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Interview mit Rudolf Thome
Von Christa Maerker

MADE IN GERMANY UND USA, in Berlin und New York gedreht, ist ohne Unterstützung eines Produzenten gemacht worden. Der Film hat keinen Verleih. Kann man sich heute noch leisten, auf diese Weise Filme zu drehen?

Ich habe durch die Erfahrungen mit den vier Spielfilmen die Illusion verloren, daß man einen Film machen und ihn ins Kino bringen kann, daß er dann bei den Leuten ankommt, lange laufen kann und ein Erfolg werden wird. Daran habe ich vorher immer gedacht, bei jedem Film. Ich habe gemerkt, daß es nur dann möglich ist, einen Erfolgsfilm zu machen, wenn die verbliebene Filmindustrie groß einsteigt, wenn ein großer Verleih dahintersteht mit seiner Erfahrung und seiner Macht. Wenn man das nicht hat, dann ist es praktisch sinnlos. Man kann nicht im Alleingang in Deutschland Filme verleihen und starten. Und man kann es auch nicht mit kleinen Verleihern machen. Die Konsequenz daraus für mich war, keine Kinofilme mehr zu machen zunächst. Auf die Idee, es anders zu machen, bin ich durch meine Arbeit im „Arsenal“ gekommen. Da habe ich einfach gemerkt, welche Abspielmöglichkeiten, was für ein riesiges Netz unabhängiger Spielstellen es gibt. Außerdem liefen in den letzten zwei Jahren dort meine vier Spielfilme in Retrospektiven, wodurch ich immer in Komplikationen geriet, weil diese Filme für dieses Publikum eigentlich gar nicht gemacht waren. Die waren fürs Kino gemacht und die Leute wollten hinterher mit mir diskutieren – und das sind Filme, über die man nicht diskutieren kann. Entweder sie gefallen einem oder sie gefallen einem nicht. Durch die Erfahrung dieser Retrospektiven hatte ich dann vor, einen Film zu machen, über den ich dann auch hinterher mit den Leuten reden kann. Und dieser Film ist so konzipiert, daß die Kosten allein durch diese Spielstellen amortisiert werden – egal, ob das Fernsehen ihn nun kauft oder nicht. Die Möglichkeit hat man natürlich nicht mit 35mm Filmen, da sind die Kosten mindestens 100.000 Mark. Mein Film, 16mm in schwarzweiß, hat zwischen 25.000 Mark und 30.000 Mark gekostet. Ich habe das ganze Geld natürlich nicht gehabt, ich habe den Film mit insgesamt 10.000 Bargeld gedreht. Der Rest sind Kredite. Das Bargeld habe ich bekommen vom „Arsenal“, vom „Kommunalen Kino“ in Frankfurt, vom „Filmforum“ in Duisburg, die Voraus-Garantien auf die zu erwartenden Einspielergebnisse gegeben haben.

Du sagst, es sollte ein Film sein, über den das Publikum nicht-kommerzieller Kinos besser diskutieren kann. Könnte das die Begründung dafür sein, daß sich MADE IN GERMANY UND USA thematisch eher an deine beiden ersten Kurzfilme anlehnt, die du vor zehn Jahren gedreht hast, als an die folgenden fiktiveren Spielfilme?

Ja, parallel zu der wachsenden Kenntnis der hiesigen Situation im Film kam so eine Rückbesinnung auf meinen Anfang, auf das Motiv, weshalb ich Filme machen wollte: Es ging immer darum, die Dinge zu vermitteln, die mich persönlich am meisten beschäftigt haben, über die ich am besten Bescheid weiß: das sind Probleme zwischen den Leuten, Eheprobleme, Probleme in Beziehungen zu anderen. Warum sind sie so kompliziert, warum ist es so schwer, sich untereinander zu verständigen? Ich zeige, wie ein Ehepaar zu reden versucht über die aufgetauchten Probleme, ich zeige nicht das Problem. Da gibt es Parallelen zu meinen Filmen vorher. Ich habe da auch nie Probleme gezeigt. Die Probleme waren immer implizit in der Geschichte drin, im Verhalten der Leute. Der letzte Film zeigt nicht die Beziehung als Problem. Fast mikroskopisch genau sieht man, was sich da im einzelnen abspielt, in den Gesprächen der beiden. Durch die Art des Dialogs, der kein normaler Filmdialog ist, auch gar nicht diese Funktion hat, wird man als Zuschauer in das Gehirn dieser Leute versetzt. Man sieht ganz genau jede Kleinigkeit, wie das Bewußtsein der beiden im Moment von ihnen selbst ist, und wie sie sich auf Reaktionen des anderen hin verhalten.

