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Interview mit Rudolf Thome


Dein neuer Film ist der erste Teil einer geplanten Trilogie mit dem Titel „Formen der Liebe“. DAS MIKROSKOP könnte man also bezeichnen als einen Liebesfilm. Was hat ein technisches Instrument wie ein Mikroskop mit der Liebe zu tun? Liegt in diesem Titel auch ein Schlüssel für die Perspektive, die Sichtweite des Films?

Ein Mikroskop ist ein wissenschaftliches Instrument, genauer: ein Instrument der Naturwissenschaften. Naturwissenschaftler haben dieses Gerät, dieses Werkzeug erfunden, um Dinge sehen zu können, die man anders, mit bloßem Auge, nicht sehen kann. Es geht um die Überschreitung einer Grenze, es geht darum, den Bereich des Sichtbaren zu erweitern. Und genau darum geht es auch beim Filmemachen. Die Kamera und das Mikroskop sind identisch. Sie haben die gleiche Wirkung. Nur Filme, in denen Grenzen überschritten werden, Filme, die versuchen, das Nicht-Sichtbare zu zeigen, sind wirklich aufregend. Im Augenblick kann ich, als Zuschauer, das nur von den Filmen eines lebenden Regisseurs sagen, und das ist Rohmer. Seine Filme, seit „LA FEMME DE L’AVIATEUR“, begeistern mich, reißen mich aus dem Kinosessel. In manchen seiner Filme könnte ich stundenlang sitzenbleiben. Französische Kritiker haben meine Filme mit seinen verglichen. Ich kann darüber nichts sagen. Aber warum sollte es keine Ähnlichkeiten zwischen seinen und meinen Filmen geben, da ich seine Filme so sehr mag! Irgendwann im letzten Jahr kam mir die Idee, ich könnte auch einmal, wie Rohmer, mit einer Serie von Filmen beginnen. Nur auf diese Weise entstehen Dinge. Ich habe mich einmal festgelegt, habe gesagt, ich mache eine Trilogie, und jetzt mache ich weiter.Am Anfang war es mehr oder weniger ein Spiel, jetzt ist es Ernst, und jetzt bin ich auch gezwungen, darüber nachzudenken. Das Buch des zweiten Teils der Trilogie ist gerade fertig geworden und heißt „Der Philosoph“.
Die Frage war, was hat ein technisches Instrument mit der Liebe zu tun?
Sehr viel, wie jeder in meinem Film sehen kann. Mensch und Technik müssen nicht unbedingt Ggensätze sein. Ein Mikroskop ist in vielerlei Hinsicht ein erotisches Instrument. Ich will nur einen Aspekt der Gemeinsamkeiten erwähnen. Mit dem Mikroskop sehen wir das Unsichtbare, die kleinsten Bauteile der Natur. In der Liebe erkennen wir das Unsichtbare in dem geliebten Menschen, seine Seele.

Es geht in der Geschichte des Films um die Haltung der Figuren zur Ehe und zum Kinderkriegen. Du hast vor kurzem zum dritten Mal geheiratet. Bis zu welchem Grad ist der Ausgangspunkt des Films autobiographisch?

Jeder persönliche Film, das heißt jeder Film, der von einem Menschen und nicht von einer Institution gemacht wird, ist autobiographisch. Das heißt jedoch nicht, daß das was in diesem erzählt wird, und das, was in meinem Leben geschehen ist, identisch ist. Es gibt da einige Parallelen, aber durch das Ernstnehmen der Realität der Schauspieler, die diese von mir geschriebenen Szenen spielen, entsteht etwas Neues, etwas Drittes, etwas, das mit meiner Biographie nichts mehr zu tun hat. Das Biographische kann nur ein Ausgangspunkt sein. Es ist beim Machen des Films nicht mehr wichtig. Hier in diesem Film waren es vor allem produktionstechnische Überlegungen, die mich dazu gebracht haben, zum Beispiel in meiner Wohnung zu drehen. Weil es eben einfacher und billiger war.

Aber warum hast du dir als Thema nicht nur für diesen Film, sondern für die ganze Trilogie die Liebe ausgesucht?

