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Gudrun Max und
Karl - Heinz Oplustil
Interview mit R. Thome
15.1.98
Der Titel "Tigerstreifenbaby wartet auf Tarzan" ist für Sie eher ungewöhnlich. Er ist lang und etwas schrill. Bislang waren Ihre Titel kurz und neutral wie "Das Mikroskop", "Der Philosoph" oder "Das Geheimnis". Wie sind Sie auf diesen Titel gekommen?

Wie bei meinen anderen Filmen war auch hier der Titel zuerst da, bevor ich die Geschichte erfunden hatte. Vor beinahe zwanzig Jahren habe ich in einem Stadtmagazin - im "Tip" oder im "Hobo" - ein Gedicht gelesen, da gab es diese Zeile. Ich hatte von dem Moment an den Plan, mit dieser Zeile einen Film zu machen. Der Titel hat mich berührt. Zu der Zeit, als ich "Berlin Chamissoplatz" machte, habe ich Jochen Brunow, der das Drehbuch mitgeschrieben hatte, gebeten, einen Film mit dem Titel zu schreiben. Er hat es versucht, aber ihm ist keine richtige Geschichte eingefallen. Ich habe damals dem WDR einen Film mit diesem Titel angeboten und habe eine offizielle Absage bekommen. Ich war ganz merkwürdig berührt, daß dieser Film, von dem es noch gar keine Geschichte gab, vom WDR als Titel akzeptiert worden ist und in der Absage genannt wurde. Viele Jahre vergingen, und als ich im letzten Sommer ein Drehbuch schreiben wollte, kam innerhalb der ersten Tage, wo ich nur nachdenke, dieser Titel. Für mich selbst hatte ich die Vorgabe, einen Film über Zeitreisende zu machen.

Der Titel "Tigerstreifenbaby wartet auf Tarzan" ist knallig. Ich bin beim Konzipieren des Films von meiner Situation innerhalb des deutschen Films ausgegangen. Es ist einfach in den letzten Jahren so gewesen, daß ein neuer Film von mir in den meisten Städten nur in C-Klasse-Kinos gelaufen ist. Dieser Film ist so konzipiert, daß er tatsächlich in solchen Kinos läuft. Er ist von vornherein gedacht für ein Außenseiterkino, wo dann vielleicht etwas mit dem Film passiert. Daher auch der schrille Titel. Ein anderer Aspekt war: es sind jetzt noch zwei Jahre bis zur Jahrtausendwende. Ich wollte die Art von Film, die zu dieser Zeit paßt.

In welcher Hinsicht meinen Sie, daß dieser Film zur Jahrtausendwende paßt?

Die Geschichte, die erzählt wird, ist eine Mischung verschiedener Filmgenres. Der Film spielt mit den verschiedenen Genres. Das Genrekino, das es heute in dem Sinne nicht mehr gibt, war ja fast bis zu den sechziger Jahren das Kino überhaupt. Der Film geht darauf zurück, er ist ein Rückgriff auf Formen der Filmgeschichte. Aber er hält sich nicht an die Regeln der Genres, er spielt mit ihnen. Für mich ist er auch wie eine Zusammenfassung all der Filme, die ich bisher gemacht habe. Ein weiterer Gedanke war, daß es mein letzter Film sein könnte, das wäre ein Abschluß. Andererseits wollte ich etwas Neues machen. Ich wollte von Komödien und Ehegeschichten weg und was Neues anfangen. Er ist zwar eine Zusammenfassung, aber gleichzeitig auch der Versuch, etwas ganz Neues zu machen. Ich wollte einen Endpunkt setzen und gleichzeitig einen neuen Anfangspunkt. Natürlich unter der Voraussetzung, daß es funktioniert. Wenn dieser Film, der vermutlich in den Minikinos starten wird, gehen sollte, also wenn dieses Wunder passieren sollte, dann wird es natürlich nicht sehr schwer, an diesem Punkt anzusetzen und weiterzumachen.

Die Idylle auf dem Land ist Ihnen offenbar wichtig. Sie taucht in verschiedenen Ihrer Filme auf, in "Tarot" zum Beispiel und zuletzt in "Das Geheimnis". Ist das hier eine bewußte Anknüpfung? Warum ist die Geschichte gerade dort angesiedelt?

Ein genauso wichtiger Moment für diesen Film war nicht nur der Titel, sondern neben der Zeitreise auch das Haus mit den fünf Säulen. Ich habe für dieses Haus schon einmal ein Drehbuch geschrieben, das nicht verwirklicht wurde. Das Haus hat mich fasziniert, es hat eine Ausstrahlung, es ist nicht einfach irgendein Haus.