Wie hast du den Film vorbereitet? Es gab kein Drehbuch. Wie konnte man – besonders aus dieser relativ unsicheren Ausgangssituation – ein solches Maß an Offenheit und Spontaneität erreichen? Die Hauptdarstellerin kennst du, ihr seid verheiratet, aber auch bei dem Jungen, der überhaupt keine Kameraerfahrung hat, überrascht die „Hemmungslosigkeit“, bei allen eigentlich, die mitspielen.

Ich habe am Anfang ein Exposé geschrieben, und ich wollte eben eine Ehegeschichte machen, wo der Ehemann abhaut und die Frau hinter ihm herfährt. Das war eigentlich von Anfang an da. Es gab zwar Widerstand bei Karin. Die wollte nicht ihrem Filmehemann nachfahren. Sie wollte eher lieber selbst abhauen und den Mann nachfahren lassen, aber ich wollte diese Version. Gedreht habe ich ohne Drehbuch, und die ersten zwei Tage habe ich einfach versucht, mich an das Thema heranzutasten. Nach zwei, drei Tagen habe ich wahnsinnige Angst bekommen. Ich habe sowas noch nie gemacht. Ich hatte bisher immer ein sehr, sehr gutes Drehbuch, wenn ich einen Film gemacht habe. Und hier habe ich mich einfach so Hals über Kopf in etwas reingestürzt und ich wußte gar nicht, wohin das führen würde, oder ob ich das überhaupt schaffen würde. Und ich bekam eben wirklich Angst. Aber es ging ja immer weiter. Wir haben vor den Dreharbeiten die Situation innerhalb des Films besprochen. Aber wir haben nie geprobt, sondern einfach die Kamera laufen lassen. Karin und Eberhard Klasse kennen sich ungefähr ein Jahr, sie sind sich also nicht fremd. Aber was wichtiger ist: sie sind verheiratet, nicht miteinander natürlich. Beide haben eben ihre eigenen Erfahrungen eingebracht. Im Grunde genommen sprechen beide von ihren Ehen. Da vermischt sich die Fiktion des Films – die Ehe von Karl und Liesl – ständig mit der Wirklichkeit. Und das ist ja gerade ein Beweis dafür, wie allgemein die Schwierigkeiten in einer Ehesituation sind. Daß das, was für ihre Ehe gilt, an Schwierigkeiten, auch für seine gilt.

Die Offenheit, Ehrlichkeit, das Aufbrechen von Emotionen erinnert sehr an Eustaches LA MAMAN ET LA PUTAIN. Beide Thomes haben anläßlich der Retrospektiven ihrer Filme immer wieder diesen Vergleich gehört. Kannst du das nachempfinden?

Nein, da möchte ich wiedersprechen. Ich finde gar nicht, daß LA MAMAN ET LA PUTAIN so spontan ist. Ich finde den Film unglaublich kalkuliert, am Anfang merkt man das nicht so. Der Film besticht einfach, er verführt durch die Genauigkeit, mit der er jede Kleinigkeit registriert und beschreibt. Aber gegen Ende hin merkt man doch, daß das dramaturgisch eingesetzt ist. Der Eustache steht außen, und zeigt die Leute von außen, sehr kalt. Der Film hier, da stehe ich nicht außen. Ich bin mitten in den Leuten drin. Der Film ist von innen gemacht, mitten aus den Leuten. In der letzten großen Gesprächsszene auf der Veranda am Meer da sagt Liesel: „Ich lebe außen drauf.“ Das hat etwas mit dem gesamten Film zu tun. Daß das Innere der Leute nach außen gekehrt wird.

Glaubst du, die gleichen Effekte erzielt zu haben, wenn du mit einem anderen Team gedreht hättest? Mit Schauspielern beispielsweise?

Wenn die Leute verheiratet gewesen wären, beide Partner, dann wäre es genauso gegangen. Wenn sie die Erfahrung nicht gehabt hätten, dann wäre es nie so gut gegangen. Das ist die Voraussetzung.
Ich erinnere mich an eine Szene, die ich in München gedreht habe, zwischen Ingeborg Schöner und Georg Marischka, die jetzt nicht im Film ist. Das hat sich bei denen genauso ergeben. Das hat sich bei denen genauso spontan entladen, wie bei den beiden hier im Film. Das war eigentlich eine ganz schöne Parallele.
Ich glaube, es kommt durch die Art der Inszenierung. Ich habe im Grunde genommen „in Abwesenheit“ inszeniert. Ich habe den leuten dadurch auch die Sicherheit gegeben. Ich habe mich nicht um sie, mehr um die technischen Dinge gekümmert. Und ich habe die Karin oder den Mann praktisch mit den Leuten reden lassen vorher, meine Regieanweisungen gar nicht selbst den Leuten gesagt. Dadurch hatten die schon die Möglichkeit, sich miteinander so ein bißchen vertraut zu machen. Ich war im Grunde genommen nicht da. Dadurch konnten alle viel freier sein, ohne Hemmungen. Sonst arbeite ich anders, genauer.
Es hätte ja auch schief gehen können. Daß es so gut ging, kann ich nur damit erklären, daß – wenn man offen ist für alles, was passieren kann – wirklich auch etwas passiert. Wenn man dagegen mit festen Vorstellungen an etwas herangeht, dann wird immer nur das passieren, was man sich vorgestellt hat. Im besten Fall. Wenn man unvoreingenommen an die Sache herangeht, dann ereignet sich doch was. Es ist quasi ein Loch da. Die Leute spüren das und versuchen, es von sich aus auszufüllen.