Alles, was ich dazu sagen könnte, würde dumm klingen. Ich meine, die Liebe ist das Aufregendste auf der Welt. Man glaubt zu wissen, was das ist: die Liebe, aber man weiß es auch wieder nicht. Im Grunde mach ich die Filme, um ´rauszubekommen, was die Liebe ist. Ein Film ist für mich ein Entwurf von dem, was ich weiß, eine Bestandsaufnahme, und dann übeprüft man, ob es stimmt, ob es tragfähig ist.

Der reine Ablauf der Geschichte ist ja sehr rührselig, beinahe kitschig. Durch genau Beobachtung, durch das Ernsnehmen der kleinsten Details wird diese Oberfläche brüchig, wird sie ironisiert. In diesem Sinne könnte man den Film als Komödie bezeichnen. Hast du den Film als Komödie geplant und würdest du dieser Klassifizierung zustimmen?

Ich habe DAS MIKROSKOP so geschrieben, daß es eine Komödie werden kann, aber ich habe das nicht ausdrücklich in das Buch hingeschrieben, weil ich nicht sicher war, ob es gelingen würde. Eine Komödie zu machen, ist schließlich das Schwierigste überhaupt. Beim Drehen habe ich das fast ganz außer acht gelassen; beim Schneiden des Films dachte ich wieder mehr daran, daß der Film komisch werden könnte. Die Entscheidung darüber treffen die Zuschauer, die den Film sehen. Sie lachen oder sie lachen nicht.
Die Komik, die mich interessiert, kommt aus einer inneren Haltung gegenüber den Personen und dem, was sie tun und was ihnen passiert, also letzten Endes aus einer Haltung zum Leben. Aus einer gewissen Distanz ist alles, was Menschen tun, komisch. Diese Distanz, diese Gelassenheit, ist mir wichtig. Aus ihr heraus entsteht eine liebevolle Komik, die sich nicht über die Menschen, die sie zeigt, lustig macht. Es ist genau diese Erzählhaltung, diese Mischung aus Distanz und Liebe, die ich in den letzten Filmen Rohmers bewundere und von der ich hoffe, daß ich sie auch erreichen kann.

DAS MIKROSKOP ist ein kleiner Film. Dieses „klein“ bezieht sich nicht auf das kreative Potential des Films, sondern seine finanzielle Ausstattung. Nach zwei Filmen mit einem Budget von weit über einer Million hattest du für dieses Projekt nur 400.000 DM zur Verfügung, wobei 120.000 DM durch Gagenrückstellungen aufgebracht wurden. Dafür war der Film aber schneller und spontaner zu realisieren. Inwieweit ist DAS MIKROSKOP für dich auch eine Reaktion auf die Schwerfälligkeit der Fördergremien und des Fernsehapparates?

Ich habe bei meinen ersten beiden Filmen, bei DETEKTIVE und ROTE SONNE, einen Monat gebraucht, um sie zu finanzieren, denn es waren noch richtige Produzenten, die das Geld dafür aus ihrer eigenen Brieftasche gezogen haben. Die Filmförderung hat dafür gesorgt, daß diese Produzenten verschwunden sind. Denn warum soll ein reicher Mann sein eigenes Geld für so ein riskantes Unternehmen, wie es die Herstellung von Filmen immer schon war, nehmen, wenn es dafür öffentliche Mittel gibt.
Wenn ein Projekt wirklich gut ist, dann findet ein Regisseur dafür schließlich auch öffentliche Mittel, sollte man meinen. Und in einer gewissen Weise ist das ja auch so. Nur hat das deutsche Filmförderungssystem den Fernsehanstalten eine solche Macht gegeben, daß es ohne die Beteiligung des Fernsehens fast unmöglich geworden ist, einen Film zu produzieren. Nur wer eine Fernsehanstalt als Koproduzent hat, kann Filme machen. Das hängt mit den vom Filmförderungsgesetz verlangten „Eigenmitteln“ und mit der Anrechnung eines Teils der Fernsehbeteiligung auf diese Eigenmittel zusammen. Heute sind die einzelnen Redakteure in den Fernsehanstalten die wahren Produzenten, ohne daß dies nach außen sichtbar wird. In meinem Fall hat das Fernsehen seit TAROT vier Projekte, vier Drehbücher abgelehnt. Wenn ich weiter meinen Beruf ausüben will, mußte ich mir etwas Neues einfallen lassen. Und dazu kommt, die Finanzierung von TAROT hat drei Jahre gedauert. So lange wollte ich nicht warten. Also habe ich einen „Low-Budget-Film“ gemacht, wo das Geld nur von einer Förderungsinstitution gekommen ist. Das Risiko, daß die Herstellungskosten überschritten werden, ist dabei sehr groß. Aber man muß, wie Dominique Laffin in SYSTEM OHNE SCHATTEN sagt, etwas riskieren, um zu gewinnen. Und je mehr Geld man für einen Film hat, desto geringer wird auch der Mut, dabei ein Risiko einzugehen. Dafür sorgen dann schon die Leute, die das Geld geben. Ich hätte, denke ich, nicht den Mut gehabt, DAS MIKROSKOP mit ein oder zwei Millionen zu drehen. Die Freiheiten, die ein kleines Budget gibt, macht alle Beschränkungen, die man sich auferlegen muß, wieder wett. Deshalb will ich versuchen, so weiterzuarbeiten.

