|  |  | Die
					      Schauspieler  Als
					    wir "BERLIN CHAMISSOPLATZ" abgedreht hatten und in der
					    glühenden Sonne von Kalabrien am Strand lagen, kam Jochen Brunow
					    und erzählte mir die Geschichte von "SYSTEM OHNE SCHATTEN".Ich dachte sofort, daß das der Hanns spielen sollte. Und daß wir
					    ihm einen Partner geben müssen, an dem er was zu beißen hat.
 Hanns Zischler ist ja eine ungeheuer starke Persönlichkeit. Wenn
					    der irgendwo in einem Raum mit 10 Leuten steht, ist er
					    automatisch der Mittelpunkt. Dem wollte ich mal einen
					    Gegenspieler vor die Nase setzen. Bruno Ganz hatte ich
					    vorher kennengelernt, in einer bar auf dem Flughafen
					    Köln. Wir kamen ins Gespräch und was ersagte, gefiel mir sehr
					    gut. Danach dachte ich gleich, daß ich Lust hätte, mit ihm
					    einen Film zu machen.
 Dominique Laffin hatte ich in "La Femme qui pleure" gesehen.
					    Ich war tief berührt von ihr. Vor allem von ihren Augen und von
					    ihrer unglaublich rauhen, brüchigen Stimme geht eine Faszination
					    aus. Klar, daß ich auch ihre Stimme in meinem Film haben wollte
					    - die Stimme eines Menschen ist ja genauso etwas unverwechselbar
					    Persönliches
					    wie der Körper. Bloß Dominique sprach Französisch, Italienisch,
					    Englisch. Aber nicht Deutsch. Also mußte sie Deutsch lernen, das
					    war meine Bedingung. Zuerst in Paris zwei Monate bei
					    Sabine Bach (die Anna aus "Chamissoplatz") und dann hier
					    in Berlin bei einem Intensivkurs. Jeden Tag von morgens
					    acht bis nachmittags vier. Ununterbrochen, sogar während des Mittagessens.
					    Ich wollte, daß sie nicht nur versteht, was sie sagt, sondern
					    daß sie auch frei sprechen, improvisieren kann. Und das hat sie
					    geschafft. In den fünfziger Jahren gab es zahllose Filme, in denen
					    Französinnen vorkamen, die so ein süßliches, gebrochenes
					    deutsch gesprochen haben. Aber so etwas wollte ich auf
					    keinen Fall.
 Dominique Laffin ist voller Widersprüche: Auf der einen Seite wirkt
					    sie wie ein unschuldiges, frischgewaschenes Baby - und
					    auf der anderen Seite wie eine abgebrühte Barfrau. Oder eine Gangsterbraut
					    - was sie im Film ja auch ist. Das war nur mit ihrer
					    Stimme möglich. Aber ich habe es ihr damit sehr schwer gemacht.
 Das Konzept Im Vergleich zu "BERLIN CHAMISSOPLATZ" ist "SYSTEM OHNE SCHATTEN"
					      ein viel ehrgeizigeres Projekt.                           "Chamissoplatz"
					      ist ein sehr bescheidener Film. Er ist einfach und
					      beschränkt sich auf einen kleinen, fast lokalen Ausschnitt. Das
					      Konzept von "SYSTEM OHNE SCHATTEN" - falls es so etwas
					      gibt, denn eigentlich habe ich ja nie ein vorgefaßtes "Konzept"
					      in diesem Sinne - ist ein viel größerer Ausschnitt, ist
					      fast die heutige Welt.Das, was man sieht, steht quasi für einen großen Teil unserer
					      industriellen Gesellschaft, deshalb auch dieser hochtrabende
					      Titel. Die Liebesgeschichte ist nicht eine alltägliche Liebesgeschichte,
					      wie sie jeden Tag passieren könnte - wie in "Chamissoplatz" zum
					      Beispiel. Hier gibt es eine Personenkonstellation,
					      wie sie in der gesamten Geschichtenwelt bekannt ist.
					      Eine Konstellation, mit der uns schon sehr große Dramen erzählt
					      wurden. Ich möchte es eigentlich nicht sagen, aber es gibt durchaus
					      gewisse Parallelen zwischen der Konstellation von "SYSTEM
					      OHNE SCHATTEN" und beispielsweise Faust. Der Film ist
					      nicht so gemacht! Das würde ich auch für falsch halten.
				        Aber es war instinktiv da, als Assoziation.
