschaft von erwachsenen für erwachsene Menschen. Sympathisch finde ich daran, daß Thome seine Botschaft als Vorschlag bringt, nicht als Überzeugungsversuch oder sonstwie aufdringlich. Trotzdem ist die Message bescheuert, genauso bescheuert wie ihr Gegenteil: Ignoriere die Dinge wie sie sind, sonst wirst du unglücklich.

Unübersehbar wird diese Ehe mit Kindern als Modell einer Ehe mit Kindern beschrieben. Es ist ja so, daß Friedrich hier durchaus ins große Geld reinheiratet. Erträgt er die Dominanz seiner Frau deswegen mit solcher an Masochismus grenzenden Langmut? Rudolf Thome beschäftigt sich aber nicht mit dieser Frage und partiellen Auflösung des Films. Er konzentriert sich ausschließlich darauf, die Entwicklung einer Ehe zu, zeigen, die wahrscheinlich eher normal als spektakulär ist. Daß diese Geschichte im Milieu von Kinobetreibern spielt, ist nicht erheblich. Die Figuren sind modellhaft entwickelt und auch in anderen Umgebungen so vorstellbar. Erheblich und erheblich gelungen an diesem Film ist das Einkreisen von Normalität, und Normalität ist nicht immer leicht erträglich, schon gar nicht leicht zu beschreiben, egal, in welcher Kunstform.

Normalität einer Ehe, wie war das nochmal? Friedrich sitzt im Chefbüro einer Bank, um einen neuen Kredit lockerzumachen, aber der Vorgang gestaltet sich schwierig und scheint zu scheitern. Da klingelt das Telefon, und der Bankchef hat Frangipani am Apparat, die ihren Friedrich sprechen will. Sie hat ihm nicht im geringsten etwas Wichtiges zu erzählen. Sie beendet das Telefonat mit dem Satz: "Bring bitte Blumen mit". Warum? Zu Hause sitzt ihr Vater, der Kinomogul Klein, und Frangipani möchte unbedingt vermeiden, daß er etwas von ihrem Streß mit Friedrich mitbekommt. So geht Normalität, lernt man wieder, wenn man diesen Film gesehen hat. Man kann es auch Terror nennen.

In der Kunst gibt es hin und wieder Versuche, das Normale darzustellen, indem "authentisch"- gearbeitet wird, was zu ellenlangen, kaum zu konsumierenden quasi-dokumentarischen Werken führt. Das nun letzten Endes Gelungene an Rudolf Thomes Film über eine Ehe ist, daß er - ganz seiner Unaufdringlichkeit entsprechend - in achtzig Minuten durch sein Thema durchkommt.