Auch das Motiv der Zeitreise gab es schon öfter in Ihren Filmen, in "Supergirl" und "Der Philosoph", in gewisser Weise auch in "Das Geheimnis". Was fasziniert Sie so an dem Motiv der Zeitreise?

Ich habe früher viele Science-Fiction-Romane gelesen. Sehr lange, bis ich ungefär 25 Jahre alt war. Was mich am meisten faszinierte, waren Geschichten, die mit Zeitreisen zu tun hatten. Im Grunde eine ganz kindliche Sache. Die Zeitreise ist ja so etwas wie ein Wunder. Das Phänomen Zeit ist immer noch ungeklärt und beschäftigt heute mehr Menschen als je zuvor. Nach neuesten Theorien sind Zeitreisen denkbar. Wenn Einstein das Universum als ein Raum-Zeit-Kontinuum bezeichnet, ist das ja jenseits der Vorstellung. Warum soll man sich diesen ungeklärten Dingen nicht auf naiver Art nähern? Ich habe mich immer mit dem Phänomen der Zeit beschäftigt. Mein Lieblingsphilosoph Georg Picht, bei dem die Zeit immer eine große Rolle spielt, hat als letztes Werk ein Buch über die Zeit begonnen, das leider nicht mehr veröffentlicht werden konnte - die Zeit reichte nicht für ihn.

Sie lassen das ganze Science-Fiction-Brimborium weg und bringen den Zeitreisenden in eine relativ alltägliche Situation hinein, wie auch schon Supergirl. Ist es dieses Moment, daß etwas Unvorstellbares im Alltag passieren könnte, was Sie daran reizt? Daß es etwas ist, das unsere Vorstellung sprengt?

Ich bin überzeugt, daß es Dinge gibt, die unseren normalen Vorstellungen total widersprechen, die wir einfach nicht verstehen können. Jede Art von Religion ist ja auch jenseits unserer Vorstellung. Wenn man das Christentum ernst nimmt, macht natürlich Christus keine Zeitreise, sondern kann jederzeit überall auftauchen. Das ist ja auch die provozierende Geschichte von "Das Geheimnis", die diesen Aspekt ernst nimmt.

In "Tigerstreifenbaby" braucht man als Zuschauer relativ lange, bis einem deutlich wird, daß der Anhalter aus einer anderen Zeit kommt. Erstmal sieht man ja nichts Besonderes. Ist Ihnen das wichtig oder ist es auch eine Geldfrage, auf Effekte zu verzichten?

Erstmal ist es eine Geldfrage. Bevor ich einen schlechten Effekt mache, mache ich lieber gar keinen. Aber letzten Endes sind mir Effekte nicht wichtig. Die Lösung, die wir für das Auftauchen des Zeitreisenden gewählt hatten, hat mir gut gefallen. Wichtig ist: was passiert im Alltag, wenn ein übernatürliches Phänomen auftritt? Der Alltag und das Wunder, das Übernatürliche muß zusammenkommen. Das reizt mich.

Könnte man die Tanzszene in der Diskothek, eine extrem lange Einstellung mit eigenartigem Licht, als Hinweis auf die ungewöhnliche Herkunft des Hauptdarstellers verstehen?

In diesem Film gibt es viele Tanzszenen, und es ist immer ein Traum von mir gewesen, eine tolle Discoszene zu haben. Das Gesicht wird in diesem Strobelight-Licht plötzlich ganz alt.

Er ist ja auch 1.214 Jahre alt!

Durch das Strobelight sieht er richtig schrumpelig aus, er wirkt uralt. Das hat mich absolut begeistert, weil dieses Moment etwas erzählt, was man erst sehr viel später erfährt. Warum er hergekommen ist, wird ja nie ganz klar. Ein Aspekt der spürbar werden sollte, war immer, daß er unglücklich ist mit seiner Unsterblichkeit. Daß er sich danach sehnt, normal zu sein wie wir, wie Normalsterbliche. Die Liebesszenen im Film sollen auch etwa zeigen, daß es ihm ums Sterben geht. Er möchte in der Verschmelzung so werden, wie normale Menschen. Diese Sehnsucht ist bei ihm. In der zweiten Liebessezene mit Laura Luna geht es im Grunde nur ums Sterben. Sie reden während des ganzen Akts über das Sterben.

Das heißt in dieser Verschmelzung möchte er ein menschliches Wesen werden, um sterben zu können?

Ja, natürlich weiß er, daß das nicht geht, aber die Sehnsucht danach, die kann man spüren. Diese Assoziation sollte im Zuschauer kommen

In seiner Zeit sind die Männer unsterblich geworden und die Frauen ausgestorben. Was mich etwas stört ist, daß man relativ wenig davon erfährt, wie dieser Zustand in der Zukunft dann ist.
Wenn er seine Geschichte erzählt, ist der Zuschauer nicht dabei. Wir drehen ja immer nur, nachdem er seine Geschichte bereits erzählt hat, wie es weitergeht. Wir sehen nie den Moment, wo er seine Geschichte erzählt, wir sehen nur, wie die anderen davon erfahren bzw. nur, wie Laura Luna davon erfährt. Das heiß, wir sehen nur ihre Reaktion darauf. Das effektive Erzählen sehen wir nicht.

Warum sparen Sie diesen Moment des Erzählens so aus? Der Mensch, der aus der Zukunft kommt, müßte doch viel zu erzählen haben?

Das hat mich nicht gereizt. Beim Erzählen der Geschichte bin ich ausgegangen von einem Modell des Geschichtenerzählens wie bei Budd Boetticher in seinen Filmen mit Randolph Scott. Die fast alle nach einem bestimmten Schema ablaufen: ein Mann kommt in eine Stadt, es passiert etwas, er reagiert, es entwickelt sich eine Geschichte, und gleichzeitig wird seine Vergangenheit erzählt. Wenn der Film zu Ende ist, hast du das, was im Moment passiert, gesehen und auch seine Vergangenheit. Natürlich ohne Rückblenden. Nch diesem Erzählmuster ist mein Film auch erzählt. Mich hat mehr gereizt zu zeigen, daß Laura Luna wie ein normaler Mensch reagiert, wenn sie hört, daß er 1.214 Jahre alt ist und ihn auslacht. Und wie sich gleichzeitig doch etwas festhakt bei ihr. Später kommt Luise dazu und die geht ganz anders damit um. Sie nimmt es ganz leicht, warum nicht.

Die Szene der Erklärung am Wannsee hat mir sehr gut gefallen. Das ist ja praktisch das Ende seiner Erzählung, wobei das ja phantastisch genug ist. Diese abentuerlichen und phantastischen Mitteilungen werden ganz flach gezeigt in einer täglichen Umgebung. Dieser Kontrast zwischen Understatement und sensationellen Dingen. Ist das der Grund, warum Sie am Anfang seine Haupterzählung weggelassen haben?

Nein, ich wollte, das man scheibchenweise mehr erfährt. Es gab nur eine Sache, die wirklich erzählt werden mußte, nämlich wie und wo er den Titel des Buches gesehen hat. Ich mußte ja auf den Filmtitel kommen und der Film endet mit dem Bild des Grabsteins.

Wie war die Zusammenarbeit mit Rüdiger Vogler?

Er hat sich sehr unwohl gefühlt. Ich fand ihn unglaublich gut. Der Vater einer großen Tochter zu sein, das gefiel ihm überhaupt nicht, ich habe selten einen Schauspieler gesehen, der so gut war. Eine Reaktion, die ich jetzt gerade von der Berlinale von einem Auswahlkommittee bekommen habe, nach dem Sehen von Just married : Ich hasse die Frauen. Das hat mich ziemlich erschüttert. Das ist so falsch gesehen. Aus einer ganz oberflächlichen Betrachtungsweise könnte man das sagen.

Wieso zwei Filme in einem Jahr?

Ich stand vor einem nicht auflösbarem Finanzierungsproblem und die einzige Lösung dafür nämlich eine Finanzierung für "Tigerstreifenbaby" und die andere für "Just married", die beide nicht zusammengehen konnten, da habe ich gedacht, dann mache ich beide. Man kann natürlich auch auf den Gedanken kommen, daß diese beiden Filme sich auch ergänzen. Wenn Just married eine alltägliche Ehegeschichte erzählt, dann erzählt Tigerstreifenbaby eine phantastische Geschichte, d. h. Utopie und Alltag könnte man aufeinander beziehen.

Was ist die Absicht, wenn Sie uns die Situation zwei Frauen und einem Mann, die alle miteinander schlafen, als Utopie zeigen? Wollen Sie damit provozieren?

Ich will provozieren, aber ich erzähle ein Märchen, das mir gefällt. Und weiß, wenn man es sieht, das es provoziert. Warum soll ich Sachen machen, die die Leute sowieso machen wollen und ich weiß, das bestätigt sie in dem was sie denken und fühlen. Das reizt mich nicht. Es ist natürlich eine speziell männliche Phantasie. Es wäre was anderes, wären da zwei Männer und eine Frau, also eine Jules und Jim Geschichte.

Was macht den Mann für die beiden Frauen so attraktiv, er hat so gar nichts von Tarzan?

Er riecht gut. Die ganze Fortpflanzung beruht auf dem Riechorgan. Liebesgeschichten haben doch auch etwas mit Geruch zu tun.

Es ist eine schöne Idee mit dem Riechen. Wie sind Sie eigentlich auf Herbert Fritsch gekommen?

Meine Regieassistentin Sülbiye Günar hat ihn mir vorgeschlagen. Wir haben uns dann in einem Cafe in Mitte verabredet und kamen von der ersten Sekunde an nicht mehr voneinander los. Wir haben auch viel über Computer geredet. Ich kannte ihn noch nicht vom Theater. Dann bin ich in die Volksbühne gegangen und habe ihn in "Pension Schöller" gesehen und war sowas von angetan, daß ich zu ihm sagte: "Herbert, du mußt im ersten Film auch spielen. Er war zunächst nur für "Tigerstreifenbaby wartet auf Tarzan" gedacht, nicht für "Just Married".

Wie kamen Sie auf Cora Frost?

Das war ebenfalls ein Vorschlag meiner Regieassistentin. Ich habe mich erinnert, daß ich zwei Jahre vorher einen Artikel im Tip über sie gelesen hatte und ich dachte damals, sie einmal kennenlernen zu wollen. Sie ist ungewöhnlich und speziell, mit ihr zu drehen war wunderbar. Für Laura Luna war eigentlich eine Schauspielerin von der Volksbühne vorgesehen, die fiel zwei Tage vor Drehbeginn aus, und ich habe alle Möglichkeiten durchdacht und habe mich mit Valeska Hahnel, die bereits in "Just Married" eine kleine Rolle gespielt hat, getroffen und ihr die Rolle gegeben. Nach den ersten drei Drehtagen bin ich vor Glück fast an die Decke gesprungen. Es war wunderbar mit ihr zu drehen. Daß Drehen mit den Frauen war ein absolutes Vergnügen, so wie man es ganz selten hat. Mit Herbert Fritsch war es schwieriger. Wenn diese Liebe von mir am Anfang nicht dagewesen wäre, dann hätte ich das nicht durchgestanden.

Eine überraschende und sehr glückliche Besetzung war Irm Hermann, wie kam es dazu?

Der Vorschlag kam von Adriana Altaras, und ich rief Irm Herrmann sofort an. Ich kenne sie seit fast dreißig Jahren, seit "Detektive". Es ist irgendwie nie zu einer Zusammenarbeit gekommen. Sie mochte die Dreharbeiten sehr, es war eine wunderbare Zusammenarbeit. Den Vater sollte ursprünglich Marquard Bohm spielen, der fiel aus, und vier Tage vor Drehbeginn kam ich auf die Idee, die Rolle mit Rüdiger Vogler zu besetzen. Was auch nicht naheliegend war für mich, denn für ihn hatte ich die Hauptrolle in " Das Mikroskop" gedacht, und er hatte abgelehnt. Im letzten Jahr trafen wir uns bei der Felix-Verleihung und es war angenehm, mit ihm zu sprechen. Daran erinnerte ich mich, und er sagte auch sofort zu, das habe ich auch nicht bereut, ganz im Gegenteil. Das paßt auch zu dieser Abrundung. Ich sehe diesen Film als einen Endpunkt, der zu einem Anfangspunkt werden kann, aber das wird sich zeigen. Wenn der Film total floppt, muß ich etwas ganz anderes machen.

Die Szene mit der Schlange, die Maus frißt, hat mich verstört, warum zeigen Sie das?

Wenn Frank mit der Schlange zu den beiden Frauen tritt, sagt Laura Luna "Jetzt sind wir ja komplett". Das kann man ja nur so verstehen: jetzt haben wir das Paradies, nur die Schlange fehlte noch.

Und im Paradies wird einer von den anderen gefressen?

Bei mir gibt es keine Symbolik. Man sieht Dinge und die Dinge lösen Assoziationen aus. Wenn ich das als Zuschauer betrachte, ist eine Assoziation von mir, wenn die Schlange die Maus frißt, hat es etwas zu tun mit dem, was zwischen den Personen passiert: Laura Luna muß sterben, weil Frank gekommen ist.Cora Frost hat ja etwas von einer Schlange, wenn sie sich bewegt, ihr langer Hals.

Es ist gleichwohl eine überraschende Wendung, wenn der Zeitreisende mit der Schlange um den Hals zu den Frauen tritt. Haben Sie die Schlange in die Geschichte gebracht, um auf die Einstellung mit der Maus hinzukommen?

Überhaupt nicht, das hat sich zufällig durch die Notwendigkeit ergeben, daß die Schlange gefüttert werden mußte und wir auch alle verblüfft waren, wie das geht. Es lag auch an Herbert Fritsch, er hat in "Pension Schoeller" eine beinah fünfzig Kilo schwere Pythonschlange um den Hals. Er hat sich sachkundig gemacht und ist fasziniert von Schlangen. Die Faszination Herbert Fritschs zu Schlangen deckt sich mit meiner Faszination. Bereits als Kind hatte ich schon Schlangen. Man könnte das Motiv der Schlange natürlich auch erotisch deuten. Die Schlange ist ja auch im wirklichen Paradies die Verführerin und die Menschen erliegen ihren Verführungskünsten. Ich denke mir vorher ja nicht aus, was als Inhalt herauskommen soll. Ich arbeite mit Assoziationen, nehme Dinge, die da sind. Die Zwänge, denen ich ausgesetzt bin, mit denen arbeite ich. Habe dabei Assoziationen und wähle dann Wege, von denen ich denke, das wird die Sache verdichten.

Was ich irritierend fand: es gibt eine parallel geführte Handlung am Schluß des Films, wenn der Zeitreisende sich Mäuse besorgt, stellen die beiden Frauen fest, daß sie Kinder erwarten, ist das bewußt gegeneinander gesetzt?

Nein (lacht) die Dinge passieren mir.

Welche Assoziationen hatten Sie dabei?

Es geht um natürliche Vorgänge. Die Natur führt einmal dazu daß die Frauen Kinder kriegen und andere Ebene die eben auch bedeutet, daß die Schlange die Maus frißt. So unterschiedlich kann die Natur sich manifestieren. Meine Cuttermanschaft war ja extrem fleißig und hat in die Natursache in Niendorf, wo wir den Film gedreht haben, eine Tonkulisse hineingepflanzt, die mir manchmal fast zuviel war. Ein paar Sachen habe ich auch gestoppt, aber vieles habe ich genommen. Da sind ja die ganze Zeit Vögel am Zwitschern, aber so ist es gar nicht. Das Verrückte ist, dort im Wald hört man fast keine Vögel. Die Vogelkulisse ist rein künstlich.

Woran liegt denn das, daß dort keine Vögel sind?

Ich denke es hat damit zu tun, daß es unendlich viele Raubvögel gibt. Im harten Winter sieht man sie an der Straße aufgereiht, völlig fertig, weil es nichts zu fressen gibt. Sie warten darauf, daß irgendwas passiert und sie von der Straße irgendwas abbekommen. Diese Raubvögel dezimieren alles, es scheint ein völliges Ungleichgewicht zu sein.

Wenn Laura an dem See nackt ins Wasser geht, sieht man sie in einer sehr langen Einstellung von hinten und Schwäne kommen ins Bild. Ist das ein reiner Glücksfall?

Die Schwäne kamen einfach. Aber wir haben die Einstellung zweimal gedreht, einmal ohne Schwäne und einmal mit ihnen. Ich war sehr im Zweifel, weil bei der ohne Schwäne eine Wolke vor der Sonne war und das Bild sehr viel dunkler war. Der See hatte fast etwas Unheimliches. Es waren keine Reflektionen von der Sonne auf dem Wasser, also war das Wasser eine große, ruhige schwarze Fläche, die ganz still war. Wenn sie hineingeht, sah man, wie sich Schritt für Schritt die Wellen um sie herum bildeten und sich immer weiter ausbreiteten. Und dann kam er dazu und wurde quasi aufgenommen. Der Grund, warum ich die mit den Schwänen genommen habe, war letzten Endes, daß Schwäne halt ein Todesmotiv sind.

Das kenne ich so nicht. Ich denke, daß Sie keine Symbole gebrauchen?

Selbst wenn die Schwäne kein Todesmotiv sind, funktioniert es trotzdem. Das, wofür ich die Schwäne brauche, die mir einfach der Zufall geschickt hat, das funktioniert. Sie ist Einklang mit der Natur und dem Universum, und er darf da mit rein. Die Schwäne passen sich in dieses Bild ein.

Hätten Sie sich eigentlich ein glückliches oder jedenfalls weniger gewalttätiges Ende vorstellen können?

Nein. Das Ganze ist eine Utopie. Eine Utopie kann nicht real werden. Das kann nicht funktionieren. Am ersten Tag des Schreibens habe ich schon die Szene geschrieben, daß Theo den Revolver aus dem Handschuhfach herausholt, wenn sie anhalten und Frank mitnehmen. Es war mir am ersten Tag des Schreibens offensichtlich klar, daß das, was passiert, passieren wird. Sonst weiß ich oft nicht, wie es enden wird, aber das war von Anfang an da. Es kann nicht gut enden.

War auch Anfang an da, daß man Luise am Schluß noch an dem Grab sieht?

Nicht von Anfang an, aber man mußte das Grab sehen, damit der Titel wieder auftaucht. Dann wird einem klar, daß Frank diesen Grabstein gesehen haben muß. Es wird vorher nur gesagt, daß er den Spruch auf einem Stein gesehen hat. Aber es ist bei allen meinen Filmen so: du kriegst eine Information, die du erst nach ein oder zwei oder drei Szenen oder ganz am Ende des Films erklärt bekommst. Wo du dann erst versteht, was diese Information, die du lange vorher bekommen hast, bedeutet.

Der Film hat einen viel ruhigeren und langsameren Rhythmus als "Just Married". Kam es Ihnen auf diesen Kontrast an?

So ist es schon geschrieben. Die Erzählweise bei "Just Married" ist total elliptisch. Der ganze Film kriegt seine Kraft durch die Ellipsen, er lebt davon. Seitdem ich selber Drehbücher schreibe, experimentiere ich mit dem Erzählen. Innerhalb dieser Erzählexperimente hat das einen ganz wichtigen Stellenwert. "Tigerstreifenbaby" ist vom Erzählen her etwas ganz anderes. Das ist fast eine 1:1 - Kontinuität von dem Moment an, wo der da auf der Straße steht. Ich übertreibe etwas, aber man sieht alles, was passiert, ein Ding nach dem anderen, es gibt eigentlich keine Ellipsen. Nur am Ende dann, in dieser Idylle in dem Jagdhäuschen, da ist diese Erzählkontinuität nicht mehr so da. Da ist die Zeit plötzlich fast gar nicht mehr da. Wir erfahren nur von außen, daß ganz viel Zeit vergangen sein muß: der Ehemann von Luise, der seine Frau sucht, sagt, sie sei seit fünf Wochen nicht mehr da; dadurch, daß die beiden Frauen schwanger sind, muß auch Zeit vergangen sein; der Vater sagt am Ende, sie seien acht Wochen glücklich gewesen. Diese acht Wochen sehen wir nicht. Der Zeitverlauf in diesem Jagdhäuschen ist ähnlich wie auf Ureparapara in "Beschreibung einer Insel", wo die Zeit quasi nicht mehr existiert: man kann nicht sehen, daß die ein halbes Jahr dort sind. Wirklich bewußt ausgedacht habe ich mir das nicht, aber mir war klar, daß diese utopische Situation immer auch ein Verlöschen der Zeit bedeutet, eine Aufhebung der Zeit. In "Just Married" passiert ja nicht viel, die Geschichte ist sehr alltäglich. Aber durch die Ellipsen, vor allem diese Zeitsprünge von jeweils einem Jahr, die immer duch ein neues Kind markiert werden, kriegt er eine ganz erhebliche Dimension. Die Musik ist ganz wichtig dabei, sie ist sehr monoton, eintönig, sparsam. Aber in der Wiederholung, trotz dieser Sparsamkeit, öffnet sich plötzlich etwas. "Just Married" saugt die Phantasie des Zuschauers wirklich an. Er braucht das, wenn das nicht passiert, ist er lahm. Aber wenn es passiert, ist er gewaltig.

Haben Sie deshalb auch neue Schauspieler genommen?

Ja, seit zehn Jahren habe ich zum ersten Mal neue Schauspieler genommen, bis auf ganz wenige Positionen, auch ein Komplett neues Team, beispielsweise den Kameramann (Name), der seinen ersten Film mit mir gemacht hat.