 Der Titel Bei dem Titel hatte ich zuerst so eine Art Science-Fiction-Vorstellung:
					      Ein Planetensystem, in dem es mehrere Sonnen gibt,
					      in dem es nie dunkel wird, weil ja immer gleich die
					      nächste Sonne da ist. Wenn man das im übertragenen Sinn
					      nimmt, dann ist diese Science-Fiction-Welt eben keine
					      fremde Welt, sondern unsere Welt. eine, die dabei ist,
					      sich in eine  Science-Fiction-Welt zu verwandeln. Die Computer sprengen
					      das bisherige Maß der Menschen - so ähnlich sagt das Melo
					      in dem ersten Gespräch mit Faber. Und es gibt ja tatsächlich
					      ein immer größeres Mißverhältnis zwischen unserer
					      Art der Realitätswahrnehmung, unserer Geschwindigkeit, und der
					      Geschwindigkeit der Computer.Darüber eine Geschichte zu erzählen ist natürlich in
					      gewisser Weise auch ein Versuch, Erfahrungen zu bewältigen, die
					      Dinge unter Kontrolle zu bekommen. Denn als Erzähler steht man
					      ja immer über dem, was passiert. Frieda Grafe hat damals zu "ROTE
					      SONNE" geschrieben, daß meine Positition als Autor - der
					      von Frauen erzählt, die Männer töten - sie an ein kleines
					      Kind erinnert, das laut singt, wenn es in den dunklen
					      Keller gehen muß. In ihrer Interpretation: Der Versuch eines
					      Mannes, filmisch das Problem zu bewältigen, das damals durch
				        die Frauen gerade aufgekommen war.
 Die Musikstücke Dieser Ehrgeiz, diese Computerwelt als Ganzes zu erfassen, das geht
					      ja gar nicht. Man kann etwas so Komplexes ja gar nicht
					      wirklich darstellen. Wir haben uns bemüht, im Film dieses Problem
					      mit verschiedenen Mitteln zu lösen. Insofern war natürlich
					      eine Konzeption schon da. Das hat die Kamera versucht,
					      in der Art, wie manche Dinge gezeigt werden. Das hat
					      der Jochen Brunow im Drehbuch versucht.Und dann sind da diese drei Musikstücke drin, die für die
					      Geschichte eigentlich nicht nötig sind. Sie wirken ja als Unterbrechung,
					      als Störung. Aber sie haben etwas mit dem Titel zu tun und mit
					      diesem ehrgeizigen Projekt, eine Totalität zu erfassen. Das läuft
					      bei mir nicht bewußt und nicht rational. Deshalb fällt
					      es mir schwer, es zu erklären. Ich habe nur ein vages Gefühl
					      für den Stellenwert und die Bedeutung der drei Musiken. Eine
					      davon ist, daß die Musiken etwas mit der Zeit zu tun haben.
					      Daß sie sozusagen sterllvertretend sind für die Vergangenheit,
					      Gegenwart und Zukunft der menschlichen Kultur. Da ist
					      das Archaische in der Musik der Wikinger, da sind die
					      elektronischen Effekte bei Laurie Anderson, und für die Gegenwart
					      steht die Musik von Mikro Rilling (Cello).
 Es wäre natürlich plump, wenn man das so direkt spüren
					      würde, aber Musik ist ja auch keine Sprache wie die Wort-Sprache.
					      Sie funktioniert nicht rational sondern über die Gefühle
					      und ist viel schwerer faßbar. Man muß einfach dasitzen
					      und versuchen es zu sehen und nicht Widerstände aufbauen und
					      unruhig werden.
 In der Szene mit Laurie Anderson im Theater sagt Hartmut
					      Bitomsky als Regisseur, daß das Musikstück, das sie innerhalb
					      des Theaterstücks spielt, ein Fremdkörper ist, der mit der
					      Handlung nichts zu tun hat. Wie in alten griechischen
					      Tragödien hat es die Funktion, das, was auf der Bühne passiert,
				        zu kommentieren.
 Die Kamera Die Kamera dokumentiert.                
                          Ich habe das schon früher mal gesagt: ich mache
                          Dokumentarfilme über Schauspieler, die ein Drehbuch
                          spielen.Beim Drehen der Szene müssen sich die Schauspieler
                          nicht so verhalten, daß es in das Bild der Kamera
                          paßt, sondern die Schauspieler bewegen sich so,
                          wie sie das wollen. Und die Kamera wird so aufgestellt,
                          daß man das richtig sehen kann. Genau so ist
                          es mit dem Drehbuch: Der Schauspieler muß sich
                          nicht mit aller Gewalt dem Drehbuch anpassen, sondern
                          das Drehbuch wird in seine Richtung verändert.