JUST MARRIED

Ralf Schenk
Filmdienst
19/ 1998
"Man muß die Dinge so nehmen wie sie sind", sagt Willi Klein, Kinobesitzer in Berlin und eine Figur aus Rudolf Thomes Film "Just Married". Thome, der ihm diesen Satz in den Mund schrieb, macht damit sein eigenes Credo deutlich: "Just Married" zeigt Szenen einer durchschnittlichen, kleinbürgerlichen Ehe, wie sie eben ist, ohne die naiven Utopien von "Tigerstreifenbaby wartet auf Tarzan" (fd 33 262), den der Regisseur unmittelbar nach "Just Married" drehte. Hier ist alles direkter, böser, ohne Weichzeichner. Eine schwarze Komödie, die Thomes Sicht auf das Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit illustriert. Ein Pamphlet, bei dem Männer und Frauen gleich schlecht wegkommen - oder gleich gut, je nachdem.
Herbert Fritsch, der Außerirdische aus "Tigerstreifenbaby...", spielt hier einen hauptstädtischen Off-Kinomacher namens Friedrich Bär, der die Tochter des in der Kinoszene etablierten Willi Klein heiratet. Diese heißt Frangipani und ist eine Kindfrau: klein, schmal, naiv. Sie träumt, daß sich ihr frischgebackener Ehemann wenigstens während der Hochzeitsreise nicht ums Geschäft kümmert. Als er in Italien dennoch mit einem Pocket-Computer nebst Funktelefon die Besucherzahlen seiner Kinos abfragt, wirft sie das fünftausend Mark teure Gerät schnurstracks ins Wasser. Er springt hinterher und bricht sich ein Bein. So startet ihre Ehe, und der Film hat, nach Bildern einer kurzen kirchlichen Hochzeitszeremonie, seinen illusionslosen Tonfall gefunden. Thome fragt, was diesen Mann und diese Frau eigentlich miteinander verbindet. Wohl kaum kulturelle Interessen: dafür hat Friedrich keine Zeit, sie keinen Sinn. Bliebe nur die Liebe, ein rational kaum erklärbarer Vorgang. Daß die Ehe der beiden auf Liebe gegründet ist, nimmt man Laura Maori Tonke als Frangipani durchaus ab: FRiedrich ist in den Augen der jungen Frau ein charmanter, souveräner, starker Mann - ein Bär eben, wie sein Name schon sagt. Daß allerdings auch er sie wirklich liebt, vermag man Herbert Fritsch nicht recht zu glauben. Eine Liaison um des Geschäfts willen scheint da zunächst näher gelegen zu haben: und woraus später die vom Regisseur in Interviews behauptete Liebe wächst, wird nicht ganz klar.
Wie auch immer: Die beiden bleiben zusammen, Thome, der "komplexe Sachverhalte wie Heiraten und Kinderkriegen so einfach wie möglich darstellen" wollte, beleuchtet den Zustand ihrer Ehe nun im Abstand von einem und von zwei Jahre. Das geschieht mit Hilfe einer simplen Stationendramaturgie, in der alles passiert, was man erwartet, nur nicht das, worauf eigentlich alles hinausläuft: die Scheidung. Nach einem Jahr ist zwar ein Baby da, aber Friedrich schläft in der Besenkammer, und Frangipani schreibt mit Lippenstift auf den Spiegel, daß sie ihn hasse. Nach weiteren zwölf Monaten und dem nächsten Kind hat sich der Zustand noch verschlimmert: Er betrügt sie, sie schmeißt ihn aus der Wohnung. Am Sterbebett erzählt der Vater die Geschichte der Trennung von seiner Frau und bittet, daß sie zusammenbleiben. Aber Frangipani rächt sich erst noch fürs Fremdgehen, schläft mit einem jungen Mann, nur um es Friedrich anschließend mitteilen zu können. In der letzten Szene laufen die beiden mit ihren Kindern durch den Park. Das Handy piepst, Friedrichs Geliebte ist dran, Frangipani wirft das Gerät in den See. Alles beginnt von vorn und nichts ist gut.
"Just Married" ist kein Film über die Unterdrückung eines Mannes durch eine Frau, die ihr eigenes Ziel - das große Familienglück - auf stoische Weise verfolgt. Frangipani nervt Friedrich mindestens ebenso wie er sie; auch er trägt Mitschuld am Debakel. Thome gewinnt diesem Zustand der beständigen Kollisionen und der unaufhörlichen Mißverständnisse dennoch ein Fünkchen Hoffnung ab: Mann und Frau, so beschwört der Film, sind nun einmal füreinander geschaffen, auch wenn es schwerfällt, das Tag für Tag zu leben. Also Augen zu und durch: Vielleicht ist es gerade die Normalität mit ihren latenten Krisen, die die Glücksmomente dann so fantastisch schön erscheinen lassen.