Kann es nicht daran liegen, daß die Leute auch „mit sich“ auszufüllen versuchen, daß die Szenen so echt wirken?

Aber sie sind gestellt. Das ist das Komische. Spielen tun die Leute ja trotzdem. Es ist nur eine wahnsinnige Vermischung von Spiel und Realem. Weil der Zwang von außen fehlt, der Druck von außen, wird aus dem Spiel dann auch gleichzeitig Wirklichkeit.

Dadurch entstehen allerdings auch Situationen, die für den Zuschauer neu sind – Geduldsproben, Provokationen oder aber auch Identifikationen. Die beiden reden, holprig, oft unbeholfen – das Publikum wird sich hier sicher in zwei Pole teilen: die einen, die ungeduldig werden, haben nichts von den Gesprächen, die anderen, die ihre eigene Hilflosigkeit spüren, können sicher etwas begreifen lernen.

Die Sprache ist aber in meinen Augen echt, nicht holprig. Das, was die beiden sagen, ist doch gar nicht fest in ihrem Kopf fixiert – es entsteht doch erst in dem Augenblick, in dem sie etwas sagen. Das sieht man ja auch ununterbrochen im Film. Es gibt kein Drehbuch, also weiß niemand, wie der Partner agieren oder reagieren wird. Man sieht also „Sprache“ – und da kann man dann auch Bewußtsein für einsetzen – entstehen. Man könnte die Sprache mit einer Landkarte vergleichen, die irgendwie Geographie wiedergibt. Hier wird Bewußtsein wiedergegeben, vermittelt, „gezeigt“.

Wie war es möglich, mit dem kleinen Budget doch immerhin nach Amerika reisen zu können, um dort weiterzudrehen?

Das hängt mit zwei Sachen zusammen. Einmal hatten wir die Gelegenheit, ganz billig nach Amerika zu fliegen, und das war eigentlich auch ein bißchen der Aufhänger zu diesem Film. Karins Film ÜBER NACHT lief in New York auf der „New Director’s Week“, sie hatte eine Einladung. Und ich wollte mit. Und als es dann soweit war, habe ich gesagt, wir könnten eigentlich in New York auch einen Film drehen. Und daraus hat sich das dann entwickelt.
Dann bekam ich auch durch eine unglaublich günstige Gelegenheit Negativmaterial, durch eine Anzeige in der „Berliner Morgenpost“. Und das habe ich fast geschenkt bekommen, das war alles überlagertes Material, aber es ist trotzdem ganz gut geworden.

Der Film ist zwar von dir bewußt für nicht-kommerzielle Kinos und deren Publikum konzipiert. Würdest du dich gegen Aufführungen in „normalen“ Kinos aussprechen – glaubst du, daß der Film gar keine Chancen dort hätte?

Er kann prinzipiell nur in Kinos laufen, die eine 16mm-Projektion haben, und das sind doch recht wenig in Deutschland; aber mindestens ein oder zwei Kinos in jeder Großstadt. Ich hoffe, wünsche mit natürlich, daß der Film dort dann laufen wird.
Da gibt es dann die Möglichkeit, in diese neue Filmförderung hineinzukommen; allerdings nur, wenn der Film ein Prädikat bekommt von der Filmbewertungsstelle. Die Förderung richtet sich danach, wieviele Filme ein Prädikat haben, wieviele Filme es insgesamt gibt, für die dieses Gesetz Gültigkeit hat. Das kann eine Summe zwischen 5.000 und 150.000 Mark sein. Und ich meine, wenn man mal vom Optimalen ausgeht, von 150.000 Mark, dann wäre das immerhin die fünffache Summe der Produktionskosten. Das ist aber utopisch. Selbst 5.000 Mark wären jedoch unglaublich viel Geld bei so einer Produktion. Aber da ist natürlich das Problem, daß die FBW sehr viel Geld kostet. Die verlangen pro Meter eine Mark als Prüfgebühren, und das wären bei diesem Film, der ja immerhin zweieinhalb Stunden lang ist, rund 4.000 Mark, die ich da bezahlen müßte.