                          In Beleuchtung und Kamera mische ich mich nicht ein.
                          Das führt zwar manchmal zu Problemen, wenn der
                          Kameramann sieht, daß er bei mir totale Freiheit
                          hat und diese Möglichkeit natürlich ausnützt.
                          Ich bin dann hinterher immer etwas überrascht.
                          Es kommt sogar vor, daß ich was sehe, was ich
                          doch nicht so gern gehabt hätte. Aber ich achte
                          beim Drehen nicht darauf. Ich sehe es gar nicht. Wenn
                          ich mich darauf konzentrieren würde, würde
                          ich es natürlich sehen, aber ich tue es nicht.
                          Weil ich die ganze Konzentration auf die Schauspieler
                          richte - und weil ich einen Kameramann habe, auf den
                          ich mich verlassen kann.
 Martin Schäfer war schon 1972 in "FREMDE STADT"
                          dabei, also vor über 10 Jahren. Und bei "SUPERGIRL"
                          war er Kameraassistent, das war 1970. Ich lasse ihm
                          die Möglichkeit, meiner Art der Inszenierung etwas
                          entgegenzusetzen, Kontrapunkte zu schaffen. Diese Spannung
                          halte ich für gut. Die ist auch immer da zwischen
                          dem Drehbuch und meiner Inszenierung. Martin Schäfer
                          ist ein Kameramann, der genauso funktioniert in seinem
                          Bereich, wie ich als Regissur. Er ist total instinktiv,
                          er hat keine vorgefaßten Ideen im Kopf, nach
                          denen er die Bilder macht. Er kennt nur das Bild, das
                          gerade entsteht, und er benutzt die Bilder nicht, um
                          etwas zu demonstrieren. Deshalb ist er einfach der
                          ideale Kameramann für mich.
 Arbeit mit Schauspielern Meine Tätigkeit beim Inszenieren, das ist die Zusammenarbeit
					      mit einer Gruppe von Leuten, wo jeder sehr unabhängig arbeitet.                                   Ich
					      lasse jedem sehr viel Freiraum, das zu tun, was er
					      gerne möchte. Vielleicht ist das meine Methode. Irgendwie sind
					      sich ja alle meine Filme ziemlich ähnlich, also muß  der
					      Stil etwas mit mir zu tun haben.Wenn ich eine Szene mache, oder ganz allgemein einen
					      Film, habe ich nicht eine Idee im Kopf, sondern es
					      existiert nur die Szene. Ich denke nicht und setze
					      das, was ich gedacht habe dann in etwas Physisches
					      um. Ich wende mich gleich dem Physischen zu. Vielleicht
					      kann man das mit einem Bildhauer vergleichen, mit dessen
					      konkreter handwerklicher Tätigkeit. Er arbeitet mit den Händen
					      und ich mit den Schauspielern. Ich will eine bestimmte
					      Szene jetzt und hier lebendig machen. Die Arbeit mit
					      den Schauspielern ist auch stärker geworden; es passiert viel
					      mehr als früher. Ich bin eigentlich gar nicht mehr da. Ich projeziere
					      mich in die Schauspieler hinein, mit aller Kraft, die
					      ich habe, mit aller Energie. Ich liege und knie vor
					      denen und weiß der Teufel, was ich alles mache, wenn die Kamera
					      läuft.
 In dem Moment, wo die Kamera läuft, sehe ich nur die Schauspieler.
					      Und das ist eine Aufmerksamkeit, die sie nicht bei
					      allen verspüren. Sehr viele Regisseure sind halt mit dem technischen
					      Kram befaßt und gucken vielleicht sogar lieber durch die Kamera
					      - was für mich undenkbar wäre! Ich kann die Schauspieler
					      gar nicht sehen, wenn ich durch die Kamera gucke. das
					      ist, als wäre ein Vorhang zwischen mir und ihnen. Die Kommunikation
					      wäre unterbrochen.
 Für mich ist ausschlaggebend, ob ich zu den Schauspielern, mit
					      denen ich arbeite, auch eine emotionale Beziehung habe.
					      Ob ich ihnen vertraue, ob ich mich gut fühle mit ihnen. Ob etwas
					      da ist, mit dem ich arbeiten kann. Im Grunde genommen
					      arbeite ich mit der Sympathie, die ich zu den Schauspielern
					      und die Schauspieler zu mir haben. Das ist mein Handwerkszeug.