Dein letzter Film TAROT hat ausgezeichnete bis sogar überschwengliche Kritiken bekommen, konnte sich beim Publikum jedoch nicht so recht durchsetzen. Liegen einige der Wurzeln des Projektes MIKROSKOP nicht auch in den Erfahrungen mit TAROT?

Für mich ist es noch immer ein Idealziel, daß ein Film zumindest seine Herstellungskosten wieder einspielt, das mag damit zusammenhängen, daß ich erst sehr spät in den Genuß von Förderungsmitteln gekommen bin (erst bei meinem siebten Film BESCHREIBUNG EINER INSEL). Bisher hat nur ein Film, MADE IN GERMANY UND USA das erreicht. Mit einem billigen Film wie DAS MIKROSKOP ist dieses Ziel wieder in greifbare Nähe gerückt. Das ist mir sehr wichtig. Zwischen der Summe, die ein Film kostet, und der Summe, die er wieder einspielen könnte, sollte ein gesundes Verhältnis bestehen. Und da Deutschland, was die Distributionsverhältnisse und die Macht über die Kinotermine angeht, eine Kolonie Hollywoods ist, kann in meinen Augen die Lösung unserer Filmprobleme nicht darin bestehen, solche Filme machen zu wollen, wie sie in Hollywood gemacht werden. Deutsche Filme haben auf dem Kinomarkt nur eine Außenseiterchance. Ein Erfolg ist immer ein Zufall. Er läßt sich nicht vorhersagen. Aber es ist möglich, sich auf diese Situation einzustellen. Man kann versuchen, den Verlust so gering wie möglich zu halten.

Der Film entstand nicht nach einem ausgearbeiteten Drehbuch. Es gab ein Treatment, und die Szenen und Dialoge wurden in der Improvisation geimeinsam mit den Darstellern erarbeitet. Vor mehr als zehn Jahren hast du bei MADE IN GERMANY UND USA und TAGEBUCH auch improvisiert. Konntest du auf diese Erfahrungen und diese Arbeitsweise zurückgreifen, oder war die Vorgehensweise bei DAS MIKROSKOP eine völlig neue?