TIGERSTREIFENBABY WARTET AUF TARZAN,
JUST MARRIED

V. Rall
epd Film
November 1998
"Du riechst so gut", brüllt Luise zu Frank. Nicht daß sie ihn anschreien möchte, doch beide tanzen gerade in der Disco, stroboskobisches Licht läßt die Leiber zucken. Man wundert sich, daß hier irgendjemand noch etwas mit dem Geruchsnerv und dabei irgendetwas außer Rauch-, Bier-, Trockeneis- und Schweißgeruch wahrnimmt. "Du riechst so gut", das wird auch Laura bald zu Frank sagen, die Szene ist eindeutiger, denn die beiden liegen zusammen im Bett. "Riechen alle so gut, dort wo du herkommst?", fragt sie weiter, und benennt das Zentrum von TIGERSTREIFENBABY WARTET AUF TARZAN, Rudolf Thomes jüngstem Film, der dieses Jahr auf der Berlinale das Publikum überraschte. Denn hier erzählt der sonst eher an der Phänomenologie der Gegenwart interessierte Thome ein außerirdisches Märchen von einem Mann, der aus einer Zukunft kommt, in der es keine Frauen mehr gibt. Also besorgt sich der Mann einen amerikanischen Paß und reist mit Goldbarren im Wert einer halben Million Mark in die Vergangenheit - zu Laura und zu Luise.

An diesem Stoff interessiert Thome jedoch weder die Science- noch die Social-Fiction, die das Genre gewöhnlich bestimmen. Nein, Thome erzählt vielmehr das Märchen eines unmittelbaren, utopischen Glücks, für das es in der Gegenwart keinen Raum zu geben scheint. Wie als Kehrseite von TIGERSTREIFENBABY kann man sich deshalb Thomes zweiten Film aus dem Jahr 1997 anschauen: JUST MARRIED heißt der und beschreibt ein Ehegefängnis, in dem das Glück erstickt. Seine weibliche Hauptdarstellerin heißt zwar Frangipani, was übersetzt so etwas wie "Die gut Riechende" heißt, gesagt bekommt sie das aber nie. Hier geht es ums Ganze, also muß permanent Liebe geschworen werden: vor dem Traualtar, an einem romantischen Sandstrand, am häuslichen Herd. Darunter leidet offenbar das unmittelbarste Sinnesorgan, die Nerven in der Nase werden betäubt. "Soll ich mich scheiden lassen?", fragt Friedrich Bär seinen Anwalt so ganz en passant. "Ich hasse dich", schreibt die enttäuschte Frangipani auf den Badezimmerspiegel. Friedrich ignoriert es gelassen und rasiert sich, bevor er stillschweigend die Wohnung, darin Mutter und Kind, verläßt.

Rudolf Thome gehört zu den leisen Filmemachern dieser Republik, sieht man einmal von dem Uschi-Obermaier-Vehikel ROTE SONNE ( 1969) oder dem brisanten SYSTEM OHNE SCHATTEN (1982/83) ab. Trotzdem hat er kontinuierlich Filme gedreht, seit 1964. Seinen ersten Spielfilm, DETEKTIVE, realisierte er 1968. Seine Stärke liegt aber nicht nur in dieser Kontinuität, in der Beharrlichkeit, mit der er Autorenfilmer bleibt, während die Kollegen seiner Generation alle auch irgendetwas anderes geworden sind. Schaut man sich heute - wie in der Reihe, die das Arsenal in Berlin veranstaltete - seine frühen Filme an, so überzeugt seine Wahrnehmung der äußeren Wirklichkeit. DETEKTIVE etwa spielt nicht nur mit den Geschichten und Blickwinkeln der französischen Nouvelle Vague, er gibt vielmehr den Blick auf die bundesdeutsche Vergangenheit frei. Lange Autofahrten in CinemaScope/Schwarzweiß lassen die Modelle der sechziger Jahre ins Auge fallen, ein Klaps auf den Po der Frau beschreibt das Geschlechterverhältnis dieser Zeit prägnanter als manch akademischer Aufsatz zum Thema.