					      Die Arbeit ist dann eine freundschaftliche Angelegenheit:
					      In aller Gelassenheit und Ruhe das Drehbuch so detailliert
					      wie möglich auszuarbeiten, festzulegen, was jeder genau machen
					      muß, damit es wirklich toll wird, damit es lebendig ist und
				        stimmt.
 Bruno Ganz Bruno Ganz in diesem Film war für mich die Identifikationsfigur.
					      Das Zentrum und der Kern. Hanns Zischler war der Kontrapunkt.
					      er und Dominique Laffin sind eher die Folie, vor der
					      seine Person gesehen wird. Ich habe auch nie einen
					      Schauspieler gehabt, der so viel Potential mitbrachte,
					      mit dem man vom ersten Versuch an auf einem solchen
					      Niveau war.Manchmal hat er Dinge gemacht, winzige Bewegungen,
					      die ein Indiz waren, daß er in einer Situation noch nicht richtig
					      drin war. Gesten, die ihm gar nicht auffielen. Und
					      die habe ich gesehen und ihm manchmal auch gesagt,
					      warum er diese Fehler macht. Das hat er zwar nicht
					      immer gern gehabt, aber er hat gespürt, zu welcher Genauigkeit
					      und Vollendung man in der Zusammenarbeit kommen kann.
					      Ich habe natürlich kein abstraktes Ideal davon, wie man spielen
					      sollte. Es kommt immer auf die konkrete Situation an,
					      in der man genau hinsehen muß, ob das Handwerkszeug des Schauspielers,
					      sein Körper und seine Sprache stimmen.
 Bruno Ganz hat das verstanden und akzeptiert. Und deshalb
					      war er auch bereit, Dinge zu tun, die er vorher noch nicht gemacht
					      hatte. Diese Art der Arbeit hat nach den ersten Tagen
					      eine Atmosphäre geschaffen, die ihn gelöst sein ließ.
				        Und ich glaube, das sieht man auch im Film.
 Lieblingsszenen Eine Lieblingssituation wie die Klavierszene in "CHAMISSOPLATZ"                           
   gab es eigentlich nicht. "SYSTEM OHNE SCHATTEN" hat viele Szenen von ähnlicher
   Intensität. Oder doch: es gibt eine mit Bruno Ganz - die Szene nach dem
   Mord, wo er ins Auto steigt und die Kamera ganz langsam auf sein Gesicht zufährt.
   Da passierte etwas, was man kaum erklären kann. Ich habe ein bißchen
   Scheu, das zu sagen, weil es hochtrabend klingt: Es war wie eine Verschmelzung
   von zwei Personen. Die anderen haben das auch gespürt und haben uns von
   dem Moment an anders behandelt. Sie sind sanfter um uns herumgegangen, weil
   sie merkten, daß da etwas ist, was ganz selten vorkommt. Zu dem Zeitpunkt
   merkte ich manchmal, daß ich anfing, mich zu bewegen wie Bruno Ganz.
   Bei Leuten, die sich mögen, passiert das halt - so eine Vermengung von
   Persönlichkeiten. In jeder Liebesgeschichte passiert so etwas. Und Film
   zu machen ist ja auch wie eine Liebesgeschichte mit den Schauspielern. Über Hindernisse und Perfektion Film besteht aus Kompromissen.             Es gibt keinen idealen
					      Film. Es gibt zwar Leute, die Szenen 30, 40, 50 mal
					      drehen. Aber ich mag das nicht: einen Schauspieler
					      so quälen, ihn nahezu tot machen, um ihn dann wieder lebendig
					      zu kriegen. Ich versuche das, was ich will, schon früher zu kriegen.
					      Und auf eine etwas lustvollere Weise.Film ist halt Kino und nicht Wirklichkeit. Für den Zuschauer
					      wirken die Dinge im Zusammenhang des Films anders,
					      kriegen plötzlich eine andere Bedeutung und Motivation, als sie
					      es beim Drehen für den Schauspieler haben. Als Regisseur muß man
					      halt wissen, was an realen Störfaktoren existiert, und ob man
					      damit nicht     
			              auch arbeiten kann. Das ist eine Sache, die ich sehr mag: Dinge
			              zu benützen, ein hindernis, das sich beim Drehen auftut,
			              nicht beiseite zu schieben. Ich versuche nicht, mit
			              Gewalt das zu rreichen, was ich will, sondern ich schließe
			              das Hindernis ein und benütze es.