Walter Benjamin hat gesagt: „In der Improvisation liegt die Stärke, die entscheidenden Schläge werden mit der linken Hand geführt.“ Das ist ein Satz, der mir, seitdem ich Filme mache, nie aus dem Kopf gegangen ist. In einer gewissen Weise improvisiere ich immer. Das heißt, ich arbeite mit dem, was vorhanden ist, und dem was „zufällig“ gerade passiert, was mir zufällt. Man muß für den Zufall offenbleiben, sonst reibt man sich beim Machen eines Films damit auf, wie Don Quichote gegen Windmühlen zu kämpfen. Wenn ich in einer Szene geschrieben habe, daß die Sonne scheint und es regnet gerade, wenn ich diese Szene drehen will, dann drehe ich sie eben bei Regen. So schlimm ist das meistens nicht, und  und Kinozusmanchmal kann es sogar passieren, im Nachhinein, daß die Szene bei Regen dann viel schöner ist, als ich sie vorher geplant hatte.
Ich habe keine „Methode“. Ich weiß nicht, wie ich etwas mache, zumindest nicht von vornherein. Die Arbeitsweise beim MIKOSKOP war völlig verschieden von der, die ich bei früheren Filmen benutzt habe. Die Szenen waren ja genau festgelegt. Wir haben im Grunde wie nach einem richtigen, ausgeschriebenen Drehbuch gearbeitet, nur daß die Dialoge fehlten (manchmal waren auch diese da). Bei MADE IN GERMANY und TAGEBUCH gab es nichts, keinen Handlungsrahmen und schon gar keine Szenen. Als ich anfing, diese Filme zu drehen, gab es nur einen festgelegten Ausgangspunkt, alles weitere blieb offen. Das hatte zur Folge, daß diese Filme, da sie keinerlei Dramaturgie besaßen, ziemlich lang geworden sind. Da ich selbst aber nur noch sehr ungerne in lange Filme gehe und Kinozuschauern das, was ich mir selbst nicht zumuten möchte, auch nicht zumuten will, war ich fest entschlossen, einen kurzen Film zu machen. DAS MIKROSKOP ist von allen meinen Filmen der kürzeste geworden (bei DETEKTIVE und ROTE SONNE haben die Produzenten dafür gesorgt, daß diese beiden Filme noch kürzer wurden).

Du hast früher einmal in einem Gespräch über SYSTEM OHNE SCHATTEN gesagt: „Ich mache Dokumentarfilme über Schauspieler, die ein Drehbuch spielen.“ Wie ließe sich dieser Satz auf die Arbeit ohne Drehbuch übertragen?

Da es kein richtiges Drehbuch gab, trifft dieser Satz nicht mehr zu. Das Gegenteil ist eher richtig: wir, das heißt die Schauspieler und ich, haben die Szenen erarbeitet. Zuerst haben wir improvisiert und ein bißchen herumgespielt, und dann habe ich angefangen, die Szenen, das was gesagt und getan wird, ziemlich genau festzulegen. Man könnte sagen, wir haben beim Drehen relativ wenig improvisiert. Die Improvisation geschah vorher bei der Probe. Ich habe im Grunde die Arbeit des Drehbuchschreibens in die Drehzeit verlegt und hatte den Vorteil, mich nicht nur auf meine eigene Phantasie, sondern auf die Phantasie mehrerer Menschen verlassen zu können. Wenn ich vor einem leeren Blatt Papier sitze, fällt mir oft nichts ein. Ich brauche den Widerstand, den die Realität bietet, um Ideen zu haben. Ich weiß, was ich nicht will, was mir nicht gefällt; das, was ich will, das muß ich beim Machen eines Films immer erst herausfinden. Nur deshalb ist das Machen eines Films ein solches Abenteuer.
Ich interessiere mich nicht übermäßig für die Bilder. Das macht Martin Schäfer, mit dem ich seit 15 Jahren zusammenarbeite, und mit dem ich mich, ohne daß wir darüber reden müßten, auf eine fast instinktive Art verstehe. Also kann ich mich ganz und gar auf die Menschen, die vor der Kamera stehen, konzentrieren. Ich zeige sie so, wie sie sind. Ich lasse sie möglichst nicht „spielen“, keine Kunstfertigkeiten vorführen. Ich fange nach wenigen Drehtagen an, mich in meine Hauptdarsteller, das ist bei Männern und Frauen das Gleiche, zu verlieben. Ich liebe ihre Eigenheiten. Das geht sogar soweit, daß ich selbst anfange, mich wie sie zu bewegen, wie sie zu sprechen. Diese Liebe ist das Medium, innerhalb dessen ich mit ihnen arbeite. Daraus entsteht dann auch, ohne daß wir genau wissen wie, ihre Freiheit, so sein zu können, wie sie wirklich sind. Sie sind dann nicht so wie im Leben, sondern vielleicht sogar anders, schöner als im Leben.