Aber auch die gegenwärtigen Filme von Thome wirken irgendwie sympathisch verstaubt. Da gehen zwei Leute in Berlin tanzen. Thome freut sich naiv wie ein kleines Kind über das stroboskobische Licht und setzt es in Szene, wie es kein jüngerer Filmennacher mehr tun würde: spielerisch, voller Wahrnehmung für die absurde Situation, mit einem scharfen Blick für die Veränderung des Blicks in diesem Moment. Und das obwohl TIGERSTREIFENBABY zu seinen unphänomenologischen Filmen gehört, der in der Wirklichkeit nicht mehr hinschaut, sondern ein Ideal, eine Utopie an ihrer Stelle einsetzt. Da schreibt Laura Luna, die Schriftstellerin, völlig gutgelaunt in nur acht Wochen am Tisch, irgendwo draußen in der brandenburgischen Natur ihren Roman, und freilich stehen auf dem Tisch dekorativ eine Blumenvase und eine Kaffeetasse. Von der Absurdität eines antiquarischen Modells von Schreibmaschine einmal abzusehen. Da ist die Verlegerin einfach nur glücklich, wenn sie das neue (mit einem dicken, roten Geschenkband versehene) Manuskript in den Händen hält. Und auch der Vater Lauras staunt nur über das Glück und gibt folglich sein idyllisches Haus mit den fünf weiße Säulen zum Geschenk, anstatt es dem schleimigen Makler für schäbige 250.000 zu überlassen.

Wunschwirklichkeit. Selten realisiert sie sich in Thomes Filmen. Sein Kino ist ein - bei allen Verstrickungen -prosaisches, vielleicht schleicht sich deswegen in TIGERSTREIFENBABY immer wieder die Metapher des Geldes ein. Frank hat keins, er aber besitzt die Goldbarren. Wie man die in gültige Währung für die Tauschgeschäfte des Lebens und der Liebe verwandelt, werden ihm die Frauen zeigen müssen. JUST MARRIED beschreibt diese Währungsverhandlungen noch drastischer, denn Friedrich Bär ist ein kleiner Programmkinobesitzer, der die Tochter des Kinomagnaten Willi Klein ehelicht. Der gibt seine Existenz auf, gewinnt Kinos und die Hand der Prinzessin, die ihn das wiederum spüren läßt: "Schwöre!" ist ihr Schlachtruf und der brave Friederich gehorcht.

JUST MARRIED bleibt dabei immer dicht an der Realität, ja für Menschen, die Berlin kennen, ist nahezu jeder Drehort zu erkennen. Am Lietzensee lüftet man Sonntags die Kinder, in der Bar Tolucci trifft man den Liebhaber, am Schlachtensee geht man schwimmen. Thomes Filme verorten sich so in Raum und Zeit, sie zeigen ein großes Stück gelebte Wirklichkeit. Das mag auch daher kommen, daß Thome immer wieder das Vertraute zu filmen sucht, über sich und seine Welt erzählen will. "Sonst kann man ja keine gescheiten Filme machen. Das, wovon man etwas versteht, ist man selbst. Falls man überhaupt etwas versteht", meint er trocken. Gelegentlich kommen Thomes Filme deshalb auch klischiert romantisch daher: Verliebte gehen bei ihm gern nackt im Waldsee schwimmen, Ehen werden vom Papa und Schwiegervater gekittet, zur Hochzeitsreise fährt man nach Italien. Selten sieht man die Reibung der Personen aneinander, die Gespräche, die Diskussionen.

Thome bleibt der Faktizität verpflichtet: Irgendetwas ist so, also zeigt man es. Ein Paar ist getrennt, ein anderes liegt zusammen im Bett, wie sie eigentlich zueinander finden, was sie letztlich trennt, darüber schweigt er sich aus. Deshalb sind seine Filme keineswegs lieblos, fast kann man beide, TIGERSTREIFENBABY und JUST MARRIED, als Liebeserklärungen betrachten: Der eine ist eine Verbeugung vor den Stärken des weiblichen Geschlechts, der andere (bei aller Kritik) ein Votum für die Institution Ehe. Thomes Filme sind nicht spektakulär, keine ästhetischen Highlights, die man gesehen haben muß. Schaut man sie sich trotzdem an, merkt man, daß hier ein präzises Bild dieser Republik entsteht, daß kleine Verschiebungen, Baustellen, Entwicklungen genau beobachtet und festgehalten sind.



DIE VERHEIRATETE FRAU

Daland Segler
Frankfurter Rundschau
17. 6. 1999
"Just Married”, Rudolf Thomes Film über zeitgenössische Formen der Zweisamkeit

Der Badezimmerspiegel ist nicht zu gebrauchen. "Ich hasse Dich" steht in großen Buchstaben mit Lippenstift quer über das Glas geschrieben. Fritz rasiert sich trotzdem, ohne das Menetekel abzuwischen. Diesen Gleichmut zeigt der Mann immer wieder in den Szenen seiner Ehe - ganz im Gegensatz zu seiner Angetrauten. Die Schöne mit dem duftigen Namen Frangipani weiß stets genau, was sie will.

Rudolf Thomes neuer Film "Just Married” wirkt bisweilen wie eine Bebilderung von Brechts Keuner-Geschichte über die Liebe: Die funktioniert so, daß man sich ein Bild von einem anderen macht und danach trachtet, daß der dem auch entspreche. In diesem Fall soll Fritz (Herbert Fritsch) zum Malergehilfen für Frangipanis (Laura Maori Tonke) Bild vom Leben werden. Sie hat ausgesprochen "präzise Vorstellungen”, wie ihr Gatte staunend bemerkt - ob es der Strand am Ziel der Hochzeitsreise ist, das Nächtigen im Zelt oder das Kinderkriegen. Und mag er auch keine Krawatten: Zum Geburtstag bekommt er für jeden Tag des Jahres eine. Und trägt sie.

Thome hat im Interview zu "Just Married” gesagt, der Mann werde in einer Ehe "unterdrückt” und dafür eigene Erfahrungen angeführt. Man ist geneigt, den Film vor solchen Klischees seines Regisseurs in Schutz zu nehmen. Was dem notorischen Erzähler deutscher Liebesgeschichten hier gelungen ist, kommt einer zeitgenössischen Phänomenologie der Zweierbeziehung nahe. "Eine verheiratete Frau" hieß ein Film von Jean-Luc Godard in den sechziger Jahren. Der französische Regisseur hatte einen anderen, weitergehenden Titel gewollt, der auf das Exemplarische der Schilderung verweisen sollte. Aber der Titel "Die verheiratete Frau” wurde ihm von der Zensur nicht gestattet.

Thome skizziert nun Stationen eines Lebens zu zweit, wie es typischer nicht sein könnte. Der Mann ist Kinobesitzer, sie Tochter eines solchen, ihr Papa (Marquard Bohm, der in Thomes Rote Sonne" vor 30 Jahren mal für ein anderes Bild von Zweisamkeit kämpfte) ruppig um das häusliche Glück besorgt. Nach einem Jahr das erste Kind und schon der große Frust (siehe Spiegel im Bad), dann das zweite Baby und sein Seitensprung, den sie prompt mit Gleichem vergilt: "Nun sind wir quitt", beschließt sie, und er kann, mit einer der vielen Phrasen, die das Personal dieses Films als Gestalten aus dem wirklichem Leben ausweisen, nur das Fazit ziehen: "Es ist manchmal etwas schwierig.”

Thome hat, von "Rote Sonne” über "Berlin Chamissoplatz” über "Sieben Frauen", immer wieder Männerphantasien inszeniert, meistens romantisierend, aber oft mit Charme und mit einer Portion Gegenwart, die das Hinsehen lohnte. Diesen Film aber könnte man(n) auch als Alptraum sehen. Wollte der Regisseur auch mit "Just Married” nach eigenen Worten provozieren, so hat er doch eine Erscheinung erfaßt, die ähnlich in den Filmen seines französischen Kollege Eric Rohmer immer wieder aufblitzt: die Entschlossenheit, mit der junge Frauen ihr Leben in die Hand nehmen. Während ihre Partner sich noch orientieren, wissen sie schon den Weg (mag er auch die Karten lesen). Frangipani ist keine Zicke und Gatte Fritz sicher kein Pantoffelheld, aber Entschlußkraft und Leidenschaft zeigt er nur bei der Arbeit. Die Liebe, oder das, was er dafür hält, widerfährt ihm. Als das Paar mit dem Wagen zur Hochzeitsreise startet, muß es erstmal den Rückwärtsgang einlegen.