 Auf Ureparapara (der Drehort von "BESCHREIBUNG EINER
			              INSEL") gehen die Leute von einem Dorf zum anderen
			              auf Wegen, die wir gar nicht sehen. Sie sehen aus wie
			              der übrige Dschungel auch. Aber nach einer Weile gewöhnt
			              man sich daran und kann sie auch erkennen. Z.B. wenn
			              auf dem Weg ein Baum umfällt, würde unsereins ja diesen
			              Baum abhacken und beiseite räumen und wieder den alten
			              Weg benützen. Das machen die nicht. Die gehen um den Baum
			              rum. So benütze ich beim Drehen das, was passiert.
 Man hat dabei ja ununterbrochen mit Störfaktoren zu tun,
			              die dich an dem, was du machen willst, hindern wollen.
			              Die gesamte Umwelt will ja nicht das, was du willst.
			              Also muß man damit arbeiten. Ich tue das immer, ich laß den
			              Zufall mir helfen.
 Jean-Marie Straub z. B. ist ein Fanatiker in Bezug
			              auf Präzision. Präzision ist mir auch wichtig, aber
			              ich könnte nie einen Film machen, der von vorn bis hinten
			              perfekt ist. Es ist so wie mit den Diamanten: die teuersten,
			              die ganz reinen, sind ohne irgendwelche Einschlüsse. Strahlend
			              und perfekt. Meine Filme sind eigentlich nicht so,
			              sie sind voller Makel und Einschlüsse, voller Fremdkörper,
			              um die der Film herumgegangen ist, und die jetzt zu
			              ihm gehören.
 Thome-Filme Das Kino ist eine äußerst raffinierte Maschine.                 Man
					      kann Filme so machen, daß der Zuschauer nach den ersten 5 bis
					      10 Minuten einfach an seinen Stuhl gefesselt ist und
					      ihm jedes Gefühl, das er hat, vorgeschrieben wird. Eine Maschine,
					      in die man hineingezogen, durchgewurschtelt und zum
					      Schluß wieder ausgespuckt wird. Viele Filme sind so gemacht.
					      Bei mir kann man ruhig und entspannt dasitzen und sich
					      denken, was man will. Es gibt nicht nur eine Art zu
					      denken und zu fühlen. Man ist frei in seinen Verhaltensweisen
					      zu dem, was man sieht.Das ist nicht ganz ohne Mühe für den Zuschauer, ich quäle
					      ihn schon manchmal ein bißchen. Aber ich will ihn ja wohin führen,
					      ihm etwas zeigen. Wenn man das mitmacht, hat man seinen
					      Spaß. Dann kriegt man etwas dafür.
 Die Inszenierung Faber, Juliet und Melo sind stilisierte Kinofiguren: Das hat schon
					      etwas mit den Namen zu tun.    	                      Das mephistophelische
					      von Melo z.B., oder Faber - dazu will ich gar nicht
					      so viel sagen. Er ist der technischee Mensch und in
					      seiner Lonstruktion halt extrem künstlich.Ich habe versucht, diese Künstlichkeit nicht zu verstärken,
				         sondern dagegen zu inszenieren, um die Figuren realer
				         und plastischer zu machen. Dadurch ergibt sich dann
				         auch, daß sich die Personen gegen die Genregeschichte "Krimi"
				         eine eigene Wirklichkeit schaffen.
 Z.B. beim Tod des Wachmanns: Der Tote ist ja überhaupt nicht
				         wichtig. Wichtig ist derjenige, der sich dafür verantwortlich
				         fühlt, für den sich dadurch jetzt etwas ändert: Faber.
 Es ist klar, daß ich durch diese Art der Inszenierung immer
			            auch mit den Kinoerwartungen spiele.
 Faber Faber ist nicht wirklich zufrieden. Er merkt es nur nicht. Und lebt
					      irgendwie unbewußt. Er ist in seine Berufsrolle reingerutscht,
					      wie fast alle von uns. Durch das Zusammentreffen mit
					      Juliet und Melo gerät das durcheinander. Da rutscht er zwar auch
					      hinein, aber es passiert etwas mit ihm. Der Film ist
					      im Grunde genommen eine Reise. Eine Reise von Norden
					      nach Süden, eine äußere Reise und eine innere Reise.
					      Faber verändert sich, er bewegt sich raus aus seiner Welt, die
					      man vielleicht "System ohne Schatten" nennen könnte. (Text aus dem Presseheft des Concorde Filmverleihs von 